Sang- und klanglos wollten Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Forschungsministerin Johanna Wanka sogenannte gruppen- bzw. rein fremdnützige Forschung an Demenzkranken zukünftig erlauben. Unter der Bedingung, dass die Betroffenen in einer vorsorglichen Verfügung zugestimmt haben. Jahre vorher, ohne wissen, welche Eingriffe dann überhaupt damit verbunden sein werden. Doch die Initiatoren und Befürworter der Neuregelung sind massiv in die Defensive geraten. Die für Juli geplante Abstimmung wurde auf den Herbst verschoben. Es müssen bohrende Fragen beantwortet werden.
Es beginnt mit einem Skandal und politischem Eklat im Vorfeld der Gesetzesnovelle. Diese betrifft eigentlich ganz unspektakulär arzneimittelrechtlichen und andere Vorschriften (AMG), wobei es etwa um Heilmittelwerbung oder Medikamentenchargen geht. Die brisante Änderung bestand dann lediglich aus einem Satz. Gröhe und Wanka hielten es nicht für erforderlich, die Abgeordneten darüber zu informieren, dass in die AMG-Neufassung noch ein solcher zur Forschung an Demenzkranken eingefügt worden war. Die Bundesregierung wollte die neue Möglichkeit für Arzneimitteltests so reibungs- und geräuschlos wie möglich durch das Parlament bringen. Nicht ohne Grund, denn es musste klar sein, dass eine losgetretene Debatte über medizinische Tests an Hilflosen erhebliche Widerstände und Verzögerungen mit sich bringen würde.
Später Aufschrei
Der Aufschrei kam dann auch – von den Kirchen und Behindertenverbänden und zuletzt von immer mehr Parlamentarier/innen. Sie haben die Absicht der schwarz-roten Regierung im Frühsommer aufgegriffen, scharf kritisiert und erst öffentlich bekannt gemacht.
Bisher war es in Deutschland absoluter Konsens vor allem auf Grund der menschenverachtenden medizinischen Experimente der Nazizeit. Und es war noch 2013 im Bundestag einstimmig beschlossen worden: Bei Fragen rund um die medizinische Forschung an Patienten haben höchste Schutzstandards zu gelten. Konkret geht es jetzt um eine neue Konstellation, die als eine "gruppennützige klinische Prüfung an nicht-einwilligungsfähigen Erwachsenen" bezeichnet wird. Bisher ist in Deutschland die klinische Forschung an Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen allenfalls dann erlaubt, wenn die Probanden selbst unmittelbar einen Nutzen davon haben können. Nun aber geht man von gruppennützigen Forschung aus. Das heißt, dass klinische Prüfungen nicht dem teilnehmenden Patienten, sondern der Gruppe derjenigen, die auch an dem Grundleiden erkrankt sind, nutzen sollen – und zwar später einmal.
Die EU-Kommission hatte Deutschland ausdrücklich eingeräumt, dass hierzulande die Schutzstandards höher sein dürfen als das in anderen EU-Ländern der Fall ist. Gesundheitsminister Gröhe (CDU) wollte es zunächst auch bei der geltenden Gesetzeslage belassen. Doch auf Intervention von Forschungsministerin Wanka (CDU) ist es nun ausgerechnet er, der ohne Not eine Aufweichung der Schutzstandards bei Einwilligungsunfähigen gegen massiven kirchlichen Widerstand voran treiben will. Dabei machen Gröhe, Wanka und parlamentarische Unterstützer wie z.B. Karl Lauterbach (SPD) geltend, dass die Einwilligung der Betreffenden in Form einer besonderen Patientenverfügung vorliegen müsse, solange sie noch voll willensfähig sind.
Läuft die Kritik der Kirchen wieder ins Leere?
