Der russische Informationskrieg in Deutschland

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Wladislaw Surkow, früher Kriegstreiber im Donbass und Propaganda-Architekt des russischen Präsidenten

Seit 2014 betreibt Russland eine hybride Kriegsführung in der Ukraine. Dabei verbreiten die Medien des Kremls ihre punktgenau produzierten Narrative auch in Deutschland. Ziele des russischen Präsidenten sind die Spaltung unserer Gesellschaft und Destabilisierung der bestehenden Demokratie.

Ausgangspunkt der Informationsangriffe ist unter anderem die vom Kreml im Jahr 2013 gegründete Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja ("Russland Heute"), die das internationale Newsportal Sputnik anbietet. Ebenfalls im Ausland aktiv ist der Staatssender RT (Russia Today), der von dem kremlnahen TV-Novosti betrieben wird. Am 1. März brachte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton ein europaweites Verbot der beiden Sender auf den Weg. Medienplattformen wie YouTube, Facebook und TikTok hatten da bereits begonnen, RT-Angebote zu sperren.

Dabei sind die Gründe, die für das Verbot sprechen, bereits seit 2016 bekannt. Sie finden sich unter anderem in einer Studie der Journalistin, Politologin und Historikerin Dr. Susanne Spahn: "Die Informationspolitik der russischen Führung ist Teil der hybriden Kriegsführung, die seit Anfang 2014 in der Ukraine-Krise zu beobachten ist." Spahn schreibt weiter, dass die RT-Chefredakteurin Margarita Simonyan den von ihr geleiteten Auslandssender RT selbst als (Zitat) "Verteidigungsministerium" des Kreml bezeichne, "als eine Waffe wie jede andere auch".

Von Beginn an stand Russlands Kriegstreiberei in der Ukraine direkt mit dem Gebrauch der Staatsmedien in Verbindung. Aufgebaut und orchestriert wurde beides von Wladislaw Surkow, der die führenden Medien Russlands unter staatliche Kontrolle stellte. Bis Februar 2020 war er persönlicher Berater des russischen Präsidenten für die besetzten Gebiete in Georgien und in der Ukraine. Spahn schreibt in ihrer Studie, Surkow habe maßgeblich die damalige Invasion Russlands in der Ostukraine organisiert und die militanten Separatisten telefonisch und persönlich kontrolliert, wie ein Foto von Surkow im Kreis der Donbass-Kämpfer (siehe Bild zu diesem Text) dokumentiere.

2016 hatte eine ukrainische Hackergruppe sich Zugang zu Surkows E-Mail-Konto verschafft. Diese "Surkow Leaks" wurden unter anderem von Datenforensikern der Denkfabrik Atlantic Council als glaubhaft eingestuft und von den Korrespondenz-Partnern Surkows als echt bestätigt. Laut Spahn zeigen die E-Mails auch "detailliert das Vorgehen zur Destabilisierung der Ukraine: Russische Mitarbeiter des Militärgeheimdienstes GRU und lokale pro-russische Akteure werden in Stellung gebracht. Mit dem Einsatz von Medien, Provokateuren, bezahlten Demonstranten und gewaltsamen Aktionen wurde so der gesamte Südosten der Ukraine destabilisiert."

Für den russischen Präsidenten geht es weltweit um Informationshoheit. Russische Medien wie RT und Sputnik produzieren dabei Narrative für drei deutsche Zielgruppen: Das sind die extrem Rechte, die extrem Linke und die russlanddeutsche Community. Im säkular-humanistischen Spektrum ist es der Deutsche Freidenker-Verband, der hierzulande den Informationskrieg für den russischen Präsidenten führt. Die extrem Linke wird über das Motiv des antifaschistischen Widerstands gegen die NATO mobilisiert. Gleichzeitig werden Narrative von unkontrollierter Zuwanderung für die extrem Rechte produziert. 2016 wurde die deutsch-russische Community mit der erfundenen Geschichte um das deutsch-russische Mädchen Lisa aufgewiegelt, die von Flüchtlingen vergewaltigt worden wäre. Weitere Narrative sind Impfgegnerschaft, EU-Austritt und Wahlmanipulation. Darstellungen im Sinne des russischen Präsidenten forcieren Ängste und Gerüchte. Sie spalten die Gesellschaft und lassen den Wunsch nach der Durchsetzungskraft eines vermeintlich starken Mannes keimen. All das ist gegen Meinungen gerichtet, die in ihrer Bildung auf Quellenanalyse und differenzierte Sprache vertrauen, um Autokraten und deren Bestrebungen nachvollziehbar entlarven zu können.

Der Informationskrieg Russlands ist in Deutschland kein Geheimnis. Doch viel zu lange wurde er von Politikerinnen und Politikern, aber auch von der Presse nicht kritisch genug bedacht. Darauf wies am vergangenen Sonntag bei "Anne Will" noch einmal der Historiker und Osteuropa-Experte Karl Schlögel hin: "Es gibt einen unglaublichen Putin-Kitsch […] und ich bin froh, dass dieser Nebel nun weg ist."

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