Zeitschrift

Skeptiker 1/2017 erschienen

Das aktuelle Heft des "Skeptiker", der Vierteljahresschrift der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), ist erschienen. Im aktuellen Heft wird unter anderem gefragt, was Verschwörungstheoretiker antreibt; berichtet, welchen Unfug ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts verursacht hat und ein Interview mit James Randi geführt.

Marius Raab fragt in einem neunseitigen Artikel, was Verschwörungstheoretiker antreibt. In dem sehr ausführlichen und gut recherchierten Text fragt er zuerst, was Verschwörungstheorien sind und wie es dazu kommt, dass sie derzeit allgegenwärtig zu sein scheinen: Als postfaktische oder "alternative Fakten" haben sie sogar die Politik längst erreicht.

Die Leugnung einer menschengemachten Klimaveränderung, ein Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus und die Behauptung, dass der Großteil der Medien von einflussreichen Menschen im Verborgenen gesteuert wird – all das waren Ansichten, die im US-Wahlkamp 2016 von prominenten Akteuren vertreten wurden. Die Außenseitermeinungen sind Mainstream geworden. (S. 5)

Wie soll man als kritisch denkender Mensch damit umgehen? Wie als Skeptiker gegen die Meinungen der "Aluhutträger" vorgehen?

Der Autor geht von der Prämisse aus, dass die Menschen von der Komplexität der Welt überfordert sind. Daher greifen sie zu vermeintlich "einfachen" Erklärungen für komplexe Phänomene, denn "jede dieser Post-Diagnose ist eine Vereinfachung. … Verliert die aufgeklärte, offene Gesellschaft ihren Stellenwert? … Wenn Demokratie und Fakten gestern waren, wie wird das Morgen aussehen? Verschwörungstheorien entstehen in diesem ungewissen Klima."

Tatsächlich ist daran auch das (nicht aus der Luft gegriffene) Gefühl beteiligt, dass Staaten und deren Institutionen alles über jeden wissen könnten. (Stichwort: NSA) Es stellt sich tatsächlich die Frage, ob eine Regierung, die heute "zum Schutz vor Terror" überwacht, nicht morgen die Daten gegen die Menschen verwendet. Demokratie ist nicht gefeit davor, dass Großunternehmen wie Facebook oder Google Daten sammeln, um diese als Machtinstrument zu verwenden. "Reine Panikmache? Das Center for Long-Term der Universität Berkley hat 2016 in mehreren Szenarien mögliche zukünftige Gesellschaften beschrieben – davon abhängig, wie sich die Digitalisierung weiterentwickelt." Die Ergebnisse der Untersuchung machten nicht gerade optimistisch.

Trotzdem (oder vielleicht auch umso deutlicher) fordert Raab, dass die Diskussion über Verschwörungstheorien notwendig ist. Denn sonst besteht die Gefahr, "mit Zugeständnissen an verschwörungstheoretische Positionen" nicht mehr unterscheiden zu können zwischen wahr und falsch. Das ist – wie der Autor anhand eigener Forschung nachweist – sehr schwierig, da Menschen (und deren Meinungen) relativ leicht manipulierbar sind. Dabei stellte sich heraus, dass Menschen, die von der Gesellschaft entfremdet sind, eher zu Verschwörungstheorien neigen. Dieses Gefühl der Entfremdung sieht der Psychologe Kenneth Gergen als die große Gefahr des Zeitalters angesehen: "Der Einzelne ist ständig unter Druck, sich als Individuum definieren zu müssen, und läuft damit immer Gefahr, zu vereinsamen und Entfremdung von der Welt zu erfahren."

Und so kann die Entfremdung dazu führen, dass einfache Antworten als wahr anerkannt werden (mit allen innewohnenden Widersprüchen): "Gefühlte Wahrheiten, die mir den Glauben an die eigene Handlungsfreiheit wiedergeben sind besser als echte Wahrheiten, die mich hilflos lassen."

