Die SkepKon in Augsburg, 30. Mai bis 1. Juni 2019

Das war die SkepKon 2019

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Die Gewinner des Carl-Sagan-Preises 2019: Hinnerk Feldwisch-Drentrup und Nicola Kuhrt vom Projekt Medwatch mit Moderatorin Dr. Julia Offe. (v. l.).
Die Gewinner des Carl-Sagan-Preises 2019: Hinnerk Feldwisch-Drentrup  und Nicola Kuhrt vom Projekt Medwatch mit Moderatorin Dr. Julia Offe.  (v.l.).

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Prof. Gerd Antes kritisiert Big Data in der Medizin: "Man sucht die Nadel im Heuhaufen und findet nur noch mehr Heu."
Prof. Gerd Antes kritisiert Big Data in der Medizin

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Dr. Jan Oude Aost, Julia Neufeind und Moderator Dr. Christian Lübbers
Dr. Jan Oude Aost, Julia Neufeind und Moderator Dr. Christian Lübbers

"Auf dem Boden der Realität liegt nicht genug Konfetti", sagt der Psychologe Axel Ebert. Als Kommunikations-Berater und "Bullshit Buster" geht er der Frage nach, warum sich unsinnige Erklärungen wider alle Vernunft so hartnäckig behaupten. Auf der SkepKon, dem größten skeptischen Wissenschaftsevent im deutschsprachigen Raum, präsentierte er als einer von vielen Referenten Ansätze zur Erklärung. Der Glaube hat oft mehr zu bieten als die Wirklichkeit, und bei einer spannenden Geschichte vergisst man leicht, die Fakten zu checken.

Breites Themenspektrum

Die gute Nachricht: Kritisches Denken kann man lernen und trainieren! Das bewährt sich bei sehr unterschiedlichen Themen, wie das Konferenzprogramm zeigt. Hatte die Auftaktveranstaltung "Skeptical" die Besucher am 30. Mai bereits auf die vielfältigen Themen für kritisches Denken eingestimmt, boten die beiden Tage der Hauptkonferenz (31. Mai und 1. Juni) vertiefte Fachvorträge. Ein knackiges Tutorial zum Testen von Verschwörungstheorien lieferte Dr. Holm Hümmler, nachdem er bereits am Vortag auf dem Skeptical gängige Mythen der Mondlandungs-Leugner pulverisiert hatte. Sein zweiter Vortrag bereitete das Publikum optimal auf Diskussionen mit Flacherdlern und Chemtrailgläubigen vor.

Ein innovatives Vortragsformat präsentierten Dr. Martin Moder und Dr. Nikil Mukerji. In einer Diskussion erörterten die beiden die umstrittenen Thesen des Psychologen und Buchautors Jordan Peterson ("12 Rules for Life"), der seit einiger Zeit auch im deutschsprachigen Raum Beachtung findet und teils heftige Kritik erntet. Denn einige seiner Thesen sind anschlussfähig an Gedankengut von AltRight und ähnlichen Bewegungen. Was ist Peterson nun, ein "wichtiger Denker oder ein gefährlicher Pseudointellektueller?" Die ausgewählten Punkte, die Moder und Mukerji unter dieser Überschrift diskutierten, dürften eher als Auftakt zu einer umfassenden Debatte dienen als zur abschließenden Klärung.

Weitere Vorträge befassten sich mit "alternativen Energien": Physiker und Wissenschaftserklärer Dr. Florian Aigner ließ den Traum vom Perpetuum Mobile platzen, und Dipl.-Ing. Dr. Norbert Aust erläuterte, warum das Thema Energiewende auch für Skeptiker relevant ist. Seine Analyse stimmt nachdenklich. So dringend die Aufgabe auch sei, allein mit Wind- und Solarenergie sei sie nicht zu stemmen. Es werde unerlässlich sein, auch Atomkraft in den Energiemix der Zukunft einzubeziehen. Außerdem ging es um Freimaurer (Wolfgang Aust), die Geschichte der Kurpfuscherei (Sylvia Stang), um zweifelhafte Trends in der Ernährung von Haustieren (Dr. Stefanie Handl) und um begünstigende Faktoren für den Glauben an das Paranormale (Prof. Dr. Tilmann Betsch).

