Der Schahbesuch 1967

Eine Schande für die Demokratie

Der Historiker Eckard Michels schildert in "Schahbesuch 1967. Fanal für die Studentenbewegung" die angesprochenen Ereignisse auch vor ihrem internationalen Hintergrund. Dabei orientiert sich der Autor stark an den Quellen, bleibt mit Urteilen zurückhaltend, wenn sie kommen, dann aber in differenzierter Form ohne einseitige Deutungen, was in der Gesamtschau für die Qualität des Werkes steht.

Der 2. Juni 1967 war ein bedeutsamer Tag in der Geschichte der "alten" Bundesrepublik Deutschland: Anlässlich des Besuchs von Schah Reza Pahlavi, dem Diktator aus dem Iran, kam es nicht nur in Berlin zu Protesten. Dabei wurde der Student Benno Ohnesorg von einem Polizeibeamten erschossen. Dies führte zu einer Eskalation der innenpolitischen Stimmung und zu einem politischen Wendepunkt. Denn die aufkommende Protestbewegung, die später als die "Achtundsechziger" bezeichnet wurde, erhielt nach diesem Ereignis einen enormen Schub.

Während über die darauf folgende Entwicklung eine Fülle von ganz unterschiedlicher Literatur vorliegt, fehlte bislang eine Darstellung zu den Ereignissen im Vorfeld wie eben dem 2. Juni. Diese Lücke schließt der Historiker Eckard Michels, der am Birbeck College der University of London deutsche Geschichte lehrt, mit seinem Buch "Schahbesuch. Fanal für die Studentenbewegung". Es will die Vorgeschichte, den Verlauf und die Folgen dieses politischen Tages mit einem geweiteten historischen Blickwinkel behandeln.

Dies macht bereits das erste Kapitel zum Iran und den deutsch-persischen Beziehungen deutlich, wobei der außenpolitische Hintergrund des Themas im Zentrum steht.

Der Autor erinnert an den Sturz des demokratischen gewählten Ministerpräsidenten Mohammed Mossadegh mit westlicher Hilfe. Er berichtet auch über eine Folter-Diktatur, deren Menschenrechtsverletzungen weder in Deutschland noch den USA auf sonderliches Interesse stießen. Danach geht es um die Vorbereitungen für den Staatsbesuch, einerseits bezogen auf die Programmplanungen des Staates, andererseits hinsichtlich des Engagements der Protestbewegung. Die deutschen Studenten mussten indessen erst über die Entwicklung dort durch iranische Auslandsstudenten informiert werden.

Dem Buch "Persien. Modell eines Entwicklungslandes" des auch heute noch als Experten bekannten Iran-Experten Bahman Nirumand kam dabei herausragende Bedeutung zu. Der Autor verschweigt in diesem Kontext auch nicht die Kooperation staatlicher Stellen mit dem Folter-Geheimdienst SAVAK.

Erst im dritten Teil geht es direkt um den Schahbesuch, der mehrere Tage dauerte und in der Tötung von Ohnesong mündete. Der Autor behandelt dabei auch ausführlich die Tatsache, dass der verantwortliche Polizeibeamte Kuras ein Agent der Stasi war. Für ihn gibt es aber keine Belege dafür, dass hier im Auftrag des DDR-Geheimdienstes geschossen wurde. Auch einfache Überlegungen zur Interesselagen würden dagegen sprechen. Und dann geht es im vierten Teil um die Interpretation der Ereignisse durch die damaligen politischen Akteure. Die Mobilisierung und Radikalisierung der Studierenden und deren Grenzen wird dabei ebenso intensiv erörtert wie die Rolle der DDR bei den Ereignissen.

Michels berichtet etwa von geheimen Kontakten zwischen FDJ und SDS, woraus sich aber keine Kooperation ergab. Im Schlusswort macht der Autor noch einmal deutlich, dass die beschriebenen Ereignisse nur im Kontext der Dynamik der Entwicklungen während des Besuchs und auch im Zusammenhang der diplomatischen und internationalen Dimension verstanden werden könnten.

Michels ist Historiker und dies merkt man der beschreibenden Dimension seines Buchs an. Gleichwohl berücksichtigt er auch den politischen Hintergrund der seinerzeitigen Ereignisse und nimmt differenzierte und genaue Bewertungen vor. Er kritisiert dadurch liebegewonnene Deutungen, die von den unterschiedlichen politischen Akteursgruppen seit den Ereignissen immer wieder in Umlauf gebracht wurden. Gerade diese Denkperspektive steht für die Qualität des Werkes. Es entzieht sich den polarisierten Deutungsmustern zugunsten des Blickes auf die historischen Quellen.

Bei den Ausführungen zu den Folgen hätte man sich noch mehr Einschätzungen zum späteren Linksterrorismus gewünscht. Aber das ist nur eine marginale Kritik. Gleiches gilt für folgende Bewertung des Gesamtvorgangs: Denn hier wurde ein Diktatur von einer demokratischen Regierung eingeladen, ohne dass diese eine Distanz zu erkennen gab. Dagegen protestierende Bürger, denn die Studierenden waren dies, wurden durch "Jubelperser" niedergeknüppelt. Das war eine Schande für die Demokratie.

Eckard Michels, Schahbesuch 1967. Fanal für die Studentenbewegung, Berlin 2017 (Ch. Links-Verlag), 355 S.,ISBN: 978-3-86153-943-8, 25 Euro