Der Autor des Artikels, Daniel M. Porcedda, lebt seit mehr als 20 Jahren in der Ukraine. Für den Humanistischen Pressedienst hat er aus Kiew bereits über die Orange Revolution berichtet. Und nun über den Krieg in der Ukraine.
Kiew, Donnerstag, 24. Februar 2022, ca. fünf Uhr morgens: In der Entfernung sind Explosionsgeräusche zu vernehmen. Wir wachen auf. Wir rätseln, was das hätte gewesen sein können. Wir schauen aus den Fenstern, können jedoch nichts Auffälliges erkennen. Wir nehmen unsere Laptops und Mobiltelefone zur Hand und versuchen, dort die Ursache der Explosionsgeräusche zu erfahren. Keine Meldungen hierzu. Wir packen jeder einen kleinen Koffer mit den nötigsten Dingen. Für alle Fälle. Schließlich haben wir Putins Rede mitbekommen und wissen, dass Russland der Ukraine de facto den Krieg erklärt hat. Putins Worte waren unmissverständlich. Wer hören wollte, konnte hören … und verstehen.
Freitag, 25. Februar. Es ist noch Nacht. Um 4:20 Uhr werden wir von einer Explosion geweckt. Im Kiewer Gebiet Posnjaki wurde scheinbar eine russische Rakete oder Drohne von der ukrainischen Streitmacht abgewehrt. Dabei sollen Teile in ein Wohnhaus gestürzt sein. Feuer soll vom 4. bis 9. Stockwerk dieses Gebäudes ausgebrochen sein. Von unserem Schlafzimmer aus konnte man in der Entfernung eine rötliche Beleuchtung des Nachthimmels erkennen, die wohl durch den Brand verursacht wurde.
Diese Momentaufnahmen haben uns nicht bloß zwei kurze Nächte eingebracht, sondern Gefühle, die sich Menschen, die ihr Leben lang in einer kriegsfreien Ordnung leben konnten, ins Gedächtnis einbrennen.
Die Ereignisse überschlugen sich in den letzten wenigen Tagen auf dramatische Weise. Verständnis für Putins Angriffskrieg zeigen nur noch wenige Menschen. Einige bleiben in ihren Denkschemata gefangen. Vor allem, wer einen ausgeprägten Anti-Amerikanismus pflegt, tendiert gerne mal unreflektiert zur Gegenseite, also zu Russland. Weltpolitik ist kein Sportereignis, bei dem man seiner favorisierten Mannschaft den Sieg gönnt. Ein Unentschieden ist auch im Sport nicht immer möglich. In der Politik wäre ein Unentschieden fatal. Ein Unentschieden würde bedeuten, dass versucht wird, eine brüchige Balance aufrechtzuerhalten. Dass diese Taktik, die man gerne als Diplomatie bezeichnet, fehlgeschlagen ist, ist mit dem jetzigen Krieg, der nicht bloß die Ukraine betrifft, sondern die EU, den gesamte Westen, gar die ganze Welt, offensichtlich. Eine Mannschaft kann nicht aus heiterem Himmel die Spielregeln diktieren, schon gar nicht während eines Spiels, sondern es gilt ein bestehendes, übergeordnetes Regelwerk.
Sicherheit gäbe es nur mit Russland?
Wie oft vernahm man in den vergangenen Jahren den immer wieder gebetsmühlenartig vorgebrachten Gedanken: Sicherheit gibt es nur mit, nicht gegen Russland.
