Spanien: Zahl der Religionsfreien auf neuem Höchststand

Die einst so einflussreiche katholische Kirche verliert in Spanien an Macht. Macht über Politik und Gesellschaft wie auch über Privatpersonen, die sich abwenden. Neben Skandalen um sexuelle Gewalt, Geld und die Vereinnahmung von Immobilien kann die Kirche keine Antworten auf aktuelle Fragen zum Beispiel zu reproduktiven Rechten oder Sterbehilfe geben. Nur noch knapp 19 Prozent der Menschen in Spanien praktizieren den katholischen Glauben. Ihnen stehen bereits heute 15 Prozent atheistische Personen gegenüber.

Bereits im Jahr 2019 überstieg die Zahl der nicht religiösen Menschen die Zahl derjenigen, die den katholischen Glauben praktizieren. Vor allem die unzähligen Fälle sexueller Übergriffe katholischer Würdenträger besonders auf Minderjährige sowie die kirchlichen Versuche, die Aufklärung, die Bestrafung der Täter und die Entschädigung der Betroffenen zu verhindern, erschütterten die Menschen. Die Kirche verlor Mitglieder, die Religion Gläubige. Hinzu kamen noch dubiose Immobiliengeschäfte und das "Sammeln" von Grundstücken, Wohnhäusern und Geschäftsimmobilien, was das verbliebene Vertrauen in die katholische Kirche als moralische Instanz weiter enttäuschte.

Dass die Kirche drängende aktuellen Fragen zu Sterbehilfe, Verhütung, Abtreibung oder Ehescheidung nur mit veralteten Ansichten begegnet, ist ein weiterer Grund für die sinkenden Zahlen praktizierender Katholik*innen. 2019 bezeichneten sich in einer Umfrage des Centro de Investigaciones Sociológicas (zu deutsch etwa "Zentrum für soziologische Untersuchungen"), kurz CIS, nur noch 22,7 Prozent der Befragten als praktizierende und 44,7 Prozent als nicht praktizierende Katholik*innen. Laut Umfrage vom Juli 2021 sind es nur noch 18,6 Prozent praktizierende und 40 Prozent nicht praktizierende Katholik*innen. Ein satter Verlust in nur zwei Jahren.

Von den 3.798 Befragten gaben nur 2,4 Prozent an, einer anderen Religion anzugehören. 1,9 Prozent beantworteten die Frage danach, ob sie sich als praktizierende oder nicht praktizierende Katholik*innen, Andersgläubige, agnostisch, nicht gläubig oder indifferent beziehungsweise atheistisch einordnen, nicht. 11,5 Prozent sehen sich selbst als agnostisch, 10,4 Prozent als nicht gläubig oder indifferent und ganze 15,1 Prozent als atheistisch an.

Besonders hoch ist die Zahl der Nicht-Gläubigen unter den 18- bis 34-Jährigen. 60 Prozent von ihnen geben an, nicht zu glauben. In den größeren Städten ist die Zahl der Gläubigen geringer als in den ländlichen Regionen. Deutlich zeigt sich auch ein Rückgang bei den kirchlichen Trauungen und Taufen: Wurden im Jahr 2000 noch über 75 Prozent der Trauungen auch in Kirchen durchgeführt, waren es 2019 nur noch 20 Prozent. Und wurden 2007 noch 66 Prozent der Säuglinge (325.271) getauft, waren es 2019 nur noch 48 Prozent (175.844). Sollte sich dieser Trend halten, ist die katholische Kirche in Spanien in wenigen Jahren bedeutungslos.

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