"Süßes oder Saures!" – Der Homöopathie-Streit der Grünen

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Was macht man, wenn sich unbequeme Fakten herumsprechen und eine unsinnige Heilmethode zusehends an Rückhalt in der Gesellschaft verliert? Ein guter Anlass, den eigenen Irrtum zu erkennen und auf der Müllhalde überholter Ideen zu entsorgen. Oder man startet eine Petition, um den Quatsch wider jede Vernunft in den Köpfen zu belassen. Letzteres ist derzeit hier zu beobachten. Per Unterzeichnung möge man doch bitte die Politikerinnen und Politiker dazu drängen, die Pseudo-Heilmethode Homöopathie weiterhin als Kassenleistung anzubieten.

"Erstaunlich" findet Udo Endruscheit vom Informationsnetzwerk Homöopathie die Idee, solch eine Petition zu starten. "Eine Lobbygruppe fordert von einer in einem Meinungsbildungsprozess befindlichen Partei mit der Wortwahl 'Rote Karte für …' eine ihr genehme Beschlusslage. Sie setzt dabei auf Appelle statt Fakten."

So ungewöhnlich die Stimmenfang-Aktion auch sein mag, unerwartet kommt sie nicht. Nachdem ein Abmahn-Versuch der Firma Hevert ins Leere lief, pfeifen selbst die Spatzen von den Dächern, dass Homöopathie nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirkt. Vor der #Globukalypse können auch merkbefreite Homöopathie-Fans nicht mehr die Augen verschließen.

Selbst in einem der letzte Refugien des sanften Unsinns regt sich Widerspruch. Die Grüne Jugend hatte sich bereits im April gegen Homöopathie als Kassenleistung ausgesprochen. Kein Wunder also, dass der Bundesvorstand für die Bundesdelegiertenversammlung Mitte November Beef um die Zückerchen befürchtet. Um den dräuenden Stress abzufangen, will Bundesgeschäftsführer Michael Keller nach Informationen der taz Fachpolitiker*innen und alle Antragsteller*innen zum Fachgespräch an einen Tisch holen.

Neu ist die Strategie der Homöopathie-Fans freilich nicht. Nach Endruscheits Beobachtung scheint es in der homöopathischen Szene Mode zu werden, die Auseinandersetzung über Evidenz und Relevanz von Hahnemanns Pseudo-Heilkunde mit Appellen, Petitionen und gelegentlichen Pressebeschwerden zu führen. "Man darf daraus wohl schließen, dass die Petenten mit den Mitteln eines wissenschaftlichen Diskurses keine Chance mehr sieht, ihre Position zu vertreten, Homöopathie sei anerkennenswerte, womöglich gar evidenzbasierte Medizin", vermutet er. "So sucht man sein Heil in dieser besonderen Form der Ablenkung von den Fakten."

Dabei ist der Konsens der weltweiten Wissenschaftsgemeinde eindeutig, daran werden weder Petitionen etwas ändern noch der tausendste Hinweis, wie beliebt doch die Globuli seien. "Und dafür wächst ganz offensichtlich das allgemeine – und das politische – Bewusstsein", beobachtet Endruscheit. Insofern wertet er die Petition als Eingeständnis eines argumentativen Notstands auf der homöopathischen Seite.

Möglich, dass wir derartige Aktionen künftig auch bei der Meinungsfindung anderer Parteien zu erwarten haben. Auch der Landesparteitag der Berliner SPD wird sich mit einem homöopathiekritischen Antrag befassen, der im Beschlussfalle zum Bundesparteitag gelangen wird. Wir werden sehen.