DEIDESHEIM. (hpd) "Hasspredigt-Vorwurf gegen Algermissen: Fuldaer Bischof setzt sich zur Wehr", titelt die Fuldaer Zeitung gestern. Das ist sein gutes Recht und dringend erforderlich, nachdem er schwerwiegende Vorwürfe gegen sich hören musste, z.B. auch in diesem hpd-Artikel. Doch ist ihm dies gelungen? Unser Autor Bernd P. Kammermeier analysierte die "Gegendarstellung".
"Heinz-Josef Algermissen ein Hassprediger? Diesen Vorwurf erhebt ein Verband nach der Osterpredigt des Fuldaer Bischofs – diese sei volksverhetzend. Das Bistum Fulda möchte das so nicht stehen lassen." Diese Ankündigung leitet den Bericht ein, den eine Pressemitteilung des HVD ausgelöst hatte.
Die Onlinezeitung zitiert das Bistum Fulda: "Die Osterpredigt von Bischof Algermissen hatte keineswegs die Absicht, irgendjemanden zu diffamieren. Aus der Perspektive eines gläubigen Christen legt der Bischof dar, dass der Mensch nicht alles auf Erden um jeden Preis erreichen muss, wenn er die Hoffnung auf die Auferstehung hat. Aus der Lektüre des Textzusammenhangs der Predigt geht das auch ganz klar hervor". So weit wäre dies nachzuvollziehen. Die Predigt sollte sich also ausschließlich an Christen gewendet haben oder an Menschen, die die Hoffnung auf Auferstehung haben und sich damit im Wesentlichen begnügen. Ob diese Hoffnung nun zu Recht besteht oder lediglich ein geschickt inszenierter Trick ist, um bis heute Gläubige an sich zu binden, darf hier ungeprüft stehenbleiben. Das ist in der Tat Sache der Christen.
Doch wie geht es weiter? Die Erklärung des Bistums erläutert den Predigttext: "Wohin geht der Mensch, der sich von Gott verabschiedet hat?" Hier ist allerdings eindeutig der nichtchristliche, der ungläubige Mensch gemeint ("der Mensch, der sich von Gott verabschiedet hat") "Alles werde technisch produzierbar", so Fuldaerzeitung.de weiter, "am Ende gar der Mensch, der sich selbst produziere." Ja, liebes Bistum Fulda, das tun Menschen, seit es Menschen gibt – bis auf katholische Bischöfe. Ein "göttlicher" Funke ist jedenfalls nicht erforderlich, um einen Menschen zu zeugen. Und falls Eltern technische Hilfe brauchen, um sich einen Kinderwunsch zu erfüllen, dann ist dies genauso zulässig, wie die Nutzung einer Prothese, wenn ein Körperteil verlorengegangen ist. Wir sollten froh sein, dass es heute medizinisch-technische Hilfen gibt, wo man früher vergeblich auf Wunderheilungen hoffen musste.
Doch dann wird es richtig gemein: Algermissen beklage die Tendenz einer Gesellschaft, "nicht nur nach den Schwächen eines Menschen zu fahnden, sondern nach den Schwachen, um sie auszusondern." Die "göttliche" Schöpfung, an die Algermissen unstreitig glaubt, hat seit Anbeginn des Lebens auf der Erde die Schwachen ausgesondert. Weitaus mehr Lebewesen, als die, die eines natürlichen Todes sterben durften, wurden aufgrund vielfältiger Ursachen – ob als Embryos, Neugeborene, Jung- oder Alttiere – "ausgesondert": durch Fressfeinde, Krankheiten, Unfälle, Naturkatastrophen. Welche Unmengen an Fischlaich z.B. sind erforderlich, damit die Art erhalten bleibt – d.h. damit die Elterntiere durch Nachwuchs ersetzt werden? Wie viele Kinder mussten sich gerade in den christlichen Zeiten des Abendlandes durch den engen Geburtskanal zwängen, damit wenigstens zwei Fortpflanzungsfähige übrigblieben? Wie viele Fehlgeburten mussten Frauen erleiden? Falls ein "Gott" die Schöpfung so geplant habe, wie sie erkennbar verläuft, dann müsste das "Aussondern" zu den "göttlichen" Prinzipien gehören.