Wie viele Menschen haben diesen Satz als Credo wiederholt und verinnerlicht? Sehr viele. Zu viele. Warum? Naivität? Diese Erklärung wäre zu kurz gegriffen. Und in vielen Fällen zweifelsohne unzutreffend. Politiker, Medien, "Fachleute" und andere brachten stets diesen Gedanken hervor, wenn sie es partout vermeiden wollten, den russischen Präsidenten zu verärgern. Schließlich sollte man mit ihm auf Augenhöhe reden. Wirklich? Auf Augenhöhe? Der russische Gesprächspartner entstammt der KGB-Schule. Er muss ein guter Schüler gewesen sein, wenn man dies an seinen "Erfolgen" misst, im eigenen Land einen aus überwiegend ehemaligen KGB-Leuten bestehenden Clan aufzubauen, der mafiöse Strukturen aufweist. Einige wenige bereichern sich unermesslich. Aber nur, wenn sie ihrem Paten treu ergeben sind. Wer abweicht, fällt auch schon mal grundlos aus einem Fenster oder verstirbt ohne jegliche Vorerkrankung an einem Herzinfarkt.
Nur mit einem bedingungslos ergebenen Umfeld konnte Putin einen Krieg vom Zaun brechen, der nicht bloß die Ukraine bedroht. Er konnte ohne inneren Widerstand einen auch für Russland verheerenden Angriffskrieg auslösen. Niemand in seinem Umfeld erlaubte es sich, ihn auf mögliche fatale Folgen für das eigene Land hinzuweisen. Wie eingeschüchtert Menschen im engen Umfeld Putins sind, konnte man beobachten, als dieser seinen Spionagechef vor aller Welt demütigte. Das angsterfüllte Stottern des Chefs der russischen Auslandsspionage, Sergej Naryschkin, ging viral. Es drückt die Atmosphäre innerhalb des Kremls aus.
Putins Worte am 22. Februar, vorgetragen mit einer bei ihm bis dahin noch nie gesehenen Aggressivität und hasserfülltem Blick, hätten umgehend alle West-Politiker in Alarmbereitschaft versetzen müssen. Ein Lehrsatz des KGB-Handbuches ist, keine Emotionen zu zeigen, ergo mit Pokermiene seine Botschaft zu vermitteln. In seiner Rede, die als offene Kriegserklärung an die Ukraine gedacht war, gab es für ihn kein Zurückhalten mehr. Für seine gezeigten Regungen könnte der Grund sein: Putin weiß, dass er sich verrannt hat. Der Westen hat zum ersten Male nicht so reagiert, wie er es vorhergesehen hatte. Putin verspürte international heftigeren Gegenwind als gedacht.
Informationskrieg
Der jahrelange Informationskrieg Russlands gegen den Westen hatte gefruchtet. Nicht bloß sehr viele EU-Bürger haben der "Berichterstattung" aus russischen Quellen geglaubt, auch viele Politiker scheinen undifferenziert Meldungen, die die russische Regierung in einem vorteilhaften Licht erschienen ließen, für bare Münze genommen zu haben. Obwohl die Welt beobachten konnte, wie in Russland sukzessive Menschenrechte für das eigene Volk abgeschafft wurden, Oppositionelle, Journalisten, Menschenrechtler als "ausländische Agenten" gebrandmarkt wurden, verhaftet wurden, getötet wurden. Innerhalb und außerhalb Russlands.
Der Informationskrieg läuft parallel zum Angriffskrieg auf die Ukraine.
Wenige Tage vor dem Angriff auf die Ukraine wurde den russischen Bürgern über das Staatsfernsehen Putins Fatalismus frei Haus geliefert: "Eine Welt ohne Russland braucht Russland nicht. Und dann verwandelt sich nicht nur Amerika in radioaktive Asche, sondern auch Europa – als Reaktion auf die Aggression." Im Westen hat man das scheinbar überhört, oder aber als "übliche" russische Medienrhetorik abgetan.
Die Ukraine verteidigt gerade die europäische Sicherheit und Demokratie.
Über die gleichen Medien drohte Putin dem Westen unverhohlen mit einem Atomschlag für den Fall, dass die NATO auf die Idee käme, der Ukraine militärisch zur Hilfe zu kommen. Das allerdings wurde im Westen deutlich vernommen.
