Eindrucksvolle Ausstellung des DA! im Düsseldorfer Ballhaus

Ein roter Teppich für die Evolution

Bei fast allen Klassen kam am Ende ein erstaunlich reifes Feedback zurück: Sie hatten erkannt, dass das Leben auf der Erde miteinander verwandt ist, dass wir alle eine "Big Family" sind. Aus dem Einzeller L.U.C.A., dem letzten gemeinsamen Vorfahren aller Lebensformen, entwickelten sich sämtliche Bakterien, Pilze, Pflanzen und Tiere. Entsprechend fielen die Antworten auf die Frage aus, die Olaf Zuber stets am Ende stellte: "Wie geht man denn mit seinen Verwandten um?" Sie reichten von "lieb", "respektvoll" und "höflich" bis zur fundamentalen Feststellung, dass dann auch niemand Kriege führen dürfe. Ohne dass es so benannt wurde, nahmen die Kinder eine humanistische, dem Leben zugewandte Position ein. Ist diese Art der Aufklärung nicht unendlich wertvoller als die Vermittlung vormoderner Mythen, die kaum einen Bezug zur festgestellten Wirklichkeit haben? Mythen, die zu Ausgrenzung und Separierung führen, während wir unsere Kinder fit machen sollten für eine globalisierte bunte Welt ohne Nationen, ohne Trennendes?

An einigen Abenden konnten Kinder mit KRASS e. V., einem Verein, der junge Menschen aus problematischen Verhältnissen mit Kunstprojekten aufbaut, Evolutionsbilder malen. Die vielen tollen Ergebnisse wurden in einer stetig wachsenden Ausstellung der Öffentlichkeit im Ballhaus präsentiert.

Kinder malen mit KRASS, Foto: © Bernd Kammermeier
Kinder malen Evolutionsbilder, Foto: © Bernd Kammermeier

Freitag, 1. November

Am letzten Wochenende standen wieder die Erwachsenen im Mittelpunkt des Geschehens. Die Archäologin und Direktorin des Neanderthal-Museums, Dr. Bärbel Auffermann, informierte am Freitag über "Zwei Millionen Jahre Migration" und klärte darüber auf, dass wir alle Migranten aus Afrika seien. "Migration ist ganz eng verknüpft mit unserem Menschsein und mit unserer Entwicklung." Diverse Wissenschaftsdisziplinen hätten mittlerweile zahlreiche Migrationsbewegungen nachweisen können. "Mit diesem Wissen können wir heutigen und zukünftigen Migrationsereignissen auch mit einer gewissen Gelassenheit entgegentreten", stellte die Archäologin fest. "Wir Menschen konstruieren unsere eigene Identität und damit auch die Zugehörigkeit zu Gruppen und Gesellschaften." Dies erzeuge ein Gefühl von Vertrautheit oder Abgrenzung.

Die Migration habe begonnen, als der nicht sesshafte Mensch dem Nahrungsangebot folgte und sich so unwillkürlich ausbreitete. Mit zunehmender Entwicklung unterstützten die Nutzung von Reittieren, die Erfindung von Booten und schließlich auch Wagen diese Wanderungen. "Manche Ausbreitungswege, wie zum Beispiel die Balkanroute, nutzen Menschen aufgrund der günstigen Geographie seit Jahrtausenden." Die heutige Definition für "Menschen mit Migrationshintergrund" beziehe sich, so Auffermann weiter, auf einen winzigen Zeitraum der Geschichte. "Archäologisch gesehen haben alle lebenden Menschen einen Migrationshintergrund." Wir seien alle Afrikaner.

Dr. Bärbel Auffermann, Foto: © Bernd Kammermeier
Archäologin Dr. Bärbel Auffermann, Foto: © Bernd Kammermeier

Am Abend referierten die Wissenschaftsjournalistin Franziska Konitzer und ihre Kollegin Martina Preiner vom Audible-Wissenschaftspodcast "Undoder zum Quadrat" über "Abiogenese – unglaublich oder unausweichlich?". Es ging um nichts anderes als die vielleicht spannendste Frage der gesamten Biologie: Wie entstand das Leben vor 4,1 Milliarden Jahren? Die beiden engagierten Frauen zeigten den aktuellen Stand der Forschung auf, aber auch die noch immer vorhandenen Fragezeichen, wenn es um das Kleingedruckte beim Übergang der chemischen in die biologische Evolution geht.