Der katholische Ethiker Prof. Andreas Lob-Hüdepohl hält eine solche Vorausverfügung hingegen für eine Illusion, wie er bei einer jüngsten Anhörung ausführte. Denn wesentliche Einzelheiten der Forschung seien zum Zeitpunkt der Abfassung nicht bekannt und als Gesunder könne man sich eh nicht in den späteren Bewusstseinszustand eines Demenzkranken hineinversetzen. Es bestehe die Gefahr, dass wehrlose und vulnerable Menschen zum Zwecke anderer instrumentalisiert und ihrer Würde im kantschen Sinne damit beraubt werden. Kritiker der Novelle befürchten zudem, dass die Lockerung für nicht-eigennützige Arztneimitteltests an Einwilligungsunfähigen nur ein Türöffner wäre für eine ethisch nicht mehr zu bremsende, aus dem Ruder laufende Forschung am Menschen.
Nun sind Lebensschutz- und Dammbruchargumente der Gegner von Suizidhilfe und von Patientenverfügungen für den Demenzfall allzu gekannt. In der Regel laufen sie ins Leere. Aber hier verhält es sich anders und sie haben weitgehend Recht mit ihrer Kritik der Sache selbst. Bei einer Berliner Veranstaltung des Humanistischen Verbandes im September 2016 wurde zudem deutlich, dass für die Einwilligung zur Teilnahme an fremdnütziger Forschung die Patientenverfügung sicher nicht das richtige Instrument ist. Schon die Festlegungen zum Behandlungsverzicht bei einer Alzheimer-Erkrankung stoßen auf Schwierigkeiten und sind nur durch umfassenden Aufklärung und Reflexion verbindlich zu gewährleisten.
Instrumentalisierung der vorsorglichen Selbstbestimmung
Im Vorfeld kann niemand die zukünftigen Patienten darüber aufklären, worum es bei dann ja erst noch zu planenden Tests gehen wird. Die Forschung steht noch ganz am Anfang. Sollen Tabletten verabreicht, Blut abgenommen, Spritzen gesetzt oder Computertomographie durchgeführt werden - gar mit dann später nötiger Fixierung? Wie lange soll das Ganze gehen müssen, mit welchen Risiken und Nebenwirkungen ist zu rechnen?
Es wird deutlich – allerdings anders als die Kirchen vorgeben -, eine Instrumentalisierung des vorsorglich ausgeübten Selbstbestimmungsrechtes vorliegt: Staatlicherseits je nach dem, ob die Intention der Selbstbestimmung genehm und umworben ist oder ob sie umgekehrt als unerwünscht gilt. Dabei schützt eine Patientenverfügung, die auch den Demenzfall einbezieht, u.a. vor um sich greifende Übertherapie und sinnlosen Eingriffen im Bereich der Intensivmedizin, die vom Betroffenen als qualvoll erlebt werden. Ganz anders verhält es sich im Fall der Zustimmung zu Forschungseingriffen. Die Gemeinsamkeit besteht nur darin, dass ebenfalls bis zum Zeitpunkt ihrer Geltendmachung viele Jahre vergehen können (genau wie es auch für eine – unerwünschte – Patientenverfügung mit Sterbewunsch bei Demenz gilt und auf der anderen Seite für die – genehme, umworbene – Zustimmung zur Organspende).
Sicher werden sich kaum Menschen finden lassen, die hier ihre vorsorgliche Zustimmung zu Experimenten mit ihnen erteilen. Mit gutem Grund, denn es besteht die Gefahr, dass sie damit in Situationen kommen, wie sie es auch bei klarem Verstand niemals gewollt hätten. Insofern ist den Kritikern der Gesetzesnovelle Recht zu geben.
Zweierlei Maß bei freiwilligem und altruistischem Verzicht
Doch die Befürworter sehen es anders. Als anerkennenswertes altruistische Motiv soll der freiwillige Verzicht auf den Schutz vor fremdnütziger Forschung gelten - ebenso wie man ja von einer Organspende selbst nicht profitiert, sondern dafür den Verzicht auf ein friedliches Sterben in Kauf nimmt. Als verwerflich gilt hingegen der freiwillige Verzicht etwa auf Nahrung und auch Flüssigkeit in suizidaler Absicht – zumindest darf die Gelegenheit dazu laut § 217 StGB nicht mehr verschafft oder gewährt werden bei bis zu dreijähriger Strafandrohung.
