Kommentar

Toleranz mit Ausnahmen

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Der Toleranzwagen beim Düsseldorfer Karneval 2024
Der Toleranzwagen beim Düsseldorfer Karneval 2024

Beim diesjährigen Karnevalszug durch Düsseldorf gab es nach drei Jahren Pause wieder einen sogenannten "Toleranzwagen". Dort waren Vertreter verschiedener Glaubensrichtungen der drei Buchreligionen vertreten. Konfessionsfreie wurden nicht hinzugebeten, obwohl die Mehrheit der Düsseldorfer keiner Religionsgemeinschaft angehört. Muslime waren nur teils vertreten – weil einige ein Problem mit der Rolle des Alkohols im Karneval haben.

Es ist ja so eine Sache mit der Toleranz – gefordert ist sie schnell, gegeben umso schwerer. Und sie funktioniert nur, wenn sie in beide Richtungen stattfindet. Die Stadt Düsseldorf wollte ein Zeichen setzen, gerade in Zeiten, in denen wir leider eine neue Dimension des Antisemitismus erleben, sowohl von rechts als auch von links sowie von muslimischer Seite. Toleranz ist in einer Offenen Gesellschaft unentbehrlich. Somit ist der Gedanke hinter einem Toleranzwagen beim Düsseldorfer Karneval richtig und wichtig.

Richtig ist aber auch, dass es vor allem Religionsvertreter sind, die sehr viel dieser Toleranz beanspruchen, während sie nicht unbedingt bereit sind, diese auch andersherum entgegenzubringen. Trotz einer galoppierenden Säkularisierung der Gesellschaft werden Konfessionsfreie noch immer ausgeklammert. In der offiziellen Erhebung der Stadt Düsseldorf werden sie zusammen mit den "sonstigen" erhoben – 2022 waren das über 60 Prozent der Stadtbevölkerung, man kann also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Metropole am Rhein zum überwiegenden Teil von Menschen bewohnt wird, die sich offiziell zu keiner Glaubensgemeinschaft zählen. Und auch sie haben Interessensvertretungen, in Düsseldorf etwa den Düsseldorfer Aufklärungsdienst, dem nicht zuletzt auch der Erbauer des Toleranzwagens, Jacques Tilly, angehört.

Und auch Religionsfreie dürfen Toleranz einfordern, denn auch sie erfahren Diskriminierung, sei es durch die Privilegierung vor allem des Christentums in Deutschland oder die Verfolgung als Apostaten hauptsächlich in muslimisch geprägten Ländern. Häufig ecken sie an, wenn sie Religionskritik üben, denn Gläubige fühlen sich leicht verletzt und haben mitunter Toleranzprobleme, wenn es beispielsweise um die satirische Auseinandersetzung mit ihrer Religion geht. Diese Aspekte hätten implizit aufgegriffen werden können, wenn man auch einen konfessionsfreien Vertreter für den Wagen angefragt hätte.

Doch noch ein weiterer Aspekt fällt ins Auge: Der Kreis Düsseldorfer Muslime (KDDM), die wichtigste muslimische Repräsentanz in der Landeshauptstadt mit extremistischen Bezügen bei zuletzt acht Mitgliedsverbänden der rund 30 vertretenen Moscheegemeinden, hat sich gegen eine Präsenz auf dem Toleranzwagen entschieden – weil einige Gemeinden das alkoholisierte Feiern beim Karneval nicht unterstützen wollen. Das sei zwar nur "einer von mehreren Aspekten", relativierte der stellvertretende Vorsitzende des KDDM Redouan Aoulad Ali. Doch welches sind die anderen Aspekte? Die praktische Umsetzung sei inzwischen auf den Verein Orient-Okzident übergegangen, so der Vorsitzende Dalinc Dereköy. Er betonte außerdem in der Rheinischen Post, dass der KDDM als seinerzeitiger Mitinitiator das Projekt nach wie vor uneingeschränkt befürworte.

Welche weiteren guten, nicht formalen Gründe könnte es geben, nicht an etwas teilzunehmen, das man "uneingeschränkt befürwortet"? Und welche Botschaft sendet diese Entscheidung unter dem Gesichtspunkt der Toleranz?

Das Wort "tolerare" entstammt dem Lateinischen und bedeutet "ertragen", nicht "gutheißen". Wenn sich wichtige lokale muslimische Glaubensvertreter also gegen eine Teilnahme entscheiden, heißt das, dass sie das bunte Treiben nicht ertragen. Man hätte sich auch dafür entscheiden können, teilzunehmen, ohne selbst Alkohol zu trinken. Das wäre ein Ausdruck der Toleranz gewesen. So jedoch ist die Botschaft eine Ablehnung, ein einseitiges Fordern von Toleranz bei gleichzeitiger Toleranzverweigerung. Dieses Verhalten ist symptomatisch für Religionen, war und ist ein Quell von Unfrieden. Davon gibt es mehrere, aber Religion ist seit jeher ein relevanter Faktor gesellschaftlicher Spaltung. Denn nur wer in der Lage ist, seine eigene Glaubensüberzeugung nicht absolut zu setzen und das Verhalten anderer, die diese Weltanschauung nicht teilen, zu ertragen, kann zum gesellschaftlichen Frieden beitragen.

Der Islam war zwar auf dem Wagen vertreten, allerdings nur in Form des bereits erwähnten Orient-Okzident-Express', einem von einem Muslim gegründeten Karnevalsverein, nicht durch einen offiziellen Vertreter der Moscheegemeinden. Ataman Yildirim, Gründer des besagten Orient-Okzident-Vereins, betonte in der Rheinischen Post: "Es geht auf diesem Wagen trotz des Rosenmontags nicht ums Partymachen, sondern um ein Zeichen des Miteinanders, das wir uns nicht nehmen lassen wollen." Das kann man durchaus als Wink mit dem Zaunpfahl an andere muslimische Verbände verstehen.

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