Übers russische Staatsfernsehen wurde nun öffentlich dazu aufgerufen, den ukrainischen Präsidenten Selenskyj zu ermorden. Wer wurde aufgerufen? Die ukrainische Streitmacht sollte ihren eigenen Präsidenten umbringen. Scheinbar ist Putin tatsächlich davon überzeugt, dass in der Ukraine Soldaten prorussisch wären. Entweder hat er schlecht informierte Berater, oder aber es ist ein deutliches Anzeichen von Hilflosigkeit, weil seine eigenen Truppen dazu wohl nicht in der Lage sind. Abgesehen davon ist es ein unerhörter Vorgang, wenn der Präsident eines Landes die Streitmacht eines anderes Landes zum Mord ihres eigenen Präsidenten aufruft. Dies hätte international einen großen Aufschrei auslösen müssen. Der jedoch blieb erschreckenderweise aus.
Putin bot dann an, der ukrainische Präsident Selenskyj sollte zu Gesprächen nach Minsk kommen. Wieder einer dieser unsäglichen Vorschläge, von denen Putin ja wissen muss, dass sie unmöglich sind. Unabhängig davon, wie einige den Intellekt des ukrainischen Präsidenten einschätzen, dass er sich darauf einlässt, dürften auch diejenigen nicht annehmen, die Selenskyj nicht als besonders intelligent einstufen. Polen schlug übrigens vor, diese Gespräche in Warschau zu führen. Putin lehnte ab. Wen wundert's? Die Rolle Israels in diesem Zusammenhang müsste beleuchtet werden. Israel wollte als Vermittler bei diesen Gesprächen auftreten, wie der israelischen Regierungschef Naftali Bennett mitteilen ließ. Wie jedoch stellte sich Bennett ein Gespräch in Minsk vor, wenn er doch davon ausgehen musste, dass der Gesprächsort für den ukrainischen Präsidenten eine Zumutung sein musste. Bennett hätte ein Treffen auf neutralem Gebiet vorschlagen müssen, wäre sein Angebot, als Vermittler agieren zu wollen, ernst gemeint gewesen.
Am 25. Februar bat Putin Kasachstan um militärische Unterstützung. Kasachstan jedoch verweigerte nicht bloß Putins Antrag auf seine Truppen, sich der Offensive in der Ukraine anzuschließen, sondern machte auch deutlich, "dass sie die von Russland geschaffenen Pseudo-Republiken nicht als Vorwand für Putins Aggression in der Ukraine anerkennen". Es ist übrigens bemerkenswert, dass Putin Kasachstan um militärische Hilfe bittet. Denn er dachte, die Ukraine in vier Tagen komplett einnehmen zu können. Es war nach den ersten beiden Tagen offensichtlich, dass dies unmöglich sein würde. Die russische Streitmacht ist für sie unerwartet in der Ukraine auf heftige Gegenwehr gestoßen.
Und weiterhin treibt Russland die Eskalation in der Ukraine voran. Gleichzeitige Angriffe auf mehrere Städte der Ukraine sollte die ukrainische Armee, und vor allem die ukrainische Bevölkerung, zermürben. Dies scheint zurzeit zumindest nicht mal ansatzweise der Fall zu sein, wie internationale Medien in Dauerschleife berichten. Es wurden nun noch massivere Angriffe auf Kiew angekündigt.
Mittlerweile werden auch in der internationalen Presse viele Falschmeldungen aus russischen Quellen entlarvt. Leider werden solche Fake News immer noch häufig in westlichen Medien verbreitet, die unreflektiert Meldungen übernehmen ohne sie auf den Wahrheitsgehalt abzuklopfen. Aber es werden deutlich weniger. Factchecking scheint zu funktionieren.
Anonymous hat nun der russischen Fake-News-Maschinerie den Kampf angesagt, Putin den Cyber-Krieg erklärt. Websites von Gazprom und des Verteidigungsministeriums wurden gehackt. Anonymous will den Kreml lahmlegen. Es wäre durchaus möglich, dass das Hacker-Kollektiv den Krieg schneller beenden könnte als die militärischen Abwehrkräfte der Ukraine. Das dürfte, es müsste, Putin beunruhigen.
