Eindrucksvolle Ausstellung des DA! im Düsseldorfer Ballhaus

Ein roter Teppich für die Evolution

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Der Düsseldorfer Aufklärungsdienst (DA!) plant einen Evolutionsweg auch für seine Stadt. Vorab präsentierte er eine Indoor-Version im Ballhaus – auf einem 23 Meter langen Roten Teppich. Begleitet wurde die zehntägige Mammutveranstaltung von hochkarätigen Vorträgen und Führungen für Schulklassen. Ein Konzept, das aufging und Nachahmung verdient. Dieser Bericht zeigt auch die persönliche Sicht des Autors, der selbst Teil der Aktion war.

Der DA! ist eine der aktivsten Regionalgruppen der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), der sich unter Leitung von Ricarda Hinz für Aufklärung und Säkularisierung in Düsseldorf engagiert. Ein großes ehrenamtliches Team des Vereins hat nun ein weiteres ambitioniertes Projekt gestemmt: Zehn Tage Evolution in dem im Düsseldorfer Nordpark gelegenen Ballhaus – in Kooperation mit Evokids, dem Aquazoo Löbbecke Museum, dem Neanderthal-Museum, dem Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) NRW und KRASS e. V. Verglichen mit kirchlichen Großevents mag dies bescheiden gewirkt haben, da Kirchen über einen unglaublichen Reichtum verfügen. Doch bereits das Motto der Evokids-Tage "Nichts ergibt Sinn – außer im Licht der Evolution" verrät, dass der Gewinn für die Besucher hier unglaublich viel größer war als bei religiösen Shows, die letztlich nie klären können, ob einen Jesus wirklich liebt.

Entsprechend der Bedeutung des für die Evolution ausgerollten Roten Teppichs, fühlte ich mich geehrt, nach Düsseldorf eingeladen zu werden, um meine Originalgrafiken zum Evolutionsweg ausstellen zu dürfen. So hingen die Aquarelle unter den 19 "Evoweg"-Schildern, die mit ihren Texten den 4.600 Millionen Jahre langen Weg von der Entstehung der Erde bis zu uns modernen Menschen erklären. Rote Linien verbanden die Grafiken mit weißen Linien auf dem Teppich, die proportional zur Chronik der Evolution aufgeklebt waren. So wurde begehbar, welche langen Zeiträume vergingen, bis endlich aus Einzellern Mehrzeller und letztlich wir Menschen und alle anderen Tiere evolvierten. Die leuchtenden Augen der großen und kleinen Besucher im Ballhaus angesichts dieser beeindruckenden Installation entschädigten für die intensive Arbeit an den Bildern und dem Aufbau.

Freitag, 25. Oktober

Der Biologe Prof. Dr. Dittmar Graf, einer der Leiter des Evokids-Projekts, begrüßte die zahlreichen Gäste im Ballhaus und eröffnete die Evokids-Tage. Der Direktor des Aquazoo Löbbecke Museums, Dr. Jochen Reiter, überreichte dem DA! eine Urkunde, die ihn als Paten eines Fossils im Museum ausweist. Es ist ein Pterodactylus elegans, ein kleiner Flugsaurier aus dem Jura-Zeitalter. Über die humorvolle Comiclesung Ralf Königs am Abend des Eröffnungstags berichtete der hpd bereits.

Ralf König, Foto: © Bernd Kammermeier
Comiczeichner Ralf König, Foto: © Bernd Kammermeier

