Warum der Iran völkerrechtliche Verpflichtungen einhalten sollte

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Protest für Menschenrechte im Iran (2011)
Protest für Menschenrechte im Iran (2011)

Jeder Staat, auch die "Islamischen Republik" Iran, ist an die völkerrechtlichen Verpflichtungen gebunden. Auch dann, wenn er sich in Konfliktfällen auf das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" als völkerrechtlich garantiertes Grundrecht beruft.

Ich möchte mit diesem Text darauf hinweisen, dass wir nicht nur die völkerrechtlichen Schranken der "nationalen Souveränität" im 21. Jahrhundert geflissentlich vergessen dürfen. Auch die internationale Verpflichtung zur Sanktionierung dieser Schranken darf in dem "kritischen Dialog" nicht ignoriert werden: die wirkungsmächtige Mahnung die völkerrechtlich verbrieften bürgerlichen und politischen Rechte im Iran einzuhalten, darf daher keinem pragmatisch legitimierten und Eigeninteressen verfolgenden diplomatischen Kalkül zum Opfer fallen.

Zwei unverantwortliche Umgangsformen mit der "Islamischen Republik" Iran

Es gibt gegenwärtig zwei diametral entgegengesetzte gefährliche zwischenstaatliche Beziehungen mit der "Islamischen Republik" Iran, mit dem Ziel "Stabilität" im Nahen und Mittleren Osten herzustellen und zu erhalten. Beide teilen eine Vernachlässigung der Menschenrechte im Iran.

Die eine ist eine durch die Hegemonialmacht USA getragene Außenpolitik unter der Führung Donald Trumps, der nicht nur die "white supremacy" in den USA anstrebt, sondern auch die weltweite unangefochtene US-Hegemonie als einziger Supermacht im Nachgang des Zerfalls der bipolaren Spannungsachse internationaler Beziehungen im Zusammenhang mit dem Niedergang der Sowjetunion. Dies obwohl die vorherrschende Multipolarität internationaler Beziehungen sogar die Steuerungschance des machtstärksten Staates der Welt eher verringert hat. Trotzdem glaubt Trump, durch Teilen herrschen zu können, weswegen er auch unter anderem auf den Zerfall Europas setzt. Diese egomanisch geprägte Außenpolitik, die das Völkerrecht nur selektiv und interessengeleitet befolgt, ist aber genauso gefährlich wie die regionale Aggression der "Islamischen Republik", die sie durch gewaltsame Interventionsdrohungen zu bändigen versucht. Gemeinsam ist beiden Staaten jedoch, dass sie von einem "Naturzustand" zwischenstaatlicher Beziehungen ausgehen und sich nur auf die eigene Machtstärke stützen. Für sie ist anscheinend die Gewalt als Regulationsprinzip zwischenstaatlicher Beziehungen noch nicht völkerrechtlich überwunden. Sie glauben immer noch an einen "Krieg aller gegen alle" mit dem Vorteil des Machtstärkeren.

Auf der anderen Seite dominiert eine verantwortungslose außenpolitische Toleranz gegenüber allen möglichen innen- und außenpolitischen Schandtaten der "Islamischen Republik", die seit 40 Jahren als "kritischer Dialog" praktiziert wird. Glaubt man, dass man sich mit dieser "schrecklichen Toleranz" gegenüber den unübersehbaren Rechtverletzungen wieder auf eine kollektive Ignoranz und Amnesie beziehen kann, um das Versagen der Eigenverantwortung zu rationalisieren? Oder glaubt man, dass es ausreicht, bei offiziellen Gesprächen bloß die "Menschenrechte" zu erwähnen, um der eigenen Verantwortung gerecht geworden zu sein? Meint man immer noch, dass diese Alibifunktion des "kritischen Dialogs" auch tatsächlich eine auf Völkerrecht basierte und von Menschenrechten geleitete aktive Außenpolitik gegenüber der "Islamischen Republik" ersetzen kann? Rechtfertigt etwas das Ergebnis dieser Strategie? Was hat man bis jetzt dadurch in Bezug auf mögliche Zähmung der aggressiv geprägten Innen- und Außenpolitik der "Islamischen Republik" erreicht? Mit dieser "schrecklichen Duldung" hat man sich bloß mitverantwortlich gemacht für die eklatanten Verletzungen aller völkerrechtlich garantierten (Menschen-)Rechte durch die "Islamische Republik" seit 40 Jahren. Es ist ein erbärmliches Zeugnis für einen außenpolitischen Opportunismus eines Krämergeistes, der nur sein "eigenes Interesse am Hindukusch verteidigt", wie einst einer der Bundespräsidenten aus dem Nähkästchen plauderte.

