"Mit wenigen Handgriffen"

RT verbreitet trotz Webseiten-Sperrung weiter pro-russische Propaganda

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RT-Studios in Moskau
RT-Studios in Moskau

Der russische Sender RT nutzt unter anderem Spiegelseiten, um EU-Sanktionen zu umgehen und weiter Falschmeldungen zu streuen. Nach Recherchen von Correctiv ist es den zuständigen Stellen in Deutschland bis heute nicht gelungen, sie abzuschalten. Wie sinnvoll sind technische Sperrungen, um Desinformation in den Griff zu bekommen?

Eine Recherche der Faktencheck-Redaktion des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv zeigt, dass Deutschland die Umsetzung der Webseiten-Sperrungen des russischen Senders RT (früher bekannt als Russia Today) nicht gelingt. Am Beispiel des deutschen Ablegers von RT wird deutlich: Sechs Monate nach den Sanktionen nutzt RT DE einfache digitale Schlupflöcher, um prorussische Inhalte erfolgreich an ein deutsches Publikum zu bringen. "RT DE wäre nicht RT DE, wenn wir keine Lösungen hätten!", erklärt der Sender selbstbewusst auf seiner Webseite. Zu den verbreiteten Inhalten zählen immer wieder Falschmeldungen und abwertende Narrative über ukrainische Geflüchtete.

Wenige Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine veranlasste die EU-Kommission die Sperrung von RT und Sputnik. Drei weitere russische Sender folgten im Juni. Der Grund: Russland verbreitet über die Medien Propaganda, um seinen Krieg zu rechtfertigen. Die Sanktionen verbieten das Verbreiten von Inhalten der sanktionierten Medien im Rundfunk und im Internet; zuständig für die Umsetzung sind die einzelnen EU-Staaten. In Deutschland bedeutet das: Internetanbieter sperren Inhalte auf Empfehlung der Bundesnetzagentur.

Fokus der Verbreitung liegt offenbar auf Deutschland

Wie die Recherche von Correctiv.Faktencheck zeigt, sind die technischen Sperrungen leicht zu umgehen. RT DE setzt zum Beispiel auf sogenannte Spiegelseiten, identische Versionen der RT-Webseite. Seit Mai gibt es dutzende davon. Offenbar liegt dabei der Fokus auf dem deutschen Publikum: Allein neun deutschsprachige Domains ließen sich auffinden – mehrere sind bis heute problemlos aus Deutschland aufrufbar. Sie fielen im Monitoring der Bundesnetzagentur offenbar durch.

Auf Anfrage gibt die Bundesnetzagentur zu, RTs Aktivitäten nur lückenhaft zu überwachen – durch "Sichtung in unregelmäßigen Abständen". Die Bundesnetzagentur betont außerdem, für die Umsetzung der Sperre nicht zuständig zu sein. Am Ende liegt es allein bei den Internetanbietern, sie durchzusetzen. Diese arbeiten jedoch fast ausschließlich auf Basis einer von der Bundesnetzagentur gelieferten Liste mit Webseiten, die für die Sperrung freigegeben sind.

Die Bundesregierung meint, damit wenig zu tun zu haben: Sie verweist auf die Staatsanwaltschaften; diese seien zuständig für die Verfolgung von Sanktionsverstößen.

Die Ergebnisse der Recherche werfen die Frage auf, wie sinnvoll technische Sperrungen sind, um das Problem der Desinformation in den Griff zu bekommen. "Es ist nie eine gute Idee, gesellschaftliche Probleme mit technischen Mitteln lösen zu wollen", findet IT-Experte Jochim Selzer. Der Medienrechtler Hermann Lindhorst meint ebenfalls: "Aus meiner Sicht sind diese Dinge gesellschaftlich zu lösen, und nicht über repressive Internetsperren, deren Umgehung ohnehin nicht schwer ist."

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