England und Wales:

Werden Jungfräulichkeitstests und Hymen-Reparaturen bald verboten?

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Auch im 21. Jahrhundert gibt es bei manch einer Eheschließung noch die Frage nach der Jungfräulichkeit der Braut. Kliniken bieten dazu Zertifikate an, die bescheinigen sollen, ob das Hymen der zukünftigen Ehefrau intakt ist. Die Untersuchung ist eine demütigende wie unwissenschaftliche Praxis, die beim falschen Ergebnis zu Gewalt oder Tod der getesteten Person führen kann. In England und Wales könnten Jungfräulichkeitstests sowie medizinisch nicht notwendige Operationen des Hymens bald verboten werden.

Anatomisch Betrachtet lässt sich der Mythos der Jungfräulichkeit nicht halten. Das Betrachten und Betasten des Hymens lässt keinen Rückschluss darauf zu, ob die betroffene Person zuvor jemals Sex mit Penetration der Vagina hatte oder nicht. Das hält manch einen Heiratswilligen oder eine streng religiöse Familie nicht davon ab, zukünftige Ehefrauen, Töchter oder Schwestern zur vermeintlichen Untersuchung der Jungfräulichkeit in Kliniken zu bringen. In England und Wales verdienen Kliniken 150 bis 300 Pfund (etwa 175 bis 350 Euro) mit solchen wissenschaftlich nicht haltbaren Tests. Hinzu kommt noch der Verdienst mit Operationen zur "Wiederherstellung" eines vermeintlich zerstörten Hymens, wenn das Ergebnis negativ ausfällt.

Um Mädchen und Frauen in Zukunft vor demütigenden und völlig unwissenschaftlichen Tests zu schützen, soll in England und Wales womöglich noch dieses Jahr verboten werden, Jungfräulichkeitstests durchzuführen, Produkte anzubieten, die als Jungfräulichkeitstests angewendet werden sollen, Jungsfräulichkeitstests oder Produkte für diese Tests zu bewerben. Die Diskussionen um diese Tests und damit verbundene Gewalt bis hin zur Ermordung vor allem gegen Frauen und Mädchen, sollten sie den Test nicht bestehen und durch vermeintliche Unkeuschheit Schande über sich und ihre Familie gebracht haben, bestehen schon lange. Auch seit vielen Jahren weisen Menschenrechtsorganisationen auf die Problematik hin und zeigt die Weltgesundheitsorganisation WHO auf, dass die Tests Menschenrechte verletzten und keine wissenschaftliche Grundlage haben.

Im Dezember 2020 brachte nun der konservative Politiker Richard Holden den Gesetzesentwurf "Bill to prohibit virginity testing procedures; to make associated provision about education; and for connected purposes" (Gesetz zum Verbot von Jungfräulichkeitstests, sowie weitere Vorkehrungen für Bildung und anhängige Zwecke) in das House of Commons, das britische Unterhaus, ein. Neben dem Verbot der medizinisch nicht notwendigen Tests, Testprodukte und Werbung soll es Bildungsangebote zum Thema für Schulen, Gesundheitseinrichtungen und lokale Behörden geben. Auch Geld- und Gefängnisstrafen von bis zu 12 Monaten sind für Gesetzesverstöße vorgesehen.

Der Gesetzesentwurf erwartet nun die zweite Lesung und könnte noch in diesem Jahr in Kraft treten. Zahlreiche Frauen- und Menschenrechtsorganisationen unterstützen den Vorstoß zum Verbot. Dabei erhoffen sie sich auch ein Verbot von medizinisch nicht notwendigen Operationen, die das Hymen vermeintlich reparieren und so eine Jungfräulichkeit vortäuschen sollen.

Nachdem sich auch Frankreich bereits im letzten Jahr der Test-Problematik angenommen hat, bleibt zu hoffen, dass das Wissen um die Nutzlosigkeit dieser Tests sich ausbreitet und das Personal gynäkologischer Praxen auch in Deutschland nicht mehr in die Situation gerät, eine Jungfräulichkeit bestätigen zu müssen, um Leben und Gesundheit einer betroffenen Person zu schützen.

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