Ausgehend von den bisherigen Erfahrungen bleibt anscheinend nur eine einzige Alternative zu diesen beiden Ansätzen unproduktiver Außenpolitik gegenüber der "Islamischen Republik". Diese bis jetzt sträflich vernachlässigte Alternative besteht allein in einer wirkungsmächtigen Unterstützung der Demokratisierung Irans durch die internationale Sanktionierung der völkerrechtlichen Verpflichtungen der "Islamischen Republik". Denn nur durch die Unterbindung der Gewaltherrschaft und Herstellung der rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen gewaltloser Austragung der innpolitischen Auseinandersetzungen zur Durchsetzung der "Demokratie" als Organisationsform der iranischen Staatsgesellschaft ist die Bedingung einer Möglichkeit friedlicher Koexistenz im Nahen und Mittleren Osten gegeben, die "international" anscheinend als regionale "Stabilität" angestrebt wird. Dies bedeutet aber keineswegs eine Aufforderung zur direkten Intervention in "innenpolitische Angelegenheiten" der "Islamischen Republik" durch andere Staaten. Auch eine scheinbar völkerrechtlich legitimierbare Zurückhaltung wäre genauso wenig zielführend, solange die "Islamische Republik" das Völkerrecht permanent verletzt. Die durch die "Islamische Republik" beanspruchte völkerrechtlich garantierte "nationale Souveränität" setzt aber genauso die Erfüllung der völkerrechtlich garantierten Pflichten des "Souveräns" voraus. Diese Pflichterfüllung sollte völkerrechtlich sichergestellt werden, sowohl innen- als auch außenpolitisch! Denn nicht nur die Nachbarvölker haben Anspruch auf völkerrechtlich garantierte Rechte, sondern auch die unter der "islamisch" geprägten Schreckensherrschaft leidenden Iraner. Dazu gibt es längst völkerrechtliche Grundlagen dieses Rechtsschutzes.

Zu völkerrechtlichen Schranken der "nationalen Souveränität" im 21. Jahrhundert

Das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" besagt, dass ein Volk das Recht hat, frei über seinen politischen Status, seine Staats- und Regierungsform und seine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu entscheiden. Dies schließt also seine Freiheit von Fremdherrschaft ein. Dieses Selbstbestimmungsrecht ermöglicht es einem Volk bzw. einer Nation, einen eigenen nationalen Staat zu bilden oder sich in freier Willensentscheidung einem anderen Staat anzuschließen.1

Dieses Recht ist zwar als ein Kampfbegriff zurückzuführen auf die antikolonialen Befreiungskämpfe, dem im "kalten Krieg" der bipolaren Weltordnung besondere Bedeutung zukam. Es wird aber heute allgemein als gewohnheitsrechtlich geltende Norm des Völkerrechtes anerkannt. Sein Rechtscharakter wird außerdem anerkannt durch Artikel 1 Ziffer 2 der UN-Charta, durch den "Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte" (IPBPR) sowie den "Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte" (IPWSKR), beide vom 19. Dezember 1966, völkervertragsrechtlich. Damit gilt es universell.

Die universelle Geltung dieses Rechtes impliziert aber entsprechende rechtsverbindliche Verpflichtungen der sich darauf beziehenden Regierungen, die ebenso universell geltende "bürgerliche und politische Rechte" zu respektieren haben. Sonst würden die Grundprinzipien der Rechtsetzung verletzt werden: die Reziprozität der Rechte und Pflichten als "Gerechtigkeitsprinzipien" sowie die Unverletzbarkeit der Bürgerrechte als zivilisatorische Errungenschaft der Menschheit. Denn nicht nur Menschen als Gruppen haben Rechte, sondern auch Einzelne, deren Respektierung erst die Gruppenrechte wie "Nationale Souveränität" rechtfertigt. Eine juristische Verschiebung der Balance der Menschenrechte zugunsten ihrer Gruppenrechte liefert daher nur die Legitimationsgrundlage des Totalitarismus, wie wir sie in der bisherigen Geschichte in verschiedenen Formen kennen. Dieser Missbrauch des "Selbstbestimmungsrechts der Völker" ist nur dann möglich, wenn man vergisst, wer das eigentliche Rechtssubjekt ist: nur Menschen haben Rechte, die Kollektive miteinander bilden. Sie allein sind befugt, diese Rechte aus "Einsicht in die Notwendigkeit" selbstbestimmt einzuschränken und eine "Zwangsbefugnis" zu erteilen, die sich in der Regel als eine Herrschaftsform verselbständigt. Erst durch diese Selbstdelegation der Zwänge, die sie als Fremdzwänge beherrscht, entsteht ein demokratisch legitimes "Zwangsbefugnis" mit dem völkerrechtlich garantierten Souveränitätsanspruch. Nur in diesem Sinne ist die Freiheit "die Einsicht in die Notwendigkeit", weil sie die Einsicht in die Notwendigkeit des Rechtsstaates bzw. der freiwilligen Aufgabe gewisser Freiheiten bedeutet.