Putin wirkt verfahren in seinen Statements und seinen Handlungen. Er gebärdet sich wie jemand, der nichts mehr zu verlieren hat. Gregor Gysi bemerkte, Putin sei erledigt. Dies könnte auch Putin mittlerweile klar sein. Ihm bliebe dann im Zweifel nichts anderes übrig, als sein Heil in der Eskalation zu suchen. Ein Vabanquespiel, dem viele tausend Menschen zu Opfer fallen würden, Ukrainer wie Russen.
Werden nun bald Atomwaffen eingesetzt? Am Sonntag wurde Folgendes gemeldet: "Die höchsten Beamten der führenden Nato-Staaten machen aggressive Äußerungen gegen unser Land. Deshalb befehle ich dem Verteidigungsminister und dem Generalstabschef, die Abschreckungskräfte der russischen Armee in ein spezielles Kampfdienstregime zu überführen", sagte Putin seinem Verteidigungsminister Sergej Schoigu und dem Stabschef Valery Gerasimov. Die russischen Medien Novaya Gazeta und Dozhd schreiben, dass dies den Einsatz von Atomwaffen bedeuten könnte.
Lernresistenz im Westen
Ukrainer haben den Westen jahrelang vor Putin gewarnt. Baltische Staaten ebenfalls. Der Westen hat es ignoriert. Nun ist die Maske Putins gefallen.
Russland beteuerte, die ukrainische Infrastruktur zerstören zu wollen. Wohngebiete und Kinderheime gehören nicht zur Infrastruktur. Und dennoch gibt es in der Ukraine nun schon über 200 zivile Todesopfer. Es sind getötete Menschen, die euphemistisch als Kollateralschäden bezeichnet werden. Die angekündigten Großoffensiven auf die Ukraine werden diese Zahl vervielfachen, sollte Russland nicht Einhalt geboten werden.
Währenddessen denkt Dmitri Medwedew, der Putin-Platzhalter der Jahre 2008 bis 2012 und seit Januar 2020 stellvertretender Leiter des Sicherheitsrates Russlands, wegen der nun international verhängten Sanktionen laut über die Wiedereinführung der Todesstrafe in Russland nach. Abartig.
Religionskrieg
Der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill, hatte zu Kriegsbeginn die russische Armee gesegnet, zum Schutze Russlands. Die Unterstützung der Kirche für den Krieg gegen ihren erklärten Feind endet jedoch nicht bloß bei Segen und Gebet.
Der Antonow-Flughafen in Kiew wurde angegriffen. Dies ist der Flughafen des Flugzeugbauers Antonow, aber auch ein kleiner Militärflughafen. Am 24. Februar wurde der Flughafen von ca. 40 russischen Hubschraubern angegriffen. Koordiniert wurde der Angriff von einer Person am Boden. Das ukrainische Militär konnte den Mann festsetzen. Es wurde gemeldet, dass es sich hierbei um einen hohen Geistlichen des berühmten Kiewer Höhlenklosters Lawra handeln sollte. Das Kloster wird jedes Jahr von tausenden Touristen besucht und gilt als eines der Wahrzeichen der ukrainischen Hauptstadt. Das Kloster ist russisch-orthodox und führt eine große Fehde gegen die ukrainisch-orthodoxe Kirche, die es sich erlaubte, sich vom Moskauer Patriarchat abzuspalten.
Bereits 2014 bei der Annexion der Krim war die russisch-orthodoxe Kirche Kriegstreiber.