Auch soll niemand erklären, bei intensiver Dauerpflegebedürftigkeit oder schwerer Demenz seinen Angehörigen nicht mehr zur Last fallen zu wollen. Dann wird er automatisch zum Paradebeispiel dafür, dass ein Druck zur Selbstentsorgung in unserer gottlos-amoralischen Gesellschaft ausgeübt wird, dem unbedingt mit Verboten entgegenzuwirken ist. Selbstverständlich dürfen in einer werteorientierten Zivilgesellschaft nicht zu hohe Kosten für eine Entscheidung zum Tod ausschlaggebend sein. Aber was ist, wenn jemand gut informiert verfügt: "Ich möchte auch nicht, dass meine Kinder in Armut leben und unser Eigenheim als Erbe verlorengeht, weil man mich jahrelang bei aussichtsloser Prognose gegen meinen Willen intensivpflegt. Realistischerweise liegen die Kosten bei 5.500 Euro im Monat, wobei eine monatliche zu zahlende Lücke von über 3.000 Euro übrig bleibt." Dieser Altruismus gilt als verwerflich. So soll man in einer religiös geprägten, fürsorglichen Gesellschaft erst gar nicht denken dürfen – schon wird der böse Pauschalverdacht von geldgierigen Familenangehörigen und einem nur noch egoistischen Umfeld genährt, wovor die hilflosen Betroffenen staatlicherseits zu schützen seien.
Diese Überlegungen gehen in der Gesetzesdebatte vermutlich zu weit und zu tief. Im Parlament wird man allerdings fragen müssen, ob und in wessen Interesse die umstrittene Forschung nötig sei und mit welchem überragenden Nutzen für das Gemeinwohl sich die Aufweichung für Einwilligungsunfähige rechtfertigen läßt.
Was sagt die Forschung – eine völlig unnötige Gesetzesnovelle?
Wissenschaftler wie der Frankfurter Gerontologe und Demenzforscher Johannes Pantel sehen gar keine Notwendigkeit für eine Gesetzesänderung. Durch eine Beibehaltung des aktuellen Schutzniveaus werde die Forschung nicht behindert oder gar verhindert. In einem Interview mit der Ärzte Zeitung vom 17.10.2016 führt Prof. Pantel aus: Er kann sich keine entsprechende klinische Studie vorstellen, die zu wesentlichen Fortschritten führt und ausschließlich mit einer solchen Gesetzesänderung möglich wäre. An Studien z. B. mit Mitteln gegen Amyloidablagerungen im Gehirn eines Alzheimerpatienten könnten jene im fortgeschrittenen Stadium zwar tatsächlich nicht teilnehmen – aber das wäre auch gar nicht nötig. Sie kämen bei dieser Arzneimittelforschung eh kaum in Frage, denn – so Pantel – niemand glaube, dass bei einem schon sehr schwer geschädigten Gehirn noch Regenerationsprozesse in Gang kommen. "Die Musik spielt hier bei Patienten mit leichter Demenz oder solchen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen. Und diese Forschung ist mit den geltenden Vorschriften problemlos möglich", führt Pantel aus.
Universitätsstudien ohne Sinn und Nutzen?
Anders als man es von dieser Lobby meinen könnte, zeigt sich die pharmazeutische Industrie nicht an der Gesetzesänderung interessiert. Denn sie führt fast nur Studien an Patienten in leichten Stadien oder mit Prädemenz durch. Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VfA) ließ jedenfalls mitteilen, dass die Konzerne "für ihre Entwicklungsarbeit keine Gesetzesänderung" benötigten. Wer sich nichtsdestotrotz für den umstrittenen Passus in der AMG-Novelle stark macht, sind akademische Verbände wie der Medizinische Fakultätentag und der Verband der Universitätsklinika Deutschlands. Sie weisen – wie Forschungsministerin Wanke - auf die Gefahr hin, die entsprechende Forschung könne ansonsten in Deutschland ins Hintertreffen geraten. Diese sei, so betonte etwa die Berliner Charité, "zwingend erforderlich".