"Die Auswahl zwischen 'Wertvollen' und 'Unwerten' sei weit unter der Würde des Menschen", so das Bistum laut der Onlinezeitung weiter. "Gott allein garantiert die Würde der Schwachen ohne jedwede Bedingung." Da hier "Gott" als alleiniger Garant für den Umgang mit werdendem Leben genannt wird – was auch katholischer Vorstellung entspricht – müsste Algermissen ihn fragen, warum er denn billiardenfachen Tod im Tierreich (zu dem auch der Mensch gehört) zulässt, wenn ihm doch an der Würde der Schwachen ohne jedwede Bedingung gelegen sei. Deutet nicht die unglaubliche Verschwendung von Sperma und Eizellen, entstehendem und geborenem Leben eher darauf hin, dass es diesem "Gott" des Fuldaer Bischofs gar nicht um "die Würde der Schwachen" geht? Sondern im Gegenteil um eine möglichst wirkungsvolle Performance des Prinzips "Mutation und Selektion"?
Nicht genug damit. Jetzt läuft das Bistum Fulda zur Höchstform auf. Die Onlinezeitung schrieb weiter: "Die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten sei 'unsere Perspektive und Zukunft'." Wer ist hier gemeint? Ich nehme mal zugunsten des Bistums an, dass damit ausschließlich Christen gemeint sind, denn diese "Perspektive und Zukunft" interessiert keinen einzigen Ungläubigen. Und selbst die monotheistischen Religionen sind sich völlig uneins, was nun genau im Jenseits und mit den Knochen Verstorbener geschieht. Von den nichtmonotheistischen Religionen ganz zu schweigen.
Der letzte Satz des Artikels lässt allerdings erneut wenig Interpretationsspielraum: "Der Glaube an die Auferstehung Jesu Christi von den Toten sei das kostbarste den Menschen anvertraute Gut." Im Begriff "den Menschen" lese ich die Gesamtheit der Menschheit – schließlich ist der Auftrag der römischen Kirche in ihren diversen Aufsplitterungen die Heidenmission. Sprich: Alle Menschen sollen eines Tages die Auferstehung Jesu anerkennen. Wer dies nicht tut, wird sowieso bis in alle Ewigkeit verdammt.
Dies finde ich im höchsten Maße beleidigend – für den menschlichen Verstand, der solchen Unsinn glaubt und für alle Menschen, die mit solchen antiken Zaubertricks nichts zu tun haben wollen. Völlig ungeachtet der ethischen Verwerfungen, die das hinter der Kreuzigung stehende Menschenopfer produziert. Ein "Gott", der nur milde gestimmt werden kann, wenn ihm ein Mensch – auch noch sein eigener "Sohn" – geopfert wird, erinnert an die blutigsten Rituale z.B. der Maya oder Azteken. Letztere praktizierten auch zu Ehren ihres Gottes Huizilpochtli Kannibalismus, der uns symbolisch in der katholischen Eucharistie begegnet, wenn nach der Konsekration Menschenfleisch gegessen und Menschenblut getrunken wird.
Diese unglaubwürdige und in ihrer ethischen Aussage furchtbare Überlieferung des frühen Christentums "sei das kostbarste den Menschen anvertraute Gut"? Nicht moderne Demokratie, nicht moderne Rechtsphilosophie, nicht moderne Psychologie, Medizin oder schlicht unsere stetig wachsende Erkenntnis vom Aufbau des Universums sind das kostbarste Gut des Menschen, sondern der Glaube an ein grauenhaftes Menschenopfer, in das Theologen eine unsinnige Bedeutung hineininterpretiert haben? Und dies mit maximaler Verallgemeinerung für "den Menschen"?
