Die esoterischen Wundermittel gegen das Coronavirus

"Waldbaden" und Fasten

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Die Coronakrise ermöglicht leere Straßen in Berlin.
Die Coronakrise ermöglicht leere Straßen in Berlin.

Das Coronavirus wütet nicht nur weltweit durch die Bevölkerung, sondern grassiert auch in den Köpfen vieler Sektenführer, Gurus, Geistheiler und Esoteriker. In Krisenzeiten wittern diese ihre Chance, den verängstigten Menschen ihre Heilsrezepte zu verklickern. Natürlich gegen Bares. Der Arzt Ruediger Dahlke verharmlost in seinem Buch "Schutz vor Infektionen" die Corona-Pandemie.

Die Zahl der Scharlatane, die aus der Krise Profit schlagen, ist groß. Auf den Corona-Zug aufgesprungen ist auch einer der bekanntesten "Heilsbringer" der Esoterikszene im deutschsprachigen Raum: Der deutsche Arzt Ruediger Dahlke brachte in Rekordzeit ein neues Buch auf den Markt, das Rezepte gegen das Coronavirus enthält. Der Titel: "Schutz vor Infektionen, Immunkraft steigern – natürlich und nachhaltig. Unter besonderer Berücksichtigung von Covid-19 und Impfproblematik".

Es wäre unseriös, Dahlke als Scharlatan zu bezeichnen. Er ist zu clever, um plump in die Falle zu tappen. Doch seine halbseidenen Heilsrezepte, Analysen und Interpretationen können zu unheilvollen Konsequenzen bei seiner großen Anhängerschaft führen. Schließlich genießt er als Arzt eine besonders hohe Glaubwürdigkeit.

Fast zwei Drittel von Dahlkes Buch wirken wie ein Aufwisch seiner früheren Werke. Fasten, gesund essen – streng vegan –, Entspannung, Meditation, Peace Food, Waldbaden usw. sollen die Widerstandskraft stärken und vor dem Coronavirus schützen. Er suggeriert, dass man damit weitgehend immun wird gegen Bakterien und Viren aller Art.

Dahlke – hier ganz der Arzt – liefert reihenweise Studien, die seine Botschaften bestätigen sollen. Nur: Es bestreitet niemand, dass ein gesunder Lebenswandel die Abwehrkräfte stärkt. Doch Dahlke preist seine Methoden als Wundermittel, die beinahe Unsterblichkeit garantieren. Bezeichnend dazu der Titel eines weiteren Buches: "Das Alter als Geschenk".

Der Pferdefuß: Sein Buch ist für die Risikogruppe für die Füchse. Wer Vorerkrankungen hat, raucht und korpulent ist, braucht Jahre, um Dahlkes Rezepte umsetzen und die Abwehrkräfte stärken zu können.

Es überrascht auch nicht, dass Dahlke das Coronavirus verharmlost. Er beendete sein Manuskript Mitte März. Damals lag die Zahl der Infizierten und Toten weit tiefer, und der Erkenntnisstand war geringer als heute.

Dahlke – auch hier ganz der Esoteriker – lässt keine Gelegenheit aus, Breitseiten gegen die verhasste Pharmaindustrie abzufeuern. Er vermittelt den Eindruck, dass der Gesundheitszustand der Menschen ohne die Pillenfabriken wesentlich besser wäre. Der Autor nimmt auch die Schulmedizin ins Visier. Er nennt sie Steigbügelhalterin der Pharmaindustrie.

Die Rezepte von Dahlke sind sehr einfach, um es vorsichtig zu formulieren. So empfiehlt er beispielsweise das Waldbaden. Was romantisch klingt, sind letztlich simple Spaziergänge. Diese führten zu einer erstaunlichen Vermehrung der natürlichen Killerzellen, schreibt er. Killerzellen, die Viren töten. Und ja, Knoblauch helfe im Kampf gegen Covid-19 auch.

Dahlke preist seine natürlichen Konzepte und Methoden als den einzig wirksamen Immunschutz, doch die Schulmedizin ignoriere diesen seit Jahrzehnten.

Als weiteren Erzfeind der Menschen identifiziert Dahlke tierische Proteine. Seine Patientinnen seien dank veganer Ernährung chronische Entzündungsherde, jahrelange Allergien, Autoimmunerkrankungen und vieles mehr losgeworden.

Von Jesus über Buddha zu Dahlke

Auch Fasten bewirkt laut Dahlke Wunder. Als Fastenarzt wisse er alle großen Religionsgründer hinter sich. Von Jesus über Buddha bis zu Mohammed.

Beim Fasten regeneriere das Immunsystem geradezu jungbrunnenartig, behauptet er. Deshalb blitzten selbst hochaggressive Erreger wie das Coronavirus schon an der Körpergrenze ab. Oder wir würden mit ihnen deutlich effektiver fertig.

Ein wirksames Heilmittel ist für Dahlke auch der Glaube. Glaubensheilungen hätten schon viele Menschen nachhaltig von Krebs befreit, behauptet er. Gleichzeitig ärgert er sich über die Unverfrorenheit der Politik und der Mainstream-Medien, die bei jeder Grippewelle und Pandemie auf Angstmache und Panik setzten.

So auch bei Covid-19. Damit schwächten sie die Abwehrkräfte und trügen zur Verbreitung des Virus bei. Dahlke, der Verschwörungstheoretiker.

Er schließt mit umwerfender Logik: "Wer sich vom Leben nicht mehr erregen lässt, öffnet seinen Körper den Erregern."

Schließlich knöpft sich Dahlke noch das Impfen vor. Es gebe keine verlässliche Erfolgskontrolle, behauptet er. Dabei sind sich alle namhaften Experten und Medizinhistoriker einig, dass Impfungen die wohl erfolgreichste medizinische Errungenschaft waren. Impfungen seien eher abwehrschwächend als -stärkend, behauptet Dahlke hingegen.

Der Arzt, der seit vielen Jahren nicht mehr in einer Arztpraxis tätig ist, gebärdet sich in seinem Buch als Besserwisser schlechthin. Seine Konzepte und Argumente sind gespickt mit Magie, abstrusen Vorstellungen und übersinnlichen Ideen. Doch er verkauft sie als wissenschaftliche Erkenntnisse – aus tiefster Überzeugung.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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