Wegen Kritik am Zölibat: Weihbischof Schwaderlapp fühlt sich diffamiert

I fly fleischfrei

bischoefe.jpg

Bischof Schwaderlapp ist ein bisschen empört. Überall ist zu hören, der Zölibat solle auf den Prüfstand, er sei nicht mehr zeitgemäß. Dass das den Bischof hart trifft, ist verständlich, lebt er doch sein Leben in der Vorstellung, es gebe da einen lieben Gott, und diesem lieben Gott sei es irgendwie von Nutzen, wenn der Weihbischof sein Geschlechtsteil für sich behält.

Der Weihbischof setzt sich also hin, schreibt eine Antwort in der "Tagespost". Und stellt noch einmal dar, warum sein Geschlechtsteil und die tausenden Geschlechtsteile seiner Berufsgenossen eben nicht ihrer natürlichen Bestimmung gemäß genutzt werden sollen.

Die Forderung nach Abschaffung des Zölibats, sagt Schwaderlapp, sei nicht neu. Sondern "geradezu konservativ". Obacht, denkender Geist! Mit äußerstem Hormondruck im Hirn vielleicht nicht so leicht zu verstehen, aber das Gegenteil von "konservativ" wäre ja eher "progressiv", und das von "neu" wäre "alt". Dass diese Begriffspaare aber nicht synonym zu verwenden sind, bedarf wohl kaum einer Aufklärung. Hier ist der Weihbischof trotz seiner Nähe zu Gott wohl der Versuchung erlegen, der Gegenseite einen kleinen und doch auch etwas unbedarften Stich zu versetzen, "selber konservativ!" ruft er seinen Gegnern in der Auseinandersetzung zu, so wie Kindergartenkinder sagen würden: "selber doof", auch wenn er wohl ahnt, dass das Unsinn ist.

Doch während ihn diese Nickligkeit ein wenig menschlicher macht, menschlicher jedenfalls als der Popanz seines Berufs, gibt sie auch Einblicke in theologisches Denken: Eher als dass man den sauren Apfel der Realität hinnimmt, erfreut man sich an den ausgedachten Birnen, die einem die Religion vorhält (und die sich meist sexlose, ungeliebte Kirchenvertreter in einer stillen Stunde ausgedacht haben). Der Umgang mit Argumenten ähnelt für Kirchenpriester ihrem Umgang mit Frauen: Vor der Dame Wirklichkeit mit all ihrer unmittelbaren Wucht und ihren Verlockungen flüchtet man in eine wolkige Nebenwelt, in der sich nach Bedarf alles mit allem verknüpfen lässt, und so kann man mit Gottes Hilfe eben auch Kritiker des Zölibats als konservativ einstufen.

Verblüffend ist dann Schwaderlapps nächstes Argument, in dem er durchblicken lässt, wie wenig er das grundsätzliche Problem des Zölibats überhaupt zur Kenntnis nehmen und zur Diskussion stellen möchte. Stattdessen bezieht er die gesamte Debatte auf sich persönlich. Er fragt: "Warum wird meine zölibatäre Lebensweise immer wieder von Menschen so heftig kritisiert, die sie gar nicht leben müssen? Ich habe mich doch dafür entschieden, nicht sie! Zur Wehr setze ich mich dann, wenn vom 'Zwangszölibat' die Rede ist. Ich empfinde das als diffamierend. Als freier Mensch habe ich mich für diese Lebensweise entschieden, niemand hat mich dazu gezwungen."

Hier gleitet er auf eine fast schon kindliche Weise vom Inhalt der Kritik ab, indem er sie, die politisch ist, auf eine persönliche Ebene verschiebt, mit einem dünnhäutigen Narzissmus, der einem Vertreter des biblischen Tyrannen-Gottes wohl anstehen mag, den Blick auf die Sache allerdings zu verstellen scheint: Nicht er, der Herr Schwaderlapp, wird ja dafür kritisiert, dass er seinen Sex seinem lieben Gott darbringt. Mit dem eigenen Geschlechtsteil und -trieb kann ja jede und jeder machen, was er oder sie möchte – solange es einvernehmlich geschieht. Niemand kritisiert Herrn Schwaderlapps Sexualität oder Nichtsexualität. Sondern es geht um grundsätzliche Fragen: inwieweit es zum Beispiel auch verfassungsgemäß ist, den Verzicht auf Sex zur Voraussetzung einer Berufszulassung zu machen.

An dieser Stelle ist Schwaderlapp aber schon wieder in seine theologische Parallelwelt abgerutscht und versucht den nächsten rhetorischen Taschenspielertrick: Man kritisiere, sagt er, seine "Lebensweise" und stilisiert sich auf diese Weise fast schon zum verfolgten Mitglied einer sexuellen Minderheit. Daher hier noch einmal ganz klar, lieber Herr Schwaderlapp: Sie können so viel auf Sex verzichten, wie sie wollen! Niemand wird Sie deswegen ausstoßen, steinigen, verurteilen, verbrennen! Nur ist "Lebensweise", eh schon schwammig, ein bewusst irreführender Begriff: Nicht um eine Lebensweise geht es, sondern es geht um Berufsvorschriften Ihrer Kaste, und nach denen ist es Ihren Kollegen verboten, Sexualität mit anderen Menschen zu erleben – arbeitsrechtlich ein höchst bedenklicher Zwang, der den Priestern das Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung verweigert.

Der Zölibat aber, der in Herrn Schwaderlapps Text blumig verteidigt wird, dient den Zauberkünstlern in Kutten, betrachtet man ihn als strukturelles Phänomen dieser Kirche, gleich doppelt als Mittel der Abgrenzung: Einerseits erheben sie sich über den Rest der Menschheit, indem sie sich selbst zu fleischlosen, halbgöttlichen Wesen emporzujazzen versuchen, was dann durch lateinisches Gebrummel noch unterstützt wird. Zweitens aber ist der Zölibat ein weiteres deutliches Signal an alle Frauen der Welt: Ihr habt in dieser Kirche aber auch gar nichts zu suchen. Nicht nur dürft ihr keine Priesterinnen werden. Sondern die Priester wenden sich auch noch bewusst von euch ab. Ihr steht zwischen ihnen und ihrem Gott. So wie damals, im Paradies, grrr. In unserem Männerklub seid ihr das Unerwünschteste auf Erden.

Diese deutlich erkennbare strukturelle Hauptaussage der Kirche ist einer der Gründe, warum man vielleicht nicht nur den Zölibat abschaffen sollte, sondern den gesamten Karnevalsverein hinterfragen, der, und das als Letztes, eben nicht aus "freien Menschen" besteht, sondern, seiner Logik nach, aus Menschen, die, meist von klein auf, mit den oft bizarren, weltfremden, antidemokratischen, frauenfeindlichen Glaubensinhalten und Implikationen eines antiken Kults indoktriniert worden sind.