Ein Länderportrait

Schweden – vom idealen Volksheim zum neoliberalen Staat

BONN. (hpd) Der Journalist Rasso Knoller, der lange Jahre in skandinavischen Ländern lebte, bringt in "Schweden. Ein Länderporträt" eine lockere Beschreibung der Entwicklung in dem Land – vom Alltagsleben über Gesellschaft und Politik bis zur Wirtschaft. Mit lockerer Schreibe informiert der Autor über die Besonderheiten und Entwicklungen in dem skandinavischen Land, zwar nicht tiefschürfend – was nicht die Absicht war – aber auch nicht unkritisch.

In keinem anderen Land der Erde war bis Mitte der 1980er Jahre der Grad der sozialen Ungleichheit bei gleichzeitig hohem Lebensstandard so gering wie in Schweden. Danach setzte ein rasanter Anstieg ein, öffnete sich doch die Schere zwischen Arm und Reich seitdem fast so stark wie im gleichen Zeitraum in den USA. Dies ist nur eine von vielen bemerkenswerten Beobachtungen, die man machen kann, wenn der Blick auf das Land im Norden fällt.

In Deutschland gibt es zwar nicht wenige Schweden-Liebhaber. Gleichwohl werden die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in dem skandinavischen Land nicht so häufig zur Kenntnis genommen. Dies lohnt sich nicht nur wegen ABBA oder Ikea, Astrid Lindgren oder Henning Mankell. Deutlich macht dies Rasso Knoller in seinem schlicht "Schweden. Ein Länderporträt" betitelten Buch aus der Reihe des Ch. Links-Verlag. Der Journalist lebte und arbeitete in Finnland, Norwegen und Schweden und veröffentlichte nach Büchern über die erstgenannten beiden Länder auch eines über Schweden.

Es handelt sich dabei nicht um eine Gesamtdarstellung im steifen Ton und auch nicht um einen ausführlichen Touristenführer. Gleichwohl kann man den Besucher des Landes, wie den Interessierten an Schweden das locker geschriebene Buch nur empfehlen. Denn der Autor macht auf die Besonderheiten in Gesellschaft, Kultur, Politik und Wirtschaft mit leichter Feder und gelegentlicher Polemik aufmerksam. Auch mit Bewertungen verschont er seine Leser nicht, was aber auch gut so ist. Gleich zu Beginn heißt es zutreffend: "Das Vorzeigeland Schweden ist ein Land voller Gegensätze …" (S. 10) – und genau dies wird anhand der verschiedensten Beispiele verdeutlicht. Durch das Buch zieht sich aber auch die Klage über grundsätzliche Veränderungen. Dazu heißt es bereits am Anfang: "Aus dem 'Volksheim', in dem jeder für jeden einstand, entwickelte sich ein neoliberaler Staat, in dem die Ellenbogen ausgefahren werden" (S. 12). Knoller liefert kein komplexes Erklärungsmodell dafür, das ist aber auch nicht seine Aufgabe als Autor des Länderporträts.

Er bringt statt dessen Basisinformationen allgemeiner Art, schweift aber dann auch mal gern in Details ab, ohne sich inhaltlich zu verlieren. Auf wenigen Seiten beschreibt Knoller zu Beginn das politische System Schwedens und die dortigen Parteien. Die rechtspopulistischen "Schwedendemokraten" gelten dabei als "Schwiegermutterlieblinge mit 'Ausländer raus'-Politik" (S. 28). Danach streift er die inner-nordeuropäische Kooperation und den Umgang mit Minderheiten von Migranten über Roma bis zu den Sami.

Alltagsfragen vom Duzen über das Flirten werden ebenso thematisiert wie die Kaffeepause und das Jedermannsrecht. Auch dem Fußballer Zlatan Ibrahimovic ist ein Unterkapitel gewidmet. Für Knoller steht er exemplarisch für die Abkehr vom Gebot der Bescheidenheit und der Zurückhaltung. Die Geschichte Schwedens wird von ihm auf zwanzig Seiten gekonnt zugespitzt referiert, wobei  für ausführlichere Anmerkungen zu König Gustaf Adolf ebenso wie zum Ministerpräsidenten Olof Palme noch genügend Platz bleibt.

Besonders interessant sind die Ausführungen zum Bild vom Staat, heißt es doch: "Weil der Staat in den Augen seiner Bürger immer und überall nur Gutes will, wird staatliche Überwachung und Kontrolle eher als Serviceleistung denn als Bedrohung empfunden" (S. 107). Zwar bestehe noch das Vertrauen der Bürger in den Staat, aber nicht mehr unbedingt das Vertrauen des Staates in die Bürger, was diverse Überwachungsmöglichkeiten im Lichte von NSA-Affäre und Terrorismusbedrohung zeigten.

Ebenfalls große Aufmerksamkeit finden die Ausführungen zur Rolle der Frau, gilt das Land doch hier als eines der fortschrittlichsten der Welt. Die Entwicklung der Wirtschaft kommt leider nur auf knapp zehn Seiten vor. Gleiches gilt für die Flüchtlings- und Migrationspolitik. Und ganz zum Schluss geht es noch um das typisch Schwedische, wo dann Pipi Langstrump ein eigenes Unterkapitel bekommt. Hier fügt Knoller unterschiedliche Ausführungen etwas wahllos zusammen. Gleichwohl mindert dies nicht den Wert des lehrreich geschriebenen und locker lesbaren Buches.

Rasso Knoller, Schweden. Ein Länderporträt, Berlin 2016 (Ch. Links-Verlag), 205 S., ISBN: 978-3-86153-880-6, 18,00 Euro