Widerstand in Russland
Am 26. Februar haben sich hunderte russische Wissenschaftler gegen Putin ausgesprochen. Einleitung des offenen Briefes: "Wir, russische Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten, erheben entschiedenen Protest gegen die von den Streitkräften unseres Landes begonnenen kriegerischen Handlungen auf dem Territorium der Ukraine. Dieser verhängnisvolle Schritt führt zu gewaltigen Menschenopfern und untergräbt die Grundlagen des etablierten Systems der internationalen Sicherheit. Die Verantwortung für die Entfesselung eines neuen Kriegs in Europa liegt vollständig bei Russland. Für diesen Krieg gibt es keinerlei vernünftige Rechtfertigungen. Die Versuche, die Situation im Donbass als Anlass für die Entfesselung einer militärischen Operation auszunutzen, erwecken keinerlei Vertrauen. Es ist ganz offensichtlich, dass die Ukraine keine Bedrohung der Sicherheit unseres Landes darstellt. Der Krieg gegen sie ist ungerechtfertigt und offensichtlich sinnlos." Mehr als 380 Wissenschaftler haben binnen 24 Stunden diesen offenen Brief unterzeichnet, der auch im Internet veröffentlicht worden ist, darunter 65 Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften. Die 1724 von Peter dem Großen gegründete nationale Akademie mit Sitz in Moskau ist die ranghöchste Forschungseinrichtung der Russischen Föderation.
Vorige Woche bereits hatten hunderte russische Künstler einen offenen Brief an Putin adressiert um sich deutlich von dessen Kriegstreiberei zu distanzieren.
Täglich gehen nun tausende von Menschen in Russland auf die Straßen und protestieren gegen Russlands Krieg in der Ukraine. Die Proteste werden von russischen Sicherheitskräften niedergeknüppelt, nach letzten Meldungen sind über 1.400 Demonstranten abgeführt worden.
Wahnwitzige Kriegs-Gründe
Putin wollte einen Genozid in der Ostukraine verhindern. Welchen Genozid? Alle internationalen Organisationen vor Ort stufen dieses Argument als vorgeschoben ein. Es gäbe keinen Genozid und es wäre auch keiner zu befürchten gewesen.
Putin will die Ukraine entnazifizieren. Er will also ein Land entnazifizieren, das einen russischsprachigen Juden zum Präsidenten gewählt hat, der die ukrainische Sprache selbst erst nach seiner Wahl zum Staatsoberhaupt erlernen musste? Grenzenlose Absurdität. Zudem haben alle ukrainische rechte Parteien zusammengenommen bei den letzten Wahlen nicht mal zwei Prozent der Wählerstimmen erhalten. Diesbezüglich sieht es in einigen EU-Ländern bedeutend "nazistischer" aus. In Deutschland sitzt die AfD im Bundestag, mit 10,3 Prozent der Wählerstimmen. In Frankreich wählt jede(r) Dritte rechts.
Die "Kriegsgründe" fallen in sich zusammen.
Die Folgen dieses unbegründeten Krieges sind sowohl politisch als auch wirtschaftlich bereits erheblich. Je länger dieser Krieg dauern wird, umso schlimmer werden die Folgen sein. Für die Ukraine, für die EU … und für Russland.
Die Ukraine verteidigt gerade die europäische Sicherheit und Demokratie. Die EU hat sich erst jetzt entschlossen, dem Land Waffen zu liefern, um sich verteidigen zu können. In der Ukraine kursiert derweil der Witz: Die Nato wird den Antrag stellen, um in die Ukraine aufgenommen zu werden. Galgenhumor hilft.
Epilog
Samstagabend, 26. Februar, ca. 23 Uhr: Die Staatsverwaltung der Stadt Kiew warnt die Bevölkerung vor möglichen unmittelbar bevorstehenden massiven Angriffen auf die Stadt. Alle Bürger sind aufgefordert, die vorgesehenen Schutzräume aufzusuchen. Wir schnappen uns unsere stets mit dem Wichtigsten gepackten Rucksäcke und begeben uns in den Kellerraum dieses Wohnblocks, wo bereits ein paar Menschen Zuflucht gefunden haben. Nach drei Uhr morgens Entwarnung. Wir suchen wieder unsere Wohnung auf und versuchen ein paar Stunden zu schlafen.