Der Zufall will es, dass in der Ärztezeitung vom 17.10. mit dem Interview mit Pantel unabhängig davon ein anderes Problem darstellt wird unter der Überschrift: "Weshalb Universitäten so viele klinische Studien in den Sand setzen - vergeudete Ressourcen, verbrannte Idee". Als Erklärung wird angeführt: "Ein lausiges Design mit zu kurzer Dauer und zu wenigen Patienten – diese Kombination findet man nicht selten bei Uni-Studien. Kein Wunder, dass die Resultate oft nicht zu gebrauchen sind. Schade um Geld und Hirnschmalz." Als Beispiel wird eine sog. Multicenterstudie mit einem vielversprechenden Ansatz anführt: Untersucht werden sollte, ob mit einer relativ simplen Therapie der Krankheitsverlauf (Nervenschädigung) bei fortschreitender Multipler Sklerose (MS) gebremst werden kann. Im Beitrag der Ärztezeitung heißt es dann: "Um die Frage zu klären, starteten die Forscher eine zweijährige Studie mit sage und schreibe 150 Patienten. Jeder MS-Experte müsste bei diesem Design die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Viele eigentlich gute Ideen werden durch schlecht gemachte Studien zu Nichte gemacht." Ob das erprobte Mittel nur zufällig etwas besser war als das Placebo, musste nämlich aufgrund nicht erreichter statistische Signifikanz wissenschaftlich unbeantwortet bleiben.
Beim Kampf um mehr Probanten alle Mittel recht?
Es besteht also für die Forschung ein bedrohlicher Mangel an Probanden. Für eine vernünftige Studie braucht es aber eine große Zahl. Schon nach geltendem Recht - mit positiven Auswirkungen auch für Studienteilnehmer/innen selbst - ist es schwierig, solche zu gewinnen. Zumal auch Angehörigen diese verständlicherweise schützen wollen und bohrende Fragen gestellt werden. Wie aber sieht Pantel das Problem, welches sich ihm doch auch bei bereits leicht Dementen oder geistig eingeschränkten Patienten stellen dürfte. Pantel räumt ein, dass auch "seine" nur leicht Demenzkranken mit einer Aufklärung, wie sie üblicherweise für Studien erfolgt, natürlich schnell überfordert sind und dann als nicht einwilligungsfähig gelten. Es fällt ja schon Patienten ohne geistige Einschränkung schwer, die umfangreichen Informationen in komplizierte Sprache zu verstehen. Doch da scheint Pantel seine eigene Methode zur ärztlichen Aufklärung entwickelt zu haben: Durch bestimmte Maßnahmen, so der Demenzforscher, lasse "sich jedoch auch bei Demenzkranken noch eine informierte Einwilligung erzielen. Unsere Arbeitsgruppe ist an einem europäischen Forschungsprojekt beteiligt, bei dem es um die Entwicklung und Bewertung von solchen Methoden geht. Wir sprechen hier von enhanced consent procedures".
Durch Ausschöpfen noch vorhandener Ressourcen würde es dabei auch Demenzkranken ermöglicht, selbstbestimmt einzuwilligen. Ach so - wie gut und beruhigend, dass dabei ein subtiles Druckausüben oder fremdnütziges Beeinflussen, wie es bei der Förderung zur Suizidhilfe staatlicherseits unterstellt und bestraft wird, ausgeschlossen ist. Oder sollte am Ende der Ansatz der SPD-Politikerin Hilde Mattheis der redlichere oder zumindest aufrichtigere sein? Sie verneint, dass die Einwilligung für eine gruppennützige Forschung nur dann gegeben werden könnte, wenn eine ärztlicher Aufklärung vorausgegangen ist.
