Immer enger werdende Jäger-Beute-Beziehung wird erforscht

Die Schliche der Fledermäuse

mopsfledermaus_-_copyright_simon_ghanem_-_max_planck_institut_fur_ornithologie.jpeg

Mopsfledermaus
Mopsfledermaus

Auch Mopsfledermäuse schleichen sich an ihre Beute heran, nicht anders als Löwen oder Hauskatzen. Das müssen sie, denn ihre Beute, eine Nachtfalterart, die Hausmutter, kann hören. Die Fähigkeit hat sie eigens entwickelt, um ihren Fressfeinden zu entkommen. Diesem evolutionären Wettrüsten einer Jäger-Beute-Beziehung ging man im Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen nach.

War es bei anderen Insekten meist die Liebe, die sie dazu brachte, Hörorgane zu entwickeln, war es den Nachtfaltern möglich, so den Fledermäusen zu entkommen, wenn diese mit Echolot unterwegs waren, um sich allabendlich ihr Nachtmahl zu verschaffen.

Insekten sitzen zwar nicht gerade auf ihren Ohren, aber rechts und links am Kopf tragen sie sie in der Regel nicht. Auch die Rumpfseite wie bei einigen Raupen, die Basis der Vorderbeine wie bei den Grillen, der Thorax wie bei manchen Nachtfaltern oder das Abdominalsegment wie bei Motten kommen vor. Drei Typen von Hörorganen entstanden: Gehörhaare, so bei den Termiten, aber auch Schwalbenschwanz und Apollofalter und das Johnstonsche Organ in den Antennen der Fühler. Stechmücken hören so die Fluglaute der weiblichen Tiere. Sie ertasten über den Grad der Antennenkrümmung aber auch den Raum. Allein dem Hören dienende Tympanalorgane mit einem Trommelfell und einem Schallresonanzraum bildeten sich im Laufe der Evolution an verschiedenen Körperteilen der Kerbtiere.

Die Ohren einiger Nachtfalter, die selbst keine Töne von sich geben, sind im Frequenzbereich genau auf die Echolaute der Fledermäuse abgestimmt. Hier setzt die Arbeit von Daniel Lewanzik und Holger Goerlitz an.

Schon bald stellten sie fest, dass Mopsfledermäuse zehnmal leiser rufen als andere Fledermäuse, und das auch im offenen Luftraum, wo anders als etwa im Wald keine Störechos durch die Vegetation der Umgebung auftreten können.

Nun befestigten die Biologen mit einem Mikrophon versehene Nachtfalter der Spezies Hausmutter (Noctua pronuba), die zur Familie der Eulenfalter gehört, an Angelruten. Dann positionierten sie noch vier weitere Mikrophone, um die dreidimensionale Anflugbahn der Fledermäuse zu rekonstruieren. Gewöhnlich entdeckten die Fledermäuse die Falter aus einer Distanz von 1,6 Metern. Darauf reduzierten sie ihre Echolotlautstärke jeweils um 4 Dezibel, also 40 Prozent mit jeder Halbierung der Strecke zum Nachtfalter. In der Endphase, wenn die Distanz weniger als einen Meter betrug, reduzierten sie die Dezibel noch einmal um 6 Dezibel oder 50 Prozent pro Halbierung der Strecke, denn sonst würde sich die Lautstärke mit jeder Distanzhalbierung verdoppeln, und die Falter könnten in einem Ausbruchsmanöver die Richtung ändern oder sich einfach fallen lassen.

Hausmutter-Falter mit Mikrophon an der Angel - Lewanzik and Goerlitz, Max Planck Institute for Ornithology
Hausmutter-Falter mit Mikrophon an der Angel – Lewanzik and Goerlitz, Max Planck Institute for Ornithology

Auf diese Weise aber hört sich das Echolot für sie immer mehr oder weniger gleich an. "Die Mopsfledermäuse ziehen sich durch Anpassung eine akustische Tarnkappe auf und sind so erfolgreiche Jäger", so Holger Görlitz.

Die Entwicklung der Falterohren geriet den Mopsfledermäusen sogar zum Wettbewerbsvorteil. Sie mussten sich diese Beute kaum noch mit anderen Fledermäusen teilen. Gerade ihr akustisches Warnsystem machte Noctua pronuba zum um so sichereren Opfer ihres Beutefeindes, der Mopsfledermaus.

Ich wollte von Holger Goerlitz wissen: "Bei Ihren Untersuchungen frage ich mich, ob die Mopsfledermäuse das 'Anschleichen' an die Nachtfalter über die Gene automatisch können oder ob dies zum erlernten Verhalten gehört. Kann man drüber etwas sagen?"

Holger Goerlitz antwortete darauf dem hpd:

"Da ich dieses Verhalten (…) für angeboren halte, liegt es ihnen tatsächlich in den Genen. Je nach Formulierung halte ich eine Aussage, dass sie 'dieses Verhalten durch die Gene automatisch können', aber für problematisch, da diese extrem verkürzte Aussage missverstanden werden kann, (…) dass es ein einzelnes Gen gibt, welches dieses Verhalten kontrolliert. Dies ist mit Sicherheit nicht der Fall. Aber da es einen evolutiven Hintergrund hat, wird es über viele, viele Wechselwirkungen irgendwie genetisch gesteuert – ebenso wie bei uns Menschen: Manche reden lauter, andere leiser; auch dies ist angeboren, genetisch; ebenso dass wir alle unwillkürlich und unbemerkt in lauter Umgebung (Kneipe) lauter reden.

Letztens: die Reduzierung der Ruflautstärke beim Beuteanflug finden wir nicht nur in der Mopsfledermaus, sondern in allen anderen (untersuchten...) Fledermäusen ebenso (ist also mit hoher Sicherheit ebenso angeboren). (…) Aber da die Mopsfledermaus bereits mit vergleichsweise geringen Ruflautstärken beginnt, kann sie näher an einen Falter anfliegen, ohne bemerkt zu werden, als das andere Fledermäuse können. Und noch eins. Auch die Mopsfledermaus ruft noch laut: Ihre Lautstärke von über 100 dB SPL ist so laut wie eine Kettensäge! Wir können das nur nicht hören, da es im Ultraschallbereich ist. Die anderen wirklich lauten Fledermäuse sind noch lauter, im Bereich eines Presslufthammers und an unserer Schallschmerzgrenze."

Gut, dass wir das nicht hören.