Steht Transgender im Widerspruch zum Islam?

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Moschee in Kota Kinabalu (Malaysia)
Moschee in Malaysia

Auch wenn bestimmte sexuelle und geschlechtliche Ausprägungen weniger häufig vorkommen als andere: per se verwerflich oder gar gefährlich sind sie deswegen nicht. In religiös geprägten Gesellschaften gelten jedoch etwa Transpersonen noch immer häufig als "nicht gottgewollt" oder anderweitig als vermeintlich "böse". Im islamisch geprägten Malaysia wurde das einer Transgender-Unternehmerin nun zum Verhängnis. Generell haben die dort lebenden Mitglieder der LGBTQIA-Community mit staatlichen Sanktionen auf Basis der Scharia zu kämpfen.

Was in der Biologie mittlerweile als Fakt anerkannt ist, haben viele konservative und religiöse Menschen noch nicht ganz verinnerlicht: Es gibt mehr als zwei Geschlechter. Und nicht nur das – neben dem biologischen Geschlecht (Sex) gibt es auch noch ein soziales Geschlecht (Gender). Es ist möglich, diese getrennt zu betrachten, aber prinzipiell bedingen beide einander. Zum einen ist das biologische Geschlecht niemals gänzlich unabhängig von sozialen und kulturellen Kontexten und zum anderen ist auch das soziale Geschlecht immer mit biologischen Realitäten verknüpft. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse ermöglichen es uns heute, Menschen, die nicht in das veraltete binäre Schema passen, nicht länger pauschal als pathologisch einzustufen, sondern als gewöhnliche Menschen anzuerkennen. Die Beschneidung der Rechte von Transgender-Personen entbehrt somit jeglicher rationalen Begründung. Dennoch gibt es eine Reihe von Diskriminierungen gegenüber diesen, selbst in Deutschland.

Ungleich stärker fallen diese Benachteiligungen allerdings in Ländern aus, in denen Religionen noch weniger vom Staat getrennt sind. In Malaysia ist der Islam die vorherrschende Staatsreligion. Rund 60 Prozent der Bevölkerung verstehen sich als Muslime, 20 Prozent sind buddhistischen Glaubens, weitere 10 Prozent gehören dem Christentum an und 5 Prozent dem Hinduismus. Alle anderen sind entweder konfessionsfrei oder Mitglied einer anderen Religionsgemeinschaft. Mehr als 95 von 100 Personen sind dort demnach religiös. Während diese Gruppierungen zweitweise relativ harmonisch koexistierten, hat sich das in den letzten Jahren rasant verändert. Mittlerweile dominiert eine sehr konservative Auslegung des Islams den Alltag in Politik und Gesellschaft. Spannungen gibt es nicht nur zwischen den verschiedenen Religionen, sondern auch innerhalb dieser. So steht regelmäßig etwa das Privatleben der einzelnen Religionsanhänger:innen im Fokus der Behörden.

Diese Entwicklung wird verstärkt auch den – ohnehin seit langem benachteiligten – Transgender zum Verhängnis. Vor einigen Wochen wurde Nur Sajat beschuldigt, den Islam beleidigt zu haben, weil sie sich als Transfrau wie eine Frau gekleidet hat. Die Unternehmerin, eine Berühmtheit in der Kosmetikbranche in Malaysia, sah sich gezwungen, nach Thailand zu fliehen, nachdem sie von einem islamischen Gericht mit dieser Begründung angeklagt worden war. Im Falle einer Verurteilung müsste sie wahrscheinlich sogar in ein Männergefängnis. Die malaysische Regierung gab in einer offiziellen Stellungnahme vor, dass sie Sajat nicht bestrafen, sondern lediglich aufklären wolle. Dabei sprach sie Sajat allerdings durchweg mit männlichen Pronomen an und erläuterte, dass sie nur dann keine Schwierigkeiten zu erwarten habe, wenn sie sich "zu [ihrer] wahren Natur" bekenne und zu dieser zurückkehre. Eine staatlich aufgezwungene Geschlechtsumkehr ist für Sajat aber naheliegenderweise nicht hinnehmbar. Laut Menschenrechtsaktivist:innen hätte sie zudem schwere Misshandlungen zu erwarten, wenn sie ausgeliefert würde.

Allgemein verbieten die islamischen Gesetze des Landes explizit, dass sich ein Mensch für ein anderes Geschlecht "ausgibt" als jenes, das bei der Geburt "zugeteilt" wurde. Der Möglichkeit, dass sich das Geschlecht entweder ändert oder aber ein Mensch in einem Körper geboren wurde, bei dem Sex und Gender nicht (vollständig) übereinstimmen, wird damit kein Raum gegeben. Die aktuellen Scharia-Gesetze sollen sogar noch ausgeweitet werden, sodass jegliche "Förderung" des LGBTQIA-Lebensstils als Beleidigung des Islams aufgefasst werden kann. Diese Gesetzesanpassung gilt als Reaktion der malaysischen Regierung auf die reichweitenstarken Aktionen im Rahmen des Pride Month im Juni. Was dann genau verboten wird, könnte dadurch völlig willkürlich festgelegt werden. Laut geltendem Recht steht Transgender in Malaysia somit im Widerspruch zum Islam – mit fatalen Folgen für Betroffene.

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