Samstag, 26. Oktober

Am nächsten Tag sprach der Ethnologe Prof. Dr. Christoph Antweiler über "Heimat Mensch – was uns alle verbindet", wobei er den Begriff "Heimat" metaphorisch verstanden wissen wollte. Eine seiner zentralen Fragen war: "Wie können eigentlich die vielen Kulturen, die auf diesem kleinen begrenzten Planeten leben und schon miteinander verwoben sind, eigentlich dauerhaft koexistieren, ohne alle gleich werden zu müssen?" Weiterhin fragte er das Publikum, was faktisch die Menschheit ausmache, einerseits im Sinne einer biologischen Einheit, andererseits als kulturelle Einheit, sodass dabei das Bewusstsein einer geeinten Menschheit herauskäme. Seine erste These lautete: "Menschen in verschiedenen Kulturen leben nicht in verschiedenen Welten, sondern sie leben verschieden in einer Welt." Er referierte zum Beleg dieser These über Universalien, über Elemente, die man in allen bekannten Gesellschaften finde. Ethnologen verglichen dazu nicht nur wenige Kulturen – nach dem Motto "The west and the rest" – sondern etwa 7.000. Inzestvermeidung, Ethnozentrismus oder männliche Dominanz im öffentlichen Raum seien solche weltweit auftretenden Gemeinsamkeiten. Gerade die Ethnologie helfe beim Verstehen dieser Universalien, auch wenn deren zentrale Zielsetzung eher die Suche nach Unterschieden einzelner Kulturen sei.

Für ihn selbst werde es spannend, wenn er auf Verhaltensweisen bei gegenseitig unbeeinflussten Kulturen stoße, die große Gemeinsamkeiten aufwiesen. Das hieße jedoch nicht, so Antweiler, dass er die Unterschiede der Kulturen negiere. Er stellte jedoch fest: "Faktisch sind die Unterschiede zwischen Kulturen meist geringer und die Grenzen weniger scharf, als es den Menschen erscheint, die ihnen angehören." Dies habe seine Ursache darin, dass sich Menschen beim Kontakt mit anderen Kulturen anhand weniger Merkmale als zugehörig zur eigenen Kultur definierten – oft durch religiöse Dogmen oder Nahrungsgewohnheiten. Die Komplexität einer Gesellschaft werde dabei ausgeblendet, so der Ethnologe weiter. Dadurch würde ein Mensch nicht mehr als Individuum wahrgenommen. "Er verschwindet unter dem Hut seiner Kultur. Stattdessen werden ihm andere Eigenschaften angedichtet, die er gar nicht hat."

So bildeten sich kulturelle Grenzen nicht durch territoriale Isolation, sondern sie entstünden gerade durch Beziehungen zwischen Gruppen, weil die Grenzziehung selbst ein politisches Instrument im Kampf um Geld und Aufmerksamkeit sei. "Ethnologen wissen dagegen, dass die tatsächlichen Unterschiede zwischen Personen innerhalb einer Kultur oft größer sind als der Abstand zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen." Der zentrale Punkt für die Unterschiede liege also entgegen populärer Vorstellung nicht in kulturellen Inhalten, sondern er sei die Abgrenzung: Wir und die anderen! Diese Identität werde von Identitätern manipulativ eingesetzt und damit zur Waffe im Konkurrenzkampf. "Menschen führen ihre Kultur ins Feld, anstatt mit Sachargumenten zu arbeiten. Ethnologen nennen das Kulturalisierung." Antweiler untermauerte mit vielen Beispielen, dass es jedoch mehr Gemeinsamkeiten zwischen Menschen gebe als Trennendes und dass dies eine Basis für ein friedliches Zusammenleben verschiedener Kulturen in einer Welt sein könnte.

Prof. Dr. Christoph Antweiler, Foto: © Bernd Kammermeier
Ethnologe Prof. Dr. Christoph Antweiler, Foto: © Bernd Kammermeier

Abends folgte der Primatologe Prof. Dr. Volker Sommer mit "Der kultivierte Schimpanse – zur Evolution des Wir-Gefühls". Er verblüffte die Zuhörer mit menschlich erscheinendem Verhalten von Affen, die scheinbar sinnlose, "kulturelle" Attitüden zeigten und dass sogar Schimpansen – so Sommers provokante Aussage – Kruzifixe mögen würden. "Für mich ist Kultur sozial weitergegebenes Verhalten. Das, was wir voneinander übernehmen." Körperliche Ähnlichkeiten zwischen Bonobos und anderen Affenarten würden heute problemlos auf die gemeinsame Stammesgeschichte zurückgeführt. Doch haben Gorillas auch einen freien Willen oder eine Seele, wenn man als Mensch solches zu besitzen glaubt? Diese Fragen führten zu Ängsten, "denn wenn uns die nichtmenschlichen Affen zu nahe kommen, dann denken wir: Ich bin ja doch nicht ganz so wie ein Orang-Utan, da muss es doch irgendwelche Unterschiede geben."