Frühstück, die neuesten Nachrichten verschlungen, mehrere Explosionen auf der anderen Dnepr-Seite vernommen, eine Rauchsäule vom Wohnzimmerfenster aus gesehen, weiter mir Verwandtschaft und Freunden im Ausland kommuniziert und mitgeteilt, dass wir wohlauf sind. Ein Tagesablauf, der nicht zur Routine werden sollte …
16 Kommentare
Kommentare
Roland Fakler am Permanenter Link
Putin wird diesen Krieg verlieren! Er hat sich verrechnet, weil er an seine eigenen Propagandamärchen glaubt. Die Menschen wollen Frieden und Freiheit, nicht Großmachtstreben.
Kriege sind keine Naturkatastrophen, sie werden von Menschen gemacht und können von Menschen verhindert werden. Dieser Krieg wurde von einem Mann ausgelöst, der damit auch die Schuld für das ganze Elend trägt.
Das zentrale Problem der Weltgeschichte sind größenwahnsinnige Diktatoren, die ungehemmt und unbeschränkt agieren können. Die wichtigste Aufgabe mündiger BürgerInnen, vor allem der dafür gewählten Abgeordneten, einer Verfassung, der Presse und der Schriftsteller wäre, Macht zu beschränken, zu kontrollieren und zu kritisieren. Das hat bei Hitler, Erdogan, Putin, Xi Jinping... nicht funktioniert. Wann lernt die Welt aus ihrer schrecklichen Geschichte?
Putin wird genau das Gegenteil von dem erreichen, was er wollte. Nach diesem aggressiven Überfall werden die UkrainerInnen sich weiter vom „bösen Onkel“ im Osten abwenden und sich nach Westen in die EU und zur Nato orientieren.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Konsequent hat Zar Putin vorrevolutionäre Zustände wiederhergestellt. Hat die Kumpanei von Thron und Altar wieder fest etabliert.
W. K. am Permanenter Link
Voraus: Ich bin grundsätzlich gegen Krieg, Putin muss aufhören!
Es gibt Widersprüche und Lügen, auf allen Seiten. Nach meiner Meinung sind die USA und vor allem ihr NATO Bündnis noch nie für Frieden und Menschenrechte gewesen. Völkerrechtswidrige Bombardierungen Serbiens wegen Kosovo? Irak? Syrien?
Eine verlogene Bande.
Und die ukrainischen Menschen und auch russische Menschen leiden darunter...
Michael Fischer am Permanenter Link
Ich hab mich ja schon gefragt, wie lange es dauern würde, bis der erste Relativierer auftaucht.
Solche Rosinenpicker wie Sie finde ich immer großartig. Ihr Kommentar hat zwar keinerlei Bezug zum Artikel, aber wie sagt man bei uns im Schwäbischen so schön: Hauptsach', gschwätzt isch!
Michael Fischer am Permanenter Link
Noch ein Nachfrage: Mit ihrem Kommentar - die Netiquette verbietet leider den passenderen Ausdruck - zum vorherigen Artikel des Autors vom 21.
"Ich habe keine Lust, immer wieder von "Invasionsplänen" zu hören. Das glauben nur noch ... gut ich sag's nicht."
Bitte, bitte, sagen Sie nichts mehr. Und wenn doch, dann erzählen Sie es in Zukunft doch einfach Ihrem Friseur.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Es gibt Widersprüche und Lügen, auf allen Seiten" - und zwar besonders (aber wahrlich nicht nur!) in Kriegszeiten.
Michael Fischer am Permanenter Link
"Der Westen hat nach seinem Sieg im Kalten Krieg die Vorgänge in Russland sträflich unterschätzt.
Bevor der nächste Rosinenpicker kommt: Dieser Satz ist ein Zitat aus dem Buch "Putinimus" (2015) des großen Russland-Kenners Walter Laqueur.
Leider hat der Westen die Zeichen an der Wand zu lange nicht sehen wollen.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Man kann die Zeichen an der Wand ja sehen, aber es fragt sich immer was man tun kann. Ich kann mich der Kritik nicht anschließen, die die diplomatischen Bemühungen ibs.
"der Westen" ist nun mal keine reale, handlungsfähige Institution. Darf man daran erinnern, dass unter der Herrschaft Trumps in den USA eine vernünftige Politik "des Westens" überhaupt nicht möglich war ? Und die Gefahr, dass Trump mal der Putin der USA wird ist immer noch riesengroß ! Was könnte man dagegen tun, bitte schön ?
