Gottesbezug in Landesverfassung

FDP-Vorschlag ist unverständlich und historisch falsch

BERLIN. (hpd) Im nördlichsten Bundesland wird noch immer darum gestritten, "Gott" in die Verfassung einzutragen. Jetzt hat sich die FDP mit einem erstaunlich geschichtsvergessenen Vorschlag zu Wort gemeldet.

Die FDP möchte statt eines expliziten Gottesbezugs die Worte "schöpfend aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas" in die Landesverfassung aufnehmen lassen. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde eingereicht.

Dr. Patrick Breyer von der Piratenfraktion meint dazu: "Der Bandwurmsatz der FDP würde unsere Verfassung gleich zu Beginn unverständlich und nicht nachvollziehbar machen. Dass sich Menschenrechte aus dem religiösen Erbe entwickelt hätten, ist historisch falsch – es ist vielmehr umgekehrt: Die Freiheitsrechte mussten im Zuge der Aufklärung gegen die Kirchen erkämpft werden."

Die FDP hatte angekündigt, eine Formulierung aus der EU-Grundrechtecharta zu entleihen. Das ist allerdings nicht gelungen, sondern wurde "vermurkst".

Dr. Breyer betont: "Glaube ist Privatsache und hat in einer staatlichen Verfassung nichts zu suchen. Die eindeutige Trennung von Staat und Religion ist der Grundstein für eine weltoffene und vielfältige Gesellschaft." Generell sei die Piratenpartei der Überzeugung, dass der Landtag den Bürgern Verfassungsänderungen nicht überstülpen sollte.

"Änderungen sollten durch eine Volksabstimmung stattfinden. Den Mut, Bürger über Verfassungsänderungen abstimmen zu lassen, hat aber offensichtlich außer uns keine der im Landtag vertretenen Parteien."

Menschenrechte dienen der Befreiung aus staatlich-religiöser Bevormundung

Der FDP-Abgeordnete Dr. Klug verteidigt den von der FDP angestoßenen Entwurf einer neuen Präambel für die Landesverfassung gegen Kritik der Piratenfraktion. Darauf antwortete der Abgeordnete Dr. Patrick Breyer: "Wohlweislich äußert sich die FDP nicht dazu, dass ihr Textvorschlag für unsere Verfassung auf dem Flesch-Index für Lesbarkeit bei dem unterirdischen Wert von -96 landet. Auch das zeigt: Für den Normalbürger ist der vorgeschlagene Bandwurmsatz unverständlich.

Unter Bürgernähe versteht die FDP offenbar auch, ausgerechnet aus dem in Volksabstimmungen abgelehnten EU-Verfassungsvertrag abschreiben zu wollen.

Dass sich Menschenrechte und Freiheit aus dem europäischen Erbe entwickelt hätten, ist überheblich und anmaßend. Dass die Menschenrechte gar unserer religiösen Vergangenheit entsprungen seien, ist historisch falsch. Gerade einem promovierten Historiker sollte das klar sein."

Das moderne Menschenrechtsverständnis hat, wie unsere Demokratie, antike Grundlagen. Im Mittelalter wurden diese Ideen aus religiöser Sicht anders ausgelegt: Menschenwürde und Menschenrechte wurden im Christentum etwa nur Gläubigen zuerkannt. Dass die Autoren der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung religiös geprägt waren, macht Religion nicht zur Wurzel der Menschenrechte.

"Das Zeitalter der Aufklärung und die damals festgeschriebenen Menschenrechte hatten insbesondere die Befreiung des Individuums aus staatlich-religiöser Bevormundung zum Ziel. Die kirchlichen Würdenträger dieser Zeit bekämpften die Menschenrechtskataloge erbittert als Ausgeburt des Individualismus und Rationalismus."

Breyer wies zudem darauf hin, dass die christliche Kirchen lange Zeit Sklaverei und Folter unterstützte, die Inquisition praktizierte, Nichtgläubige ("Heiden") verfolgte, Juden diskriminierte, die Kolonialisierung rechtfertigte und Diktaturen unterstützte. "Bis heute lassen Kirchen in der eigenen Institution Menschenrechte nicht vollumfänglich gelten."