Nein, liebes Bistum Fulda, den Vorwurf des HVD habt ihr mitnichten entkräftet, zumal ihr auf den Hauptpunkt des HVD gar nicht eingegangen seid – den Menschen als Sicherheitsrisiko für seine Umwelt. Im Gegenteil, ihr habt es verschlimmbessert und noch einen auf die Hasspredigt Bischof Algermissens draufgesetzt. Ich als gottlos glückliche Person fühle mich dadurch zutiefst beleidigt, den Glauben an ein antikes Menschenopfer als "höchstes Gut" ansehen zu sollen. Ich lehne die Todesstrafe in jedweder Form ab, sogar dann, wenn es den Heiland betrifft.
15 Kommentare
Kommentare
Andrea Diederich am Permanenter Link
Na toll. Der christliche Auferstehungsglaube als Ersatz für Ver
änderungen hier im Dieseits. Von dieser
Ideologie haben Reichen und Mächtigen
schon immer ihre Vorteile gezogen.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Wie grenzenlos überheblich muss man eigentlich sein, um diese Aussage
nicht als Beleidigung aller "Ungläubigen" zu sehen ?
Es ist dies doch geradezu eine Aufforderung an die Sicherheitsbehörden,
Menschen ohne Auferstehungsglauben unter Generalverdacht zu stellen.
Ist das noch Überheblichkeit ? Oder ist es Heimtücke zu nennen ?
Da die Juden inzwischen als Sündenböcke für das Theodizee-Problem
ausfallen - jedenfalls im Mainstream der christlichen Kirchen - bleiben nur noch die Ungläubigen, die Gottlosen, die Atheisten.
Oder um nocheinmal Ratzinger zu zitieren: "Humanität ohne Gott ist inhuman". Das ist genau der "Heilige Geist", von dem auch die Aussagen
von Algermissen durchweht sind.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Das Sicherheitsrisiko sind Hassprediger jedweder Färbung.
Wolfgang am Permanenter Link
Ich fürchte keinen Gott, Jesus und einen Teufel. Ich fürchte aber diejenigen, die an so einen Mist glauben, denn jene sind zu allem fähig. Oder ist die Kriminalgeschichte des Christentums von Liebe und Moral geprägt?
Der größte Feind des Menschen bleibt das Christentum, weil die gefährliche Dummheit dieser "Religion" auch noch zu allem Übel
staatlich geschützt und gestützt wird. Teufelnochmal!
David am Permanenter Link
"Der größte Feind des Menschen bleibt das Christentum,"
Ein objektiver Blick in die aktuelle Weltgeschichte reicht aus, um zu erkennen, dass diese Behauptung nicht korrekt ist.
Der Virus "Religion" basiert auf unterschiedlichen Keimzellen und tritt folglich in unterschiedlichen Ausprägungen auf. Die christliche Variante ist trotz diverser Symptome weitestgehend unter Kontrolle. Eine bestimmte andere, weitaus aggressivere, Variante ist es nicht. Im Gegenteil. Sie breitet sich aus.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Ich verstehe, was gesagt werden soll. Aber ich bin nicht der Meinung, dass die christliche Religiosität "unter Kontrolle" ist.
David am Permanenter Link
Nun, wenn die christliche Religiosität wie Sie sagen nicht unter Kontrolle ist, dann bedeutet das ganz logisch und zwangslaeufig, dass die islamische Religiosität mit all den facettenreichen Problemen, die sie weltwei
Ihrer Literaturempfehlung werde ich schon bald nachkommen.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Schwach, sehr schwach, liebes Bistum Fulda. Hier zeigt sich der ganze Niedergang der jesuitischen Dialektik und Rabulistik.
Lieber Bernd Kammermeier, danke für den Artikel. Er wäre ja der Mühe gar nicht wert gewesen. Mein Fazit: Der Stein des Anstoßes, die massive Herabwürdigung, ja Beleidigung nichtgläubiger Menschen in der Osterpredigt von Bischof A. bleibt im Raum, eindeutig, unwiderlegt und letztlich sogar unwidersprochen von seinen Apologeten.
Wenn atheistische Humanisten ähnlich zu Fanatismus neigen würden wie manche Anhänger religiöser Bekenntnisse, hätte sich sogar eine Gefährdung des öffentlichen Friedens ergeben können... und dann? § 166 gegen Bischof A.?
