Die beiden Journalisten Matthias Meisner und Heike Kleffner haben einen Sammelband mit dem Titel "Extreme Sicherheit. Rechtsradikale in Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr und Justiz" herausgegeben, worin sich viele Fallstudien zu dem im Untertitel genannten Themenkomplex finden. Damit wird auf ein in der Dimension durchaus relevantes Problem aufmerksam gemacht, es bleibt aber unklar, inwieweit es sich eher um Einzelfälle handelt oder doch von einem realen Netzwerk gesprochen werden kann, eine differenzierte Einschätzung fehlt denn auch dazu.
Eine Anwältin der Hinterbliebenen eines NSU-Opfers erhält Drohschreiben eines "NSU 2.0", die Spur führt zu Polizeibeamten mit Zugriff auf ihre Daten; ein heutiger AfD-Bundestagsabgeordneter missbraucht sein Richteramt, um einem Extremismusforscher NPD-kritische Einschätzungen zu verbieten; Bundeswehrsoldaten ignorieren eintätowierte Hakenkreuze, die sie unter der Dusche bei einem Kameraden sehen; ein ehemaliger Verfassungsschutzpräsident nähert sich seinen früheren Beobachtungsobjekten an, verfasst er doch geschichtsrevisionistische Bücher in einschlägigen Verlagen. Dies sind nur einige Beispiele, die in dem Buch "Extreme Sicherheit. Rechtsradikale in Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr und Justiz" enthalten sind. Herausgegeben haben es die Journalisten Heike Kleffner und Matthias Meisner, Autoren sind Kollegen von ihnen, die von der Frankfurter Rundschau und Süddeutschen über die taz bis zur Welt und Zeit schreiben.
Den Anlass für das Buch ergeben Fragen, welche die Herausgeber wie folgt formulieren: "Wir fragen, wie viele Sorgen wir uns darum machen müssen, wer die demokratische Grundordnung schützt – und wo sie plötzlich schutzlos scheint. Wie steht es um den Staatsschutzbeamten, der sich bei einer Razzia einer als kriminellen Vereinigung bekannten Neonaziband ein Autogramm von deren Sänger geben lässt? Was ist mit dem Polizei-Ausbilder, der seine Schüler und Schülerinnen beim Schießtraining auffordert, das Zielen zu lernen – wegen der 'vielen Gäste' in Deutschland? Mit dem Staatsanwalt, der eine Anzeige wegen antisemitischen Morddrohungen bearbeiten soll – und stattdessen dem Sohn der bedrohten Familie rät, nicht so 'provokant' öffentlich gegen Rechtsextremismus aufzutreten?" (S. 10). Derartige Fälle werden von den Journalisten thematisiert, derartige Fälle stellen ein Problem dar. Denn die gemeinten Beamten haben noch ganz andere Möglichkeiten.
Aber noch zu den weiteren Inhalten: Es geht zunächst einmal ganz allgemein um die Frage, wie Beamte sich zwischen besonderer Loyalitätspflicht und freier Meinungsäußerung positionieren können. Dem folgen dann viele Artikel, die Fallstudien zum Thema darstellen. Neben den erwähnten Beispielen wird auch thematisiert, dass es in AfD-Fraktionen noch aktive oder ehemalige Polizisten und Soldaten gibt. Andere Artikel greifen auf, dass ein ehemaliger verdeckter Ermittler privat einen Linksautonomen bedroht, im hiesigen Ku-Klux-Klan auch deutsche Polizisten organisiert waren oder Justiz und Strafverfolger sehr nachsichtig bei Terrorverdacht und Waffendepots reagierten. Die meisten Beiträge enthalten keine Quellenbelege, insofern lassen sich die Angaben nicht genauer nachprüfen. Sie wollen für sich genommen auch keine Pauschalisierungen und Verallgemeinerungen vornehmen. Gleichwohl wirkt der Band in seiner Gesamtstruktur genau in diesem Sinne.
Denn es stellt sich die Frage, handelt es sich hier jeweils um Einzelfälle oder steht dies für Strukturen. Es ist auch immer von Netzwerken die Rede, ohne aber das Gemeinte genauer hinsichtlich der Relevanz zu erläutern. Dies ist in der Gesamtbetrachtung mehr als nur bedauerlich, werden doch bedenkliche Tendenzen angesprochen. Beamte gerade in Sicherheitsbehörden haben besondere Zugänge, wie das Beispiel der erwähnten NSU-Opferanwältin zeigt. Es gab eine Auskunftssperre zu ihrer Privatadresse, diese Daten konnten aber die Polizeibeamten ermitteln. Dieses Beispiel macht deutlich, wie brisant das erwähnte Thema ist. Entgegen der Aussagen der Herausgeber handelt es aber nicht um "eine Tiefenbohrung" (S. 9) dazu. Die vielen Fallbeispiele machen auf relevante Probleme aufmerksam. Sie sollten weniger als bloße Einzelfälle gelten, noch eine unbegründete Verallgemeinerung rechtfertigen. Hierzu ist mehr Differenzierung und Wissen nötig.
Matthias Meisner/Heike Kleffner (Hrsg.), Extreme Sicherheit. Rechtsradikale in Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr und Justiz, Freiburg 2019 (Herder-Verlag), 320 S. 24 Euro