Thomas Nagels "Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?" nun auf Deutsch

Die Welt als Echolotpanorama

BERLIN. (hpd) Seine Diktion ist die eines Amerikaners, sein Denken das eines alten Europäers. Am ersten Satz seines Essays "Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?" wird es deutlich: "Das Thema Bewusstsein macht das Leib-Seele-Problem praktisch unlösbar." Reclam brachte den Aufsatz jetzt in einem eigenen Band zweisprachig heraus.

Erlebnisse lassen sich nicht vollends erklären, indem man korrelierende Gehirnaktivitäten konstatiert. Wir haben Erlebnisse, aber auch Tiere haben Erlebnisse, vermuten wir. Welche, das wissen wir um so weniger, je unähnlicher sie uns sind, so Nagels Grundannahme in seinem Klassiker aus dem Jahr 1974, damals in der "Philosophical Review".

Wir können uns vielleicht noch vorstellen, wie es für uns wäre, uns ausschließlich über Echolot zu orientieren, nicht aber, wie es für die Fledermaus ist. Denn Ereignisse erfahren wir nur als Erlebnisse, als Empfindungen in Raum und Zeit gleichermaßen wie als Bestandteil unserer Biografie, als Ereignisse für uns. Uns und der Fledermaus geht das so, ja, möglicherweise auch eines Tages einem Computer, wenn er nur komplex genug strukturiert wäre.

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Thomas Nagel macht unzweifelhaft klar, warum es so schwer ist, von objektiven Wahrheiten zu reden: "Es ist schwierig zu verstehen, was mit dem objektiven Charakter eines Ereignisses gemeint sein könnte, unabhängig von seiner besonderen Perspektive, von der aus ein Subjekt sie erfasst. Was bliebe letzten Endes von der Weise übrig, wie es ist, eine Fledermaus zu sein, wenn man die Perspektive der Fledermaus entfernte?" Nicht anders erginge es übrigens einem Lebewesen von einem anderen Planeten, wenn es versuchte, sich vorzustellen, wie es ist, ein Mensch zu sein. Er hätte dazu keinen Zugang.

Descartes "Cogito ergo sum" taucht bei Nagel wieder auf. Ich habe Erlebnisse, also gibt es Bewusstsein. Die Materie gerät darüber aber zum Konstrukt, denn ausgehen tun wir immer von einer wahrgenommenen Welt. Was ist, zerfällt wieder in res extensa und res cogitans, in die Bewusstseinswelt und die ausgedehnte. Wobei Computer kurioserweise dann unter Umständen zur Welt des Bewusstseins gehören könnten und zu Geist-Maschinen werden könnten.

Eine Abfuhr erhalten alle, die in der Nachfolge von Skinner Lebewesen zu Black Boxes machen, zu Reflexmaschinen, über deren Reaktionen man aber objektive Erkenntnisse gewinnen kann. "Sehr wenig Mühe wurde auf die grundsätzliche Frage verwendet, (für die die Frage von Gehirn ganz übergangen werden kann), ob es überhaupt einen Sinn ergibt zu sagen, dass Erlebnisse einen objektiven Charakter haben. Ergibt es (mit anderen Worten) einen Sinn zu fragen, wie meine Erlebnisse wirklich sind im Gegensatz zu der Art und Weise, wie sie mir scheinen."

Wir Lebewesen haben alle nur unsere Perspektive, über die wir die Welt wahrnehmen. Nur ein Herrgott oder ein Beton-Materialist im Geist des 19. Jahrhunderts hätte also einen objektive Sicht auf die Welt, diese etwas überzeichnete Zuspitzung des Gedankens legt die Argumentation nahe.

Wofür das alles wichtig ist? Für die Tierethik zum Beispiel. Es ist das Bewusstsein in seiner Subjektivität, von dem wir annehmen, dass auch Tiere über es verfügen, das sie vermutlich auch leiden oder glücklich sein lässt. Weshalb ihnen Rechte zustehen.

Thomas Nagel: "What Is It Like to Be a Bat?/ Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?", Englisch/Deutsch, Übersetzt und herausgegeben von Ulrich Diehl, Reclam Stuttgart 2016, 72 S, 5 Euro