In seinen kürzlich veröffentlichten Empfehlungen zur Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention an die deutsche Regierung zeigt sich der UN-Frauenrechtsausschuss (CEDAW) besorgt angesichts der Abnahme und regionalen Unterschiede in der Anzahl von Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Wie schon 2017 bemängelt der Ausschuss, dass Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollen, sich einer obligatorischen Beratung unterziehen und eine dreitägige Wartefrist einhalten müssen. Beides hat die Weltgesundheitsorganisation als medizinisch unnötig erklärt.
Ebenso zum wiederholten Male problematisiert der Ausschuss, dass Frauen über 22 Jahre, die nicht über genügend finanzielle Ressourcen verfügen, keinen ausreichenden Zugang zu kostenlosen oder zumindest bezahlbaren Verhütungsmitteln haben und Schwangerschaftsabbrüche nicht grundsätzlich durch eine reguläre Krankenkassenversicherung abgedeckt sind. Auch die starken Einschränkungen ärztlicher Versorgung für undokumentierte Migrant*innen wird kritisiert.
Für die Umsetzung der in der UN-Frauenrechtskonvention verbrieften internationalen Menschenrechte in Deutschland richtet der Ausschuss detaillierte Empfehlungen an die Bundesregierung.
Die Regierung solle sicherstellen, dass Frauen Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch haben, im Einklang mit den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation, die die vollständige Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs empfiehlt, ohne eine obligatorische Beratung und Wartezeit. Sichere und legale Schwangerschaftsabbrüche sollen von der Krankenversicherung bezahlt werden. Die Regierung solle eine Studie durchführen zu den Gründen, aus denen Frauen einen Schwangerschaftsabbruch im Ausland durchführen, mit dem Ziel, den Bedürfnissen dieser Frauen gerecht zu werden. Es sei sicherzustellen, dass eine ausreichende Anzahl angemessen ausgebildeter medizinischer Fachkräfte zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung stehe, regionale Unterschiede in dieser Hinsicht verringert würden und die für nicht-chirurgische Schwangerschaftsabbrüche benötigten Medikamente verfügbar seien. Moderne Verhütungsmittel sollen für alle Frauen und Mädchen im gebärfähigen Alter zugänglich sein, gegebenenfalls kostenlos, insbesondere für Frauen und Mädchen ohne die Möglichkeit, diese selbst zu zahlen.
Zur Begutachtung der Lage der Frauenrechte in Deutschland lagen dem Ausschuss neben dem Bericht der Bundesregierung Berichte aus der Zivilgesellschaft mit ergänzenden Informationen vor – so auch der Bericht der German Alliance for Choice zur Situation der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte in Deutschland von Februar 2020, der von 66 deutschen Verbänden und Institutionen mitgezeichnet wurde, und die Aktualisierung dieses Berichts von April 2023.
Die Empfehlungen von internationalen Menschenrechtsgremien wie dem UN-Frauenrechtsausschuss haben eine wesentliche Rolle in den Gesetzesreformprozessen zur reproduktiven Gesundheit und Selbstbestimmung in anderen Länder gespielt und müssen dies nun auch in Deutschland tun. Die German Alliance for Choice heißt die Empfehlungen des UN-Frauenrechtsausschusses willkommen und fordert die Bundesregierung auf, diese in Zusammenarbeit mit den Regierungen der Bundesländer und anderen relevanten Akteur*innen unverzüglich und allumfänglich umsetzen. Insbesondere eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs, die sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten endlich Rechnung trägt, ist unabdinglich.
Hintergrund
Deutschland hat das "Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau" (UN-Frauenrechtskonvention, CEDAW genannt) unterzeichnet und ratifiziert. CEDAW ist am 09.08.1985 in Deutschland in Kraft getreten. Seither ist die Bundesregierung in der Pflicht, die Vorgaben des Übereinkommens ohne Verzögerung und effektiv im gesamten Bundesgebiet umzusetzen. Über ein Monitoring- und Staatenberichtsverfahren muss die Bundesregierung, wie alle Vertragsstaaten, den zuständigen UN-Fachausschüssen in regelmäßigen Abständen Bericht über den Stand der Umsetzung der von Deutschland ratifizierten UN-Menschenrechtsabkommen erstatten. Im Fall der Frauenrechtskonvention ist dies der CEDAW-Ausschuss, zuständig für das Monitoring der Umsetzung von CEDAW in Deutschland und für den entsprechenden Dialog mit der Bundesregierung. Die Berichte der Bundesregierung werden im CEDAW-Ausschuss geprüft und konkretisierende Empfehlungen für umzusetzende Maßnahmen abgeleitet.