Martina Preiner & Franziska Konitzer, Foto: © Bernd Kammermeier
Wissenschaftsjournalistinnen Franziska Konitzer und Martina Preiner (von links), Foto: © Bernd Kammermeier

Samstag, 2. November

Die Vortragsreihe schlossen am Samstag der Zoologe Dr. Stefan Curth und der Philosoph und Vorstandssprecher der gbsDr. Michael Schmidt-Salomon, ab. Der Zoologe, der für die wissenschaftliche Sammlung des Aquazoo Löbbecke Museums verantwortlich ist, führte am Nachmittag in seinem Referat "Evolution zum Anfassen – Zoos und Museen als Bildungsorte" engagiert aus, dass Zoos zwar in den Dialog mit ihren Kritikern treten müssten, aber andererseits auch unverzichtbar seien, um den Bürgern Tiere nahezubringen. Auch für den Arterhalt würden sie wertvolle Dienste leisten. Dabei sah er durchaus die tierethischen Probleme, die mit dem Freiheitsentzug der Zooinsassen verbunden sind. Doch die Zoos selbst würden hier nach und nach Abhilfe schaffen und den Tieren möglichst lebensnahe Bedingungen bereitstellen.

Dr. Stefan Curth, Foto: © Bernd Kammermeier
Zoologe Dr. Stefan Curth, Foto: © Bernd Kammermeier

Der abschließende Vortrag des Philosophen Schmidt-Salomon, der auch Schirmherr der Evokids-Tage war, spannte einen größtmöglichen Bogen um das Thema: "Evolution ist überall"; er ging direkt auf das Motto der Gesamtveranstaltung ein: "Nichts ergibt Sinn – außer im Licht der Evolution". Dieser Satz gehe auf den Titel eines Aufsatzes des Genetikers und Evolutionsbiologen Theodosius Dobzhansky zurück, allerdings mit einer Einschränkung: "Nichts in der Biologie ergibt Sinn außer im Licht der Evolution". Der gbs-Vorstandssprecher versuchte in seinem Vortrag zu begründen, warum man diese Aussage im Sinn des Veranstaltungsmottos verallgemeinern dürfe, denn "das Verständnis der Evolution spielt auch außerhalb der Biologie eine entscheidende Rolle."

Julian Huxley, der Begründer des evolutionären Humanismus, habe bereits vor Dobzhansky die ersten Ansätze entwickelt zu "einer universellen Evolutionstheorie, das heißt einer vereinheitlichten Betrachtungsweise des Universums, die sowohl die Wandlungsprozesse beleuchtet, die der Welt des Lebendigen vorangegangen sind – etwa die kosmische oder chemische Evolution – als auch jene, die später erst auf Basis der biologischen Evolution erfolgten, etwa die Evolution des Bewusstseins, der Sprache, der Technik, der Medizin, der Wissenschaften und der Künste." Der Referent differenzierte dabei die unterschiedlichen Wirkmechanismen der einzelnen Evolutionen. Er stellte drei Merkmale vor, die er bei evolutionären Prozessen für charakteristisch hält: Erstens qualitativer Wandel, zweitens Variation und Selektion (Zufall und Notwendigkeit), drittens weitgehende Unumkehrbarkeit der Selektionsverhältnisse, das hießt, die Evolution könne nicht einfach auf eine alte Stufe zurückkehren, sondern die veränderten Merkmale blieben Bestandteile des Evolvierten.

Foto: © Bernd Kammermeier
Aufmerksam lauschten die Zuhörer dem Vortrag, Foto: © Bernd Kammermeier

Auf Basis dieser Definitionen breitete Schmidt-Salomon vor seinem Publikum die Entstehung des Universums als eine Abfolge vieler Evolutionen aus. Nachdem die langwierige biologische Evolution die Mehrzeller hervorgebracht habe, nahm der Prozess an Fahrt auf. So entstand schließlich aus einer affenartigen Spezies der Mensch, der ein Bewusstsein entwickelt und mit der kulturellen Evolution begonnen habe. Zunächst sei dieser Prozess schleppend vorangegangen. Erst die Erfindung von Medien (Schrift, Buchdruck, bis zum Internet), die Informationen auch außerhalb biologischer Systeme abspeichern könnten, hätte hier beschleunigende Wirkung gezeigt. Der resultierende Aufschwung habe dazu geführt, dass die Menschheit etwa ab dem Jahr 1800 zu einem geologischen Faktor geworden sei, weshalb manche Wissenschaftler inzwischen von einem neuen Erdzeitalter sprächen, dem Anthropozän. Der Philosoph: "Ich habe den Eindruck, dass ich mithilfe einer solchen universellen Evolutionstheorie die Geschichte unseres Universums nicht nur adäquat, sondern auch sehr elegant beschreiben kann."