Das führte nach Sommers Meinung zur Sonderstellungsphilosophie, nach der es irgendwelche Merkmale gäbe, die uns ganz klar von anderen Tieren unterschieden. Er zählte eine Reihe von angenommenen Alleinstellungsmerkmalen des Menschen auf: opponierbare Daumen, Gehirnasymmetrie, Lächeln und die Fähigkeit zum Schwimmen oder zum Rhythmushalten (als Schlagzeuger). All das finde man jedoch auch bei Primaten. Und wie ist es mit Kannibalismus, Krieg oder Umweltzerstörung? Sind das negative Alleinstellungsmerkmale des Menschen? "Auch in diesen schlechten Dingen stehen wir nicht alleine", führte Sommer überzeugend aus. Die Grenzziehung zwischen Menschen und Tierreich sei also schwer zu halten. Der Grundansatz der Erforschung der Menschenaffen sei ein vergleichender. Das bedeute, Menschen würden zoomorphisiert und andere Tiere als Menschen würden anthropomorphisiert. "Aber selbstverständlich mit Augenmaß", präzisierte der Primatologe seinen Forschungsansatz. Sein Credo: "Je menschenähnlicher eine Tierform uns ist, umso berechtigter können wir davon ausgehen, dass sie wirklich menschenähnlich ist." Im weiteren Verlauf des sehr unterhaltsamen wie informativen Vortrags führte Sommer unzählige Beispiele an, wie ähnlich Affen uns Menschen sind – auch im Negativen.

Prof. Dr. Volker Sommer, Foto: © Bernd Kammermeier
Primatologe Prof. Dr. Volker Sommer, Foto: © Bernd Kammermeier

Sonntag, 27. Oktober

Den Sonntag eröffnete der Physiker Georg Henneges mit seinem spannenden Vortrag "Die Evolution der Elemente". Er spannte einen weiten Bogen über 13,8 Milliarden Jahre physikalischer Geschichte des Universums. Wie entstanden die ersten Atome, wie mutierten sie, wie konnten sie sich zu den Rohstoffen des Lebens entwickeln? Als roten Faden spann er die Frage nach der Herkunft des Goldes auf der Erde in das Referat. Henneges begann beim Urknall und leitete die Zuhörer Station für Station durch den bis heute andauernden, dynamischen Prozess der Entstehung und evolutionären Umwandlung der Elemente. In einem kleinen Atomphysik-Exkurs veranschaulichte der Physiker die unvorstellbaren Dimensionen im atomaren Bereich. Auch die mannigfachen Stern-Typen mit ihren unterschiedlichen Temperaturen, Größen und Lebensdauern erklärte er einleuchtend. Doch dies allein führe noch nicht zur Evolution aller Elemente. Vor allem entstand dabei kein Gold. Weiter führte der Physiker aus, dass sich die Seltenheit eines Elements aus der Zahl seiner Elementarteilchen ergebe und schlussfolgerte: "Jedes Milliardste Atom im Universum ist ein Goldatom."

Wegen der Neugierde des Menschen – wo kommen wir her, wo gehen wir hin? – seien im Laufe der vergangenen Jahrzehnte teure Instrumente im Weltall und unter der Erde errichtet worden, die die Big-Bang-Theorie zur Entstehung des Universums untermauerten. So könne heute dieser Prozess ab einer 10.000-stel Sekunde nach dem Urknall experimentell untersucht werden. Nun wüssten wir laut Hennekes, dass sich beim Big Bang die Temperatur eines Strahlungsballs durch dessen Ausdehnung so weit gesenkt habe, dass sich Materie daraus habe kondensieren können. Zunächst allerdings nur Wasserstoff, wenig später noch Deuterium und Helium. Auch in den sich physikalisch evolvierenden Sonnen entstünden keine schwereren Elemente als Eisen oder Nickel.