Sceptizimus, Wahrsagercheck und PSI-Tests in Tschechien

Von 1793 bis 1812 wurde das "Journal der Erfindungen, Theorien und Widersprüche in der Natur- und Arzneiwissenschaft" veröffentlicht. Alexander Kendl hat sich diese frühen skeptischen Veröffentlichungen angesehen und dabei Erstaunliches gefunden: Frühe Kritik an Hahnemann Homöopathie sowie Impfgegner, die schon damals gegen alle Erfolge der Pockenimpfung nachsagte, mehr zu schaden als zu nutzen.

Im Wahrsagercheck zeigt sich (wie in allen Jahren), dass die Voraussagen der Hellseher, Wahrsager und Astrologen nicht eingetreten sind. Sondern den Verkündern nur zu dickeren Brieftaschen und Bankkonten verhalfen.

Die tschechische Skeptikerorganisation Sisyfos’ hat (inzwischen) 1 Mio Tschechische Kronen (rund 37.000 Euro) für denjenigen ausgelobt, der den Nachweis erbringt, paranormale Fähigkeiten zu haben. Einige der vergangenen Tests werden von Leos Kysa im aktuellen Skeptiker vorgestellt. Selbstverständlich wurde das Preisgeld noch nicht ausgezahlt.

Der große Irrtum des Bundesverfassungsgerichts

Deutschland ist das "gelobte Land" der Geisterheiler. Die Ursache dafür ist in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Juni 2000 zu finden. Das Gericht urteilte damals, dass ein Geisterheiler keinen medizinischen Beruf ausübt und eher mit einem Pfarrer denn mit einem Arzt vergleichbar sei. Eine Gewerbeanmeldung sei nicht erforderlich und die Städte und Gemeinden haben zu überprüfen, ob die Geisterheiler nicht doch Heilung versprechen.

Ein Urteil, das in sich unstimmig ist und dem Mißbrauch Tür und Tor öffnete. Denn es gibt weder eine Behörde, die hier zur Kontrolle vorgesehen ist noch überhaupt ein Verzeichnis der Geisterheiler, Handaufleger, Reiki-Gurus etc. Dabei ist bekannt, dass viele dieser ominösen Geschäftemacher gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts damit werben, gesundheitliche Probleme zu heilen.

Die Geisterheilerei treibt … wildeste Blüten. … Wie sich eine Branche entwickelt, die frei von Kontrolle wächst, sehen wir heute deutlich. Die Geisterheilerei wird werblich in Bezug zu den unterschiedlichsten Leiden gebracht. Schmerzen und psychische Leiden, wie Angstzustände und depressive Episoden, kuriert man im Spa-Bereich des Ferien-Ressorts. Den Startschuss für diese Entwicklung gab das Bundesverfassungsgericht mit seiner Geisterheiler-Entscheidung. Es hat die Tür aufgestoßen zu einem evidenzfreien Millionenmarkt. (S. 34)

Carl Sagan, Rainer Rosenzweig und James Randi

Bereits im Vorwort kündigt Chefredakteurin Inge Hüsgen an, was sie mit Rainer Rosenzweig verbindet: Dass sie die Liebe zur und das Interesse an der Wissenschaft dem Wissenschaftler und Autor Carl Sagan verdankt. Das trifft auch für Rainer Rosenzweig zu, der ab Seite 38 des Hefts darüber berichtet, wie wichtig Sagan für ihn war (und ist). "Sein Erzählen von Dingen aus dem Weltall, den Sternen, von Weltsamen Phänomenen in der Physik, der Chemie, den Naturwissenschaften ließ mich nicht mehr los" schreibt Rosenzweig.

James Randi, der "Vater der Skeptikerbewegung", wurde der erste Preisträger des Heinz-Oberhummer-Awards. Am Rande der Veranstaltung in Wien konnte Bernd Harder ein Interview mit ihm führen. In dem kurzen Gespräch erzählt Randi von der Politik unter Trump, warum es noch immer religiöses Denken gibt, warum Uri Geller ihn nicht mag und über sein aktuelles Buch (an dem er noch arbeitet).

Wie immer wird das Heft abgerundet mit Rezensionen, Medienhinweisen und Antworten auf Leserbriefe.