Dies müsse nach seiner Einschätzung zur engeren Zusammenarbeit einzelner wissenschaftlicher Disziplinen führen, da alles in der allgemeinen Evolutionstheorie einen gemeinsamen Nenner finde. "Geistes- und Sozialwissenschaftler sollten hieraus den Schluss ziehen, dass sie sich unbedingt mit den Ergebnissen der naturwissenschaftlichen Forschung beschäftigen sollten. Eine Aussage, die bereits auf physikalischer, chemischer oder biologischer Ebene falsch ist, kann im kulturellen Rahmen nicht auf einmal richtig sein. Philosoph*innen, Psycholog*innen und Soziolog*innen, die naturwissenschaftliche Ergebnisse ignorieren, laufen dabei Gefahr, keine relevanten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu erzeugen, sondern bloß eleganten Unsinn." Da dies auch umgekehrt gelte, riet der Philosoph allen Wissenschaftsdisziplinen zur engen Zusammenarbeit. "Diese vereinheitlichte Betrachtungsweise, die uns eine universelle Evolutionstheorie ermöglicht, könnte ein gutes Rahmenkonzept sein für eine Einheit des Wissens, die der disziplinären Zersplitterung der Wissenschaften entgegenwirkt und den oftmals unproduktiven Streit zwischen den Vertreter*innen der unterschiedlichen Disziplinen überwindet."

Im zweiten, politischeren Teil seines Vortrages resümierte Schmidt-Salomon: "Mit einer relativen Sicherheit von 50,001 Prozent gehe ich daher davon aus, dass sich die internationalen Irrationalisten, die momentan noch sehr erfolgreich nationalen Chauvinismus mit reaktionären religiösen Dogmen verbinden, mit ihrer überkommenen Sicht der Welt nicht dauerhaft durchsetzen werden. Stattdessen werden unsere Artgenossen im Lichte der Evolution wohl zunehmend begreifen, dass Völker, Nationen, Religionen bloß vorübergehende soziale Konstrukte sind, die eine fundamentale Tatsache des Lebens allzu oft verdecken, nämlich, dass uns Menschen untereinander sehr viel mehr verbindet als trennt."

Dr. Michael Schmidt-Salomon, Foto: © Bernd Kammermeier
Philosoph Dr. Michael Schmidt-Salomon, Foto: © Bernd Kammermeier

Persönliches zum Schluss

Die Moderation aller Vorträge übernahm Eva Witten vom Düsseldorfer Aufklärungsdienst gekonnt und professionell. Sie und Ricarda Hinz wurden tatkräftig unterstützt durch viele ehrenamtliche Helfer und Helferinnen des DA! und anderer humanistischer Organisationen. Ich möchte sie hier nennen, weil dies so selten geschieht (alphabetisch sortiert): Juliana Bernholt, Gabi Bokeloh, Maria-Helene Kaspar-Daun, Achim Horn, Jürgen Jansen, Thomas Kucharski, Nergiz Morawa, Lea Nadic, Ralf Osenberg, Karin Peter, Karlo Schmid, Jochen Schreiber, Tim Selber, Lika Weingarten, Adelheid Maria Wich und last but not least Iris Witt. Nein, das ist keine Lobhudelei, sondern zeigt den Geist der Veranstaltung. Hier haben engagierte Menschen zusammen Großartiges auf die Beine gestellt. In nüchternem Journalistendeutsch würden diese Interna der Öffentlichkeit vorenthalten. Ich finde jedoch wichtig, dass Humanisten und Aufklärer als das wahrgenommen werden, was sie sind: Freundliche, einander zugewandte Menschen, die die Welt ein bisschen verbessern wollen. Ja, die Kirchen haben die Gemeindebildung als Plus auf ihrer Seite. Doch das haben wir auch – ohne dualistische Dogmen und vielleicht sogar eine Spur herzlicher in der "Big Family".

Ricarda Hinz, das immer freundliche Herz der Veranstaltung, soll das letzte Wort haben: "Es hat sich sehr gelohnt, einmal ausschließlich dem Thema 'Evolution' den roten Teppich auszurollen und damit zahlreichen Gästen sowie Schulklassen den größtmöglichen Überblick über die Erdgeschichte zu präsentieren. Denn nur wer den Überblick hat, kann die Dinge richtig einsortieren. Die Kinder und auch die erwachsenen Gäste waren spürbar von den Dimensionen der Tiefenzeit unseres Planeten beeindruckt. Uns ist gerade einmal seit sechzig Jahren das wahre Alter unseres Planeten von 4,6 Milliarden Jahren bekannt und täglich finden und fügen sich neue Fossilien zum Gesamtbild der Entwicklung des Lebens auf unserem Planeten hinzu. Das große Puzzle des Lebens, das die Wissenschaft seit gerade einmal 200 Jahren aus den Gesteins-Schichten herauszulesen versteht ist nichts weniger als unsere säkulare Schöpfungsgeschichte. Sie gehört nicht nur bereits in die Grundschule. Sie gehört in jeden nachdenklichen Kopf, denn sie wird die Basis zukünftigen menschlichen planetaren Bewusstseins sein. Die Dankbarkeit unserer Ausstellungsbesucher und die Begeisterungsfähigkeit der Grundschulkinder für diese Thematik war nur ein Vorgeschmack darauf."

Der Rote Teppich, Foto: © Bernd Kammermeier
Hier wurde der Evolution der Rote Teppich ausgerollt, Foto: © Bernd Kammermeier