Fazit: Bohrende Fragen
Die Kernfragen lauten: Um welche Art von Medikamentenstudien kann es sich eigentlich handeln, die gar keinen, also offenbar auch keinen nur potentiellen Nutzen unmittelbar für die Probanten haben? Wessen finanzielle Interessen sind im Spiel? Wie kann verhindert werden, dass es sich um Forschung um ihrer selbst willen handelt, nur im Universitäts- und Karriereinteresse, zudem unter "lausigen" Bedingungen ohne Aussicht auf Nutzwert? Und wieso sollten Menschen uneigennütziges Teilnahmeverhalten zeigen, wenn ihnen auf der anderen Seite beim selbstbestimmten Sterben jeder Altruismus als verwerflich angekreidet wird? Und wenn sie sogar mittels Strafrecht vor einer angeblich aufgenötigten Inanspruchnahme von gewünschter Suizidhilfe geschützt werden?
17 Kommentare
Kommentare
agender am Permanenter Link
GENAU!
Noch ein Gesetz gegen jede denkbare Form von Selbstbestimmung, weil´s mit dem 217 so schön geklappt hat!
Höchste Zeit dass wir (potentiellen Opfer eines solchen "Lebens") uns wehren!!!
little Louis am Permanenter Link
Ich sehe überhaupt nicht ein, mit welchem Recht mir jemand verbieten können soll, dass ich mich aus altruistischen Motiven (meine Nachfahren betreffend) selbs töte.
Schließlich hat das jüngste ARD-Spektakel offenbart, dass es mehr als zwei Drittel der Zuschauer für völlig ethisch korrekt zulässig halten, dass gesunde Menschen selbst ohne ihre Zustimmung geopfert werden dürfen, um eine größere Zahl anderer Menschen zu retten. Und das selbst dann wenn ein solches Verfahren eindeutig und unstrittig gegen die Verfassung
verstößt.
Die obige Kritik gibt (Frau Neumann ?) gibt fast eins zu eins die Position der hiesigen Protestanten (oder gar der EKD?) wider.
Und ich hoffe nicht ,dass diese Klientel sich hier mit dem Deckmantel irgendeiner Art von Humanismus tarnt.
Gregor am Permanenter Link
Evtl.
Gerne kann am Schluss einer Schrift nach Darlegung aller Vorgänge, Fakten sowie Pro & Contra eine andere Folgerung stehen als ich evtl. selbst gezogen hätte, aber wenn ein Artikel schon als einseitige Stimmungsmache anfängt, ist er wohl nur für die Leser geeignet, die bereits vor dem Lesen zu der gleichen Meinung neigen und die sich darin nur noch einmal bestärken lassen wollen (so zumindest mein Eindruck)... :-(
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Gregor!
Dass Kirchen, die CDU/CSU und Lebensschutzbewegungen der Bevölkerung hinterhältig und schädlich ihren Willen aufzwingen wollen, wird hier in fast jedem politischen Beitrag und in 90% der Kommentare vorausgesetzt (der vorliegende Artikel sowie die Artikel von Herrn Riehle sind löbliche Ausnahmen).
Warum sollte es also in diesem Beitrag anders sein?
Horst Groschopp am Permanenter Link
Ach, du lieber Gott (um gleich zu provozieren), was ist denn eine „eine eindeutige weltanschauliche Ausrichtung“, noch dazu eine, die v.a. „gegen“ ist?
Was Herr Gregor hier feststellt, kann ich übrigens nicht sehen, denn der Artikel beginnt mit einer Art Kriminalstory, wie ein Vorgang bekannt wurde, der geheim bleiben sollte.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Herr Groschopp!
"Eine eindeutige weltanschauliche Ausrichtung" heißt, dass im hpd nicht jede Weltanschuung gleichwertig ist. Das will der hpd ja auch wohl kaum von sich selbst behaupten.
Kommentieren hingegen kann hier jeder. Das ist schön demokratisch. Da mehrheitlich Humanisten posten, sind aber auch hier Tendenzen erkennbar.
Das ist ja auch gar nicht anrüchig. Kath-net hat auch eine eindeutige weltanschauliche Ausrichtung, von kreuz-net ganz zu schweigen.