Das Gold jedoch könne selbst bei der Explosion eines Sterns – einer Supernova – nicht entstehen. Heute, so der Physiker, gehe man davon aus, dass nur Neutronensterne imstande wären, Gold zu produzieren. Diese würden ihre Elemente wieder an die Umgebung abgeben, sodass ein ewiger zyklischer Prozess im Universum stattfinde. "Es ist dieser Zyklus, dem wir es zu verdanken haben, dass auf der Erde die Elemente so sind wie sie sind, dass die Erde überhaupt entstehen konnte. Wir hätten keinen Sternenstaub, sondern nur Wasserstoff und Helium. Ohne die Sterne, die immer wieder schwerere Elemente generieren, gäbe es uns nicht und es hätte natürlich auch keine Evolution des Lebens beginnen können", schloss Henneges seinen Vortrag.

Georg Henneges, Foto: © Bernd Kammermeier
Georg Henneges, Foto: © Bernd Kammermeier

Am Abend dann traf Darwin Gott: "Die Evolution der Religiosität" war das Thema des Soziobiologen und Philosophen Prof. Dr. Eckart Voland. Archäologen gingen nach Meinung des Wissenschaftlers davon aus, dass es so etwas wie Transzendenzvorstellungen bereits vor 60.000 bis 70.000 Jahren gegeben haben könnte, als eine "symbolische Revolution" stattgefunden haben könnte. Welche Fragen will Voland klären? "Woher kommt die Gläubigkeit und hat dies etwas mit Evolution zu tun?" Er stellte klar, dass er bei seinen Ausführungen nur erklären, nicht aber rechtfertigen wolle.

Dann referierte er über Ursachen und Notwendigkeiten von Religiosität. Bis zum fünften Lebensjahr würden Kinder ihren Mitmenschen unterstellen, alles zu wissen. Danach entwickelten sie eine "Theory of Mind", die dazu führe, dass sie anderen Personen andere Bewusstseinszustände zuordnen könnten. Offenbar betreffe dies nicht die Idee von "höheren Wesen", die weiterhin aktiv bleibe. Sie würden auch teleologisch denken, wie "Es regnet, damit die Blumen was zum Trinken haben". Sie wiesen auch toten Individuen ein Bewusstsein zu, dächten also dualistisch und unterschieden zwischen Körper und Geist.

Nach einem längeren Exkurs über die evolutionären Vorteile des Dualismus, aus dem sich Religion entwickelte – Kinder, die Giftpflanzen als "böse" anerkennen, würden diese nicht essen; auch solche, die vor einem Rascheln im Wald flöhen, hätten bessere Überlebens- und Fortpflanzungschancen, als wenn man nachschaue, ob da nicht doch ein Löwe sei –, kam er zu seiner Schlussthese und erwartete dafür die Watschen von Atheisten, "weil ich behaupte, dass Aufklärung und Wissenschaft die Religiosität, weil sie eben naturgeschichtlich vorhanden ist, nicht verdrängen können."

Prof. Dr. Eckart Voland, Foto: © Bernd Kammermeier
Soziobiologe und Philosoph Prof. Dr. Eckart Voland, Foto: © Bernd Kammermeier

28. bis 31. Oktober – die Schulklassen kommen

Während dieser Evokids-Tage durfte ich zusammen mit Vanessa Rücker vom Gießener Institut für Biologiedidaktik und Olaf Zuber von der gbs-Regionalgruppe Freiburg 16 Düsseldorfer Schulklassen durch die Ausstellung begleiten. Die Vormittage von Montag bis Donnerstag waren für die Klassen 1 bis 10 reserviert, sodass auch die Jüngsten an das spannende Thema Evolution herangeführt werden konnten. Dabei durften wir den überwiegend sehr wissbegierigen Schülerinnen und Schülern die Faszination der Entwicklung des Lebens auf der Erde vermitteln, wobei manche unter ihnen ein erstaunliches Grundwissen vorzuweisen hatten. Nach meiner hier gewonnenen Erkenntnis muss Evolution unbedingt Teil des Unterrichts an allen Grundschulen werden. Auch Sechsjährige können die Zusammenhänge verstehen, wenn sie kindgerecht präsentiert werden. Der von Ricarda Hinz mit diesem Ansatz produzierte Evokids-Film "Big Family – Die phantastische Reise in die Vergangenheit" rundete die Führungen ab. Dieser Animationsfilm basiert auf dem gleichnamigen Buch von Dr. Michael Schmidt-Salomon und Anne-Barbara Kindler.