Österreich

Zoff um "Islam-Landkarte" des Integrationsministeriums

Die Dokumentationsstelle Politischer Islam stellt eine Landkarte mit über 600 muslimischen Organisationen, Gemeinden und Moscheen in Österreich online. Daraufhin hagelt es Kritik von Islamverbänden und dem Europaratsbeauftragten Daniel Höltgen, der angesichts des Veröffentlichkeitszeitpunkts darauf hinweist, die Karte bediene antimuslimische Ressentiments.

"Wir müssen endlich Transparenz beim Politischen Islam schaffen und Licht in die Hinterzimmer des Islamismus bringen", sagte die österreichische Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) im Rahmen der Vorstellung der "Islam-Landkarte".

Die Auflistung fokussiert sich dabei nicht ausschließlich auf Instanzen, die dem Politischen Islam zugerechnet werden. Die Landkarte, die unter Leitung von Ednan Aslan, Professor für islamische Religionspädagogik, an der Universität Wien mitkonzipiert wurde, soll einen Überblick über alle muslimischen Vereine, Organisationen und Dachverbände bieten. Außerdem werden die handelnden Personen und Verflechtungen mit internationalen Organisationen offengelegt. Eine ähnliche Landkarte, die 400 Organisationen in Österreich auflistete und ebenfalls von Aslan veröffentlicht wurde, war bereits zwischen 2009 und 2019 online. Die frühere Version war weitestgehend unbeachtet geblieben.

Darüber hinaus veröffentlicht die Dokumentationsstelle auch drei Dossiers über die größten Dachverbände, nämlich ATIB, Millî-Görüs und die Grauen Wölfe. Mouhanad Khorchide, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Dokumentationsstelle, bezeichnet Millî-Görüs aufgrund der Nähe zur Muslimbruderschaft als prominentesten Vertreter des Politischen Islam. Bei ATIB hingegen stelle sich die Frage nach einer möglichen Abhängigkeit von der türkischen Politik.

Screenshot der Webseite islam-landkarte.at
Screenshot der Webseite islam-landkarte.at

Die Universität Wien distanzierte sich inzwischen von der Veröffentlichung und untersagte dem Integrationsministerium die Verwendung des Universitätslogos. Die Muslimische Jugend Österreich, die Jugendorganisation der staatlich anerkannten Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), kündigte ihrerseits an, gegen die Landkarte zu klagen.

Kritik kommt auch vom Europaratsbeauftragten Daniel Höltgen, der sogar einen Rückzug der Landkarte empfiehlt. Aufgrund von Form und Zeitpunkt wirke die Landkarte auf muslimische Gläubige wie ein Generalverdacht gegenüber dem Islam. Gläubige konnten sich außerdem durch die Veröffentlichung von Adressen und Personalien bedroht fühlen, konstatiert er. Daniel Höltgen ist Sonderbeauftragter des Europarats für antireligiöse Intoleranz und Hassverbrechen.

Der Politologe und Islamwissenschaftler Rami Ali kritisiert, dass die Landkarte veraltete Informationen benutze und die aufgelisteten Moscheen und Vereine nicht vor der Veröffentlichung befragt wurden, ob sie aktuelle Daten bereitstellen wollen. Außerdem sei die IGGÖ nach eigenen Angaben erst wenige Minuten vor der ersten Pressekonferenz über die Veröffentlichung informiert worden. Hier hätte transparenter kommuniziert und die islamischen Verbände in die Veröffentlichung mit einbezogen werden müssen, resümiert Ali.

Integrationsministerin Raab versuchte bereits bei der Veröffentlichung, den Vorwurf der generellen Islamfeindlichkeit im Keim zu ersticken: "Es geht nicht um einen Kampf gegen Muslime, sondern um den Kampf gegen den politischen Islam." Alle Informationen, die die Landkarte abbilde, seien öffentlich zugänglich, betonte die Integrationsministerin.

Raab wurde nach der Veröffentlichung in sozialen Netzwerken bedroht. Auch Khorchide und Aslan sollen Drohungen erhalten haben, letzterer steht nach eigenen Angaben bereits seit Jahren unter Polizeischutz.

Khorchide reagierte auf die Vorwürfe und bezeichnete die Aufregung als orchestriert: "Nun benutzen Vertreter des Politischen Islam die aktualisierte Neuauflage für eine konstruierte Skandalisierung und stellen sich einmal mehr als Opfer einer Diffamierungskampagne dar. Das ist sehr weit hergeholt", kritisiert Khorchide. "Die Lobbyisten des Politischen Islam haben es mit ihrer konstruierten Empörung geschafft, dass die Medien aber nur das Thema Landkarte aufgriffen" – anstatt die Dossiers über ATIB, Millî-Görüs und die Grauen Wölfe unter die Lupe zu nehmen.

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