Was Bildung betrifft, haben Sie recht, das hätte ich noch in meine Aufzählung aufnehmen sollen.
Barmherzigkeit habe ich beim hpd weitgehend vermisst. Aber da Sie mir wahrscheinlich über "meine" Katholische Kirche ganz ähnliches sagen könnten, und das auch noch recht gut belegt, will ich lieber nicht anfangen zu streiten.
Dass der Neumann-Artikel nach Bündnispartern sucht (punktuell) und dabei auch vor Kirchen nicht zurückschreckt, habe ich erfreut gelesen und in meinem vorigen Posting auch positiv vermerkt.
Alles Liebe!
Norbert
Horst Groschopp am Permanenter Link
Nur eine kurze Anmerkung zum Verfahren beim hpd.
g.neumann am Permanenter Link
O.K. hier nochmal das reine Faktum, dessen einseitige Darstellung Ihnen gleich zu Beginn schon die Lust zum Weiterlesen vergällt hat:
Im Referentenentwurf der AMG-Novelle war die strittige Formulierung im Paragrafen 40 b noch nicht enthalten. Im Gegenteil: Ausdrücklich wurde darin auf eine Entschließung des Bundestags vom Januar 2013 verwiesen. Darin hatte der Bundestag mit den Stimmen aller Fraktionen betont, bei der EU-weiten Harmonisierung der Anforderungen für klinische Prüfungen müsse ein möglicher "direkter, individueller Nutzen" für nicht-einwilligungfähige erwachsene Studienteilnehmer gegeben sein.
Im Kabinettsentwurf der AMG-Novelle tauchte dann plötzlich und ohne Information der Parlamentarier die Möglichkeit fremdnütziger Forschung auf – verbunden mit der Auflage, dass der Betreffende die Teilnahme zuvor in einer Patientenverfügung erlaubt haben muss. Eine Begründung, warum dies alles auf einmal (und gegen den vorgenannten fraktionsübergreifenden Beschluss) als nötig erachtet wird, erhält der Entwurf nicht.
So, nun können Sie dieses Faktum ja nach eigenem Gutdünken bewerten.
M.f.G. Gita Neumann
g.neumann am Permanenter Link
Eine ausdrücklich „unideologisch“ argumentierende Stellungnahme, wie von Gregor erwünscht, findet sich hier: http://www.deutschlandradiokultur.de/arzneimitteltests-wissenschaftler-fordert-mehr-spielraum
Ich argumentiere hingegen „parteiisch“ aus Patientenrechte-Sicht. Da haben wir in den letzten Jahren etablieren könne, dass es vor jedem körperlichen Eingriff eine medizinische Aufklärung geben muss.
Ich argumentiere, little Louis, nicht – verkappt – aus kirchlicher Sicht eines drohenden Dammbruchs. Im Gegenteil: Das Messen mit zweierlei Maß bei der Patientenselbstbestimmung – je nach dem ob sie gerade ins eigene Konzept passt oder nicht – ist unerträglich.
Aber welches Forschungsziel der "Rettung" soll es denn sein, dass wir mit fortgeschrittener Demenz noch ein paar Jahre länger leben können?
Die Wissenschaft geht ja heute davon aus, dass erste Anzeichen sich im Gehirn schon viele Jahre vor Ausbruch einer Alzheimererkrankung bemerkbar machen. Sinnvoll erscheinen doch Forschungsansätze zur Diagnostik und Therapie im Vor- und Frühstadium. Dazu dürften sich auch hinreichend viele noch einwilligungsfähige und ansprechbare Probanden finden. Ideal und konsequent wäre es aus meiner Sicht, wenn ihnen dabei auch die humane Möglichkeit eines freiwilligen Ausscheidens aus dem Leben nicht verschlossen würde.
Gita Neumann
(Humanistischer Verband Deutschlands, LV-Berlin-Brandenburg)
Horst Groschopp am Permanenter Link
Der Herr Little Louis sieht immer wieder Deckmäntel und darunter kirchliches Dunkelmännertum hervorlugen, das es zu entlarven gilt. Das blockt jede ernstliche Diskussion.
little Louis am Permanenter Link
Offenbar beschränkt sich der Herr Horst Groschpopp jetzt auch auf eine rein strategische Denkweise oder wenigstens eine solche Argumentation.