Stefan Dewald am Permanenter Link
»dass der Mensch nicht alles auf Erden um jeden Preis erreichen muss, wenn er die Hoffnung auf die Auferstehung hat.« Aus welcher Weihnachtsfeldpost an die Ostfront 1940 kenne ich bloß diese Formulierung?
David am Permanenter Link
Gab es 1940 schon eine Ostfront?
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Ja, der Überfall der Wehrmacht auf Polen begann am 01.09.1939 und das lag damals wie heute östlich von Deutschland.
David am Permanenter Link
Anfang Oktober 1939 war der Polenfeldzug bereits abgeschlossen und die nächste militärische Operation an der Ostgrenze begann erst 1941. Folglich gab es 1940 keine "Ostfront".
Schwabe am Permanenter Link
Danke, Herr Kammermeier, für Ihre Darstellung der Osterpredigt des Herrn Algermissen und die Reaktion seines Bistums.
Freundlichen Gruss R. Dieringer
Dieter Bauer am Permanenter Link
Verklagt man den Teufel bei seiner Großmutter, so darf man keine ernst zu nehmende Reaktion erwarten, die, egal wie sie ausfällt, in den Müll gehört.
Seligpreisungen könnten auch uminterpretiert werden mit den Worten < selig sind die Bekloppen, denn sie brauchen keinen Hammer mehr >.
Martin Weidner am Permanenter Link
Was wird eigentlich kritisiert?
Gegen die Aussonderung der Schwachen: Auch hier bestätigt der Kommentar, dass man die Tötung Behinderter im Embryo-Stadium anders ansieht, wenn man nicht glaubt. Was ist schlimm, wenn man in dieser ethischen Frage anderer Meinung ist? Und weder Theodizee-Fragen noch die Formel Gott = Natur, die das Bistum sicher nicht vertritt (also mal wieder einen Unterstellung) sind in diesem Kontext ein überzeugendes Argument.
Und was ist schlimm daran, wenn ein Bistum sich zur Auferstehung als Zukunftsperspektive bekennt? Diese Hoffnung ist die Grundlage der tätigen Liebe. Man lese das Buch "10 Milliarden", das ohne Hoffnung und deshalb ohne Menschlichkeit aufhört. Dass Christen ihre Hoffnung deshalb über alles stellen, mag für andere verschroben sein, aber ist es etwas Schlimmes? Niemand wird beleidigt, das bildet sich der Autor nur ein. Wenn Christen nur Hoffnung für sich hätten und nicht auch für den Rest der Welt - das könnte man kritisieren. Dann wäre hier auf hpd aber was los! Aber wenn das Gegenteil gesagt wird, ist es auch wieder verkehrt, also: Christen können sagen, was sie wollen, es ist auf jeden Fall beleidigend oder sonst was Schlimmes, Aber dass die Hoffnung keine Grenzen kennt - das ist doch begrüßungswert, zumindest nichts Schlimmes.
Und der Kommentar schließt mit einem Hieb auf den Glauben an den Gekreuzigten. Dabei geht er davon aus, dass Gott durch ein Opfer milde gestimmt werden muss . was so nirgends im NT steht. Ein falsch verstandenes Opferverständnis ist alles, was der Kommentar aufzubieten hat.
Der Kommentar besteht also nur aus Unterstellungen und Falschaussagen und der Empörung, dass jemand andere ethische Auffassungen hat als man selber. Das ist dann eine Beleidigung.
Fazit: Das Bistum hat den Fehler gemacht, an Gott zu glauben und andere ethische Ansichten als der Autor zu haben.
Wer dies als Beleidigung ansieht, offengart ein Ausmaß an Intoleranz, das ich in Deutschland kaum für möglich gehalten habe. Der Kommentar ist unsachlich und besteht nur aus Hetze. Schlimm ist, dass das hier niemand bemerkt und alle ihren Verstand abschalten und etwas nachplappern bzw. dem unkritisch applaudieren, was eigentlich gegen Prinzipien des Humanismus steht.
Es ist nur mit einem ideologischen Schwarz-weiß-Denken zu erklären, das alles Religiöse verdammt.