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Sieg" im Kalten Krieg - welcher Sieg? Und "Zeichen an der Wand"?
Eine ganz billige Retoure, Michael; aber das kenne ich ja inzwischen von dir andernorts.
Zu den Zeichen an der Wand drei Videos mit Blick auf die Zeit seit der Wende - in der Reihenfolge ihres Erscheinens (die ersten beiden von/mit G. Krone-Schmalz, das 3. eine Zusammenschau):
Verstehen ('15): https://www.youtube.com/watch?v=yzLiwWVZCOk
Versäumnisse ('21): https://www.youtube.com/watch?v=3KmW4xdWL3s
NATO u.a. ('22): https://www.ardmediathek.de/.../Y3JpZDovL3Bob2VuaXguZGUvM...
Wer die Muße aufbringt, mal aufmerksam zuzuhören, *kann* (muss aber nicht) gewinnen.
Was haben wir nicht alles versäumt - wo, verdammt, hätten wir heute sein können?
Hätte, hätte, Fahradkätte; es kam ja anders.
Die eigentlichen Zeichen an der Wand wurden halt *nie* wirklich wahr- (geschweige denn an-) genommen, sondern schlicht ignoriert, schlimmstenfalls abgetan als Illusion/Utopie bzw. unterminiert von G.W. Bush und seinem Gefolge.
Und jetzt steckt die Karre halt im Dreck...
Lösungen hast du offensichtlich noch weniger anzubieten als ich.
Michael Fischer am Permanenter Link
- "Sieg" im Kalten Krieg - welcher Sieg?
Was für eine Frage - das war ein ZITAT!
Ich habe Walter Laqueur zitiert. Ich habe sogar ausdrücklich auf ihn und sein hervorragendes Buch verwiesen. Beschwer Dich also bei ihm und nicht bei mir.
Gut, 04.11 Uhr ist eine Zeit, zu der der Mensch aus gutem Grunde Ruhe halten sollte.
Michael Fischer am Permanenter Link
Ich glaube, die einzige Einsicht, die man aus Gabriele Krone-Schmalzens Ergüssen gewinnen kann ist, dass es sich bei der Dame um eine naiv-wohlmeinende Dilettantin handelt.
Sätze wie „Was Putin getan hat, ist keine Landnahme, sondern Notwehr unter Zeitdruck“ (anlässlich der Krim-Annexion) sprechen wohl für sich, genauso wie ihre öffentlichen Äußerungen noch unmittelbar vor dem aktuellen Überfall auf die Ukraine.
Vielleicht solltest Du Dir lieber mal etwas aktuellere Sachen ansehen wie z.B. ihren peinlichen Auftritt bei Markus Lanz drei Tage vor dem Überfall (fast noch naiver als Sahra Zarenknecht bei Anne Will).
Immerhin muß man ihr zu Gute halten, hart mit sich selbst ins Gericht gegangen zu sein: "„Ich habe mich geirrt. Nicht nur mit Blick darauf, was jetzt an Leid und Verwüstung folgt, bin ich fassungslos, sondern auch angesichts dieses Schlags ins Gesicht all derjenigen, die sich – teilweise gegen große politische Widerstände im eigenen Lager – auf den Weg nach Moskau gemacht haben, um diplomatische Lösungen für die tatsächlich vorhandenen Probleme zu finden.“
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Dilettantin" - verstehe; du bist bestimmt häufiger als GKS in Russland gewesen und daher ein kleinerer Dilettant als sie.
G. Hantke am Permanenter Link
Auch auf die Gefahr hin, „Erbsenzähler, Rosinenpicker, Putinversteher“ oder sonstwas tituliert zu werden, nur mal ein paar Gedanken, die mir jedenfalls nicht gerade abwegig oder gar verwerflich anmuten:
JEDER Krieg ist zu verurteilen!!!