Muster erkennen, wo keine sind

Für den letztgenannten Punkt spielt das Erkennen von imaginären Mustern eine bedeutende Rolle. Wenn die Uhr genau zu dem Zeitpunkt stehenbleibt, zu dem der Großvater stirbt, glauben viele Menschen an einen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen. Hat man nicht nur eine Uhr zur Verfügung, sondern beispielsweise einen ganzen Uhrenladen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass solch ein Fall eintritt – freilich wird die paranormale Deutung auch dann nicht richtiger. In einer ähnlichen Situation sieht Prof. Gerd Antes den modernen Medizinsektor. Er war bis 2018 Direktor des Deutschen Cochrane Zentrums und ist Mitbegründer des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Nach seiner Einschätzung erzeugen Big Data und Digitalisierung eine solche "Datensintflut" (Antes), dass relevante Befunde darin untergehen. "Das Zeitalter der Kausalität ist Vergangenheit", so sein düsteres Fazit, "dank unbegrenzter Datenmengen wird Korrelation zur Kausalität."

Impfen und Impfmüdigkeit

Einen weiteren Schwerpunkt bildete das Thema Impfen. Der Mediziner Dr. Jan Oude-Aost präsentierte das Resultat seiner ausführlichen Analyse eines Klassikers der Impfgegner-Literatur. In gründlicher Kleinarbeit zerlegte er Martin Hirtes Buch "Impfen Pro & Contra" zu einem Nichts an Belegen. Ein gefährliches Nichts, wenn man bedenkt, dass die WHO Impfgegnerschaft zu den zehn größten Gesundheitsgefahren zählt.

Den Hausärzten kommt eine bedeutende Rolle für die Impfentscheidung von Patienten zu, wobei die Einstellung diese Mediziner starken Einfluss ausüben dürfte. Wie es um die Impfakzeptanz bei dieser Berufsgruppe bestellt ist, hat Julia Neufeind vom Robert-Koch-Institut mit ihren Kollegen untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Gründe für das Nichtempfehlen je nach Impfung variieren. Wenn Ärzte auf eine Empfehlung der Grippeimpfung verzichten, dann weil sie nur unzureichend wirke oder eine schlechtes Verhältnis von Risiko und Nutzen biete. Die Masernimpfung wird dagegen häufig schlicht vergessen.

Insgesamt erwiesen sich die befragten Ärzte als sehr impfbereit, wobei die Befragten in Westdeutschland selbst weniger geimpft waren als ihre Kollegen in anderen Landesteilen und homöopathische Ärzte eine geringere Impfbereitschaft zeigten. Sie seien jedoch nicht durchgehend gegen Impfungen eingestellt, so Neufeind. Kritischer müssten in dieser Hinsicht anthroposophische Ärzte betrachtet werden, bei denen man typische Impfgegner-Argumentationen findet.

Doch wie kann die Impfbereitschaft in der Bevölkerung gesteigert werden? Einen Impuls hierzu liefert eine Studie im Journal Nature, die Julia Neufeind ebenfalls vorstellte. Demnach formen sich Impfentscheidungen auf Grundlage von individuellen Werten und moralischen Einstellungen. Als bedeutsam erwiesen sich hier die Werte Reinheit, was auch die Ablehnung von allem "Unnatürlichen" umfasst, und Entscheidungsfreiheit. Es ist gewiss wünschenswert, wenn es gelingt, diese Wertvorstellungen für die Pro-Impf-Kommunikation zu nutzen.

Verlässliche Informationen für Patienten bereitzustellen, das ist Ziel des Projekts medwatch, das über unlautere Heilungsversprechen aufklärt. Dafür zeichnete die GWUP die beiden Initiatoren, die Wissenschaftsjournalisten Nicola Kuhrt und Hinnerk Feldwisch-Drentrup in diesem Jahr mit dem Carl-Sagan-Preis aus. Die Ehrung würdigt Journalisten, die sich in den letzten Jahren in hervorragendem Maß aus wissenschaftlicher Sicht mit Themen aus dem parawissenschaftlichen Bereich auseinandersetzen und auf diese Weise zur Aufklärung der Öffentlichkeit beitragen.


Mehr über die SkepKon lesen Sie im aktuellen Skeptiker 2/2019.

Die nächste SkepKon findet vom 21. bis 23. Mai 2020 in Berlin statt.

Ausgewählte Programmpunkte der SkepKon gehen in diesen Wochen als Video online. Bisher zu sehen: