In direkter Reaktion auf die Ermordung Charlie Kirks hat US-Präsident Donald Trump per Exekutivbefehl und präsidialem Memo verfügt, dass "Antifa" als domestische Terrororganisation eingestuft wird. Leere Drohungen, könnte man meinen, denn "Antifa" ist keine organisierte Bewegung. Doch der Schein trügt.
Am 22. September unterschrieb Donald Trump den Exekutivbefehl 2025-18709 mit dem Titel: "Festlegung von Antifa als domestische Terrororganisation". Der Präsident verkündete:
"Antifa ist eine militaristische, anarchistische Unternehmung, die explizit den Umsturz der US-Regierung, ihrer Strafverfolgungsbehörden und unseres Rechtsstaats fordert. (…) Antifa rekrutiert, trainiert und radikalisiert junge Menschen, um sich an Gewalttaten und der Unterdrückung politischer Aktivität zu beteiligen, nur um daraufhin komplexe Strategien anzuwenden, um die Identitäten der Beteiligten zu verschleiern und die Geldquellen und Tätigkeiten zu tarnen, um die Strafverfolgungsbehörden zu frustrieren und weitere Mitglieder anzuwerben. Individuen, die mit Antifa in Verbindung stehen und in deren Auftrag handeln, koordinieren ihre Aktivitäten außerdem mit anderen Organisationen und Entitäten, womit sie die Ausbreitung, die Intensivierung und den Fortschritt politischer Gewalt und der Unterdrückung rechtlich geschützter politischer Rede bezweckt. Diese strategischen Bemühungen, gewählt, um politische Ziele durch Erpressung und Einschüchterung durchzusetzen, sind domestischer Terrorismus."
Und weiter:
"Aufgrund des eben erwähnten Musters politischer Gewalt, die darauf gerichtet ist, rechtmäßige politische Aktivität zu unterdrücken und den Rechtsstaat zu behindern, designiere ich Antifa als 'domestische Terrororganisation'. Alle entsprechenden Abteilungen und Behörden sollen alle anwendbare Autorität aufbringen, um jegliche illegalen Aktivitäten – insbesondere solche, die terroristische Handlungen beinhalten – zu untersuchen, zu behindern und aufzuhalten, die von Antifa, oder jeglicher Person, die vorgibt, im Auftrag von Antifa zu handeln, oder für welche Antifa oder jegliche Person, die vorgibt, im Auftrag von Antifa zu handeln, materielle Unterstützung geleistet hat, begangen werden. Dies beinhaltet die notwendigen Ermittlungen und Strafverfolgungen gegen jene, die solche Aktivitäten finanzieren."
Das wirft nun eine essentielle Frage auf: Was genau ist, in den Augen der US-Regierung "Antifa"? Denn in der praktischen Realität gibt es keine "Antifa". Es gibt linksradikale Gruppierungen, von denen die meisten antifaschistische Überzeugungen pflegen. Es gibt basisdemokratische Initiativen, die sich als antifaschistisch verstehen. Aber es gibt keinen Antifa e.V., keine Antifa, LLC., keine Antifa Foundation. Es gibt keine einzige Gruppe, die "Antifa" heißt.
Antifa als "Unternehmung" ("enterprise") zu bezeichnen und diese Unternehmung als domestische Terrororganisation zu designieren, ist nichts weiter als semantischer Hokuspokus – und genau das ist der Punkt. Genau diese Ambiguität ist es, die der US-Regierung einen Schleier der Glaubwürdigkeit ermöglicht, während sie den Terrorismusbegriff zur Waffe gegen die politischen Gegner umfunktioniert. Genau diese Ambiguität ist es, die während der McCarthy-Ära schon einmal zur ideologischen Säuberung der politischen Administration, des Militärs und der parlamentarischen Vertretung genutzt wurde.
Märtyrer und Mörder
Wie weitreichend nämlich die Definition der US-Regierung in Bezug darauf ist, was "Antifa" konstituiert, zeigt uns das nur drei Tage später veröffentlichte präsidiale Memo 2025-19141 mit dem Titel "Gegenmaßnahmen gegen domestischen Terrorismus und organisierte politische Gewalt".
Natürlich lässt es sich das Weiße Haus nicht nehmen, das Attentat auf Charlie Kirk als zentrales brandbeschleunigendes Element herauszugreifen und die vermeintliche Ideologie des Schützen als Grund für dieses Memo zu zitieren. Das Dokument beginnt mit dem Satz:
"Grausame Attentate und andere Akte politischer Gewalt in den Vereinigten Staaten haben in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen. Selbst im Nachgang des furchterregenden Attentats auf Charlie Kirk haben gewisse Individuen, die der Ideologie des vermeintlichen Schützen nahestehen, diesen bösen Mord gefeiert, während sie aktiv zu mehr politischer Gewalt aufgerufen haben."
Hier wird suggeriert, der angebliche Attentäter hätte eine politische Ideologie vertreten, die als "antifaschistisch" deklariert werden könne. Einige Absätze später wird das Memo konkret:
"Wie im Exekutivbefehl vom 22. September 2025 (Festlegung der Antifa als domestische Terrororganisation) beschrieben, haben die Gruppen und Entitäten, die diesen Extremismus vorantreiben, eine Bewegung geschaffen, die Gewalttaten wie Attentate akzeptiert und fördert, um politische Ziele zu erreichen. So hat beispielsweise der mutmaßliche Attentäter Charlie Kirks die Kugeln, die für den Mord genutzt wurden, mit sogenannter 'anti-faschistischer' Rhetorik versehen."
Die Botschaften, die Robinson auf seinen Hülsen hinterließ, können bei oberflächlicher Betrachtung als antifaschistisch verstanden werden. Doch sie können genauso gut verstanden werden als Produkt einer höchst erratischen, in den Abgründen des Internets durch Meme-Kultur entstandenen Denkweise, die von der Extremismusforschung als "nihilistischer gewalttätiger Extremismus" (nihilistic violent extremism) bezeichnet wird.

Tyler Robinson hat seinem Vater zwar die Tat gestanden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist aber weder abschließend geklärt, was den vermeintlichen Schützen zu seiner Tat bewogen hat. Die Art und Weise, wie das FBI öffentlich mit relevanten Beweisen um sich wirft, irritiert sogar die MAGA-Fraktion. Und genau das ist der Punkt: Wir wissen bis heute nicht mit Sicherheit, ob Marinus van der Lubbe wirklich den Reichstag angezündet hat. Und das spielt auch keine Rolle. Denn wir wissen sehr genau, was geschah, nachdem er brannte.
Das Memo verkündet auch die Einsetzung einer landesweiten Task Force mit lokalen Büros, deren Aufgabe es unter anderem ist, "die Institutionen und Individuen sowie die leitenden Angestellten und Mitarbeitenden der Organisationen, die verantwortlich sind für das vorangenannte kriminelle Verhalten, die dieses Verhalten unterstützen oder anderweitig den Kernfiguren zuarbeiten", anzuklagen und vor Gericht zu schleifen. Hierzu spezifiziert das Memo: "Die Task Force soll dem Präsidenten regelmäßige Updates zu ihrem Fortschritt liefern, durch die präsidiale Assistenz und den Berater für Homeland Security." Anders ausgedrückt: Stephen Miller hat die Macht, Donald Trump ins Ohr zu flüstern, wer hier nun Terrorist ist und wer nicht. Und Stephen Miller meint, das inkludiere Gerichte, die gegen Trump entscheiden.
Widdewiddewitt und drei macht Antifa
Sehen wir uns vor diesem Hintergrund und der direkten Bezugnahme des Memos auf den Antifa-Exekutivbefehl also an, was die US-Regierung so alles als "anti-faschistisch" deklariert:
"Es gibt gemeinsame, wiederkehrende Motive und Symboliken, die diese Welle gewalttätiger und terroristischer Akte unter dem Regenschirm des selbsternannten 'Anti-Faschismus' vereinen. Diese Bewegungen framen grundlegende US-amerikanische Prinzipien (zum Beispiel die Unterstützung der Strafverfolgungs- und Grenzschutzbehörden) als 'faschistisch', um gewalttätige revolutionäre Akte zu rechtfertigen und voranzutreiben. Diese 'anti-faschistische' Lüge wurde zum Schlachtruf der domestischen Terroristen, die einen gewaltsamen Angriff auf demokratische Institutionen, verfassungsmäßige Rechte und grundlegende US-amerikanische Freiheiten unternehmen. Gemeinsame Elemente, die diesem gewalttätigen Gebaren zugrunde liegen, sind unter anderem Anti-Amerikanismus, Anti-Kapitalismus und Anti-Christentum; Unterstützung für den Umsturz der US-Regierung; Extremismus in Bezug auf Migration, Race und Gender; sowie Feindseligkeit gegenüber jenen, die traditionelle US-amerikanische Meinungen bezüglich Familie, Religion und Moral haben."
Ich übersetze: Antifa ist, wer Einkommens- und Vermögensgerechtigkeit fordert. Antifa ist, wer den ersten Verfassungszusatz gelesen hat und daher Trennung von Kirche und Staat fordert. Antifa ist, wer nicht damit einverstanden ist, dass Migrant*innen und US-amerikanische Staatsbürger*innen nach wochenlanger Incommunicado-Käfighaltung in Foltergefängnisse oder Drittstaaten ausgeflogen werden. Antifa ist, wer nicht glauben will, dass die Vereinigten Staaten ein christliches Land sind und die christliche Religion die einzig wahre Meta-Ethik darstellt. Antifa ist, wer Stephen Miller auf den Schlips tritt.
Wer also Mitglied einer säkular-humanistischen Organisation ist und einen Flug in die Vereinigten Staaten plant, möchte vielleicht umbuchen. Kanada und Mexiko sollen um diese Zeit ganz schön sein, munkelt man.