Gründe und Hintergründe spielen aber schon eine Rolle.
Danach schneidet der Westen mE zumindest ebenso schlecht wie Rußland selbst.
Es sollte selbstverständlich sein, sich gerade in Krisensituationen auch in die Sicht des Gegenübers hineinzuversetzen. Zumindest dies mal zu versuchen!
Es gilt womöglich auch, einen noch viel größeren Krieg zu verhindern!
- Es ist vielen Menschen offenbar nicht klar, welche immensen Gefahren darin bestünden (nicht nur für Rußland), die Ukraine in die NATO aufzunehmen mit der Folge, daß US-Raketen künftig 400 km vor Moskau stünden. 4 Minuten Vorwarnzeit sind eine riesige Gefahr für sich. Wer dann ständig den Finger am Abzug haben muß, wird irgendwann nervös. Wir hatten schon einmal eine Situation, in der nur durch beherztes Urteil diensthabender Offiziere vor Ort die Vernichtung des Lebens auf diesem Planeten abgewendet wurde.
Das Sicherheitsbedürfnis aller Staaten gilt auch für Rußland, zumal nach 27 Millionen Toten im 2. Weltkrieg!
Hat nicht der Westen durch seine beharrliche Ignoranz dieses Sicherheitsbedürfnisses zumindest eine erhebliche Mitschuld?
Gewiß hat jedes Land das Recht, jedem Bündnis beizutreten. Aber die NATO hat nicht die Pflicht, dem zu entsprechen und sollte dabei auch die Sicherheitsinteressen anderer Staaten berücksichtigen.
Die Ukraine führt seit Jahren Krieg gegen die abtrünnigen Gebiete im Donbass
(hat auch Gründe, aber der Wunsch einer Abspaltung eben auch).
Die USA nutzen jede Gelegenheit, einen Keil zwischen D und R zu treiben. Die aktuelle Politikergarde fällt darauf rein, anstatt sich zusammen mit F von diesem Imperium, das von gewissen „Schurken-Staaten“ nicht gänzlich zu Unrecht als das meistgehaßte Land der Welt bezeichnet wird, zu lösen. Es war schon immer eine beliebte Taktik der USA, Konkurrenten gegeneinander auszuspielen.
Die Tendenz, dem Agressor, zumal wenn er denn Putin heißt, wie schon lange üblich, alles Schlechte zuzuschreiben oder zu unterstellen, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, sich in seine Lage hineinzuversetzen und ihm nun vor allem „so richtig weh tun zu wollen“ , wie eine gewisse Baerbock, ist nicht nur dümmlich, es hilft auch in keiner Weise weiter und bewirkt im Zweifel eher das Gegenteil dessen, was man vielleicht angestrebt hatte.
Putin hat sich (bisher) gegen die Hardliner in Rußland durchsetzen können. Was wäre wohl, wenn dies ein Ende hätte und Rußland mit Blick auf die militärische Aufrüstung der Ukraine seinerseits militärisch an die unmittelbare Grenze zu den USA heranrücken würde (hatten wir schon mal in Gestalt der Kuba-Krise)?
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Gute HUMANISTISCHE Sicht der Weltlage, Chapeau!
Danke für diese mutige Einstellung der gesamten Weltlage.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Dazu noch ein Blick auf die Reaktionen der Politik in der BRD, die geforderte Erhöhung des Millitäraufkommens um 100 Milliarden Euro, ist mit Sicherheit der absolut falsche Weg zu
Manfred H. am Permanenter Link
"sich gerade in Krisensituationen auch in die Sicht des Gegenübers hineinzuversetzen.", ja das versuche ich auch unentwegt.
Damit sollte man aber als poltisch Handelnder vermutlich frühzeitig beginnen und dann auch die richtigen Schlüsse ziehen.
Wir können ja mal zur Übung eine Zeitreise in die 30er Jahre unternehmen und uns in die Sicht von Adolf Hitler hineinversetzen.
Welche Schlussfolgerungen, glauben Sie, hätte man im Ausland daraus ziehen sollen?