Er tritt in anderen Zusammenhängen sogar dafür ein, dass man zur "Bekämpfung" eines von ihm als zutiefst antimuman empfundenen Raubtierkapitalismus sogar mit seinen Rechts- oder Nationalkoservativen Gegnern partiell zusammenarbeiten solle.
Manche von diesen hält er sogar für berechenbarer, als einige (pseudo-) Linksprotestanten aus dem karikativen Bereich, die unter linker oder halblinker Flagge fahren, letzlich hinter den Kulissen aber eine ansonsten recht konservative Agenda fahren, die sich kaum von liberaleren Vatikanchristen oder Realogrünen unterscheidet.
Der Herr little Louis hatte neulich persönliche Erfahrung mit einer solchen Bundestagsabgeordneten gemacht, die auf einer öffentlichen Veranstaltung offen erklärte, sie würde wegen ihrer protestantischen Vita alle Zuschriften die FÜR die Zulassung von uneigennütziger Forschung an nicht mehr einwilligungsfähigen Personen einträten -
sofort in den Papierkorb wandern lassen. Davon weiß aber vermutlich die große Mehrheit ihrer wirklichen oder potentiellen Wähler nichts, da sie es in öffentlich medialen Verlautbarungen verschweigt, um den kirchenferneren Wähler nicht von vornherein zu verprellen.
Der Herr Groschopp scheint eine merkwürdige Aversion gegen Pseudonyme zu hegen, die mir völlig unverständlich ist. Denn man muss hier überhaupt nicht mit offenem Visier "kämpfen" weil ein Disput kein Kampf ist, und weil Pseudonyme für Argumente völlig durchlässig sind. Außer natürlich, man hat vor, jemanden direkt persönlich zu diskreditieren. Da sind Avatare naturlich hinderlich.
Wie so etwas geht ,erfahren wir täglich in den Medien, wo einzelne (bzw. ein einzelner ) Spitzenpolitiker gezielt mit der Höflichkeitsbezeichnung "Herr" diskreditiert werden, wogegen man anderen ,die einem genehmer sind , ohne das "Herr" betitelt.
Aber nichts für Ungut, HERR Groschopp. Ist geschenkt. (-:
Und nur nebenbei: Es ist immer noch niemand auf meine Argumentation von oben (für eine eventuelle Zulässigkeit fremdnütziger Forschung) eingegengen.
Es grüßt: HERR little Louis (-: (-:
g.neumann am Permanenter Link
Wenn es alles nur so einfach in weltanschauliche Kästchen zu stecken wäre ...
https://www.evangelisch.de/inhalte/139713/28-10-2016/evangelische-kirche-fuer-arzneistudien-mit-demenzkranken
Das können Sie ja besagter kirchentreuen Abgeordneten übermitteln.
Im Übrigen ist natürlich gar nichts dagegen zu sagen, wenn Sie sich im Falle einer schon ausgeprägten Demenz für Forschungsszwecke zur Verfügung stellen möchten. Aber ich trete natürlich für den aufgeklärten (und auch den späteren) Patienten ein. Man wird dann später mit nicht medzinisch indizierten Rückenmarkpunktionen oder zumindest Blutentnahmen o.ä. zu rechnen haben. Nur weiß der Demenzkranke im fortgeschrittenen Stadium dann gar nicht mehr wer was warum .... Und wird sich vermutlich zur Wehr setzen oder schreien oder wimmern. Schwierig, wie dann sein Wille/Wohl/ vorsorglich ausgeübtes Zustimmungsrecht zu bewerten sein wird.
M.f.G.
Gita Neumann
little Louis am Permanenter Link
Ich habe nie behauptet dass das ganz klares und leicht zu entscheidendes ethisches Problem sei. Es hat schon auch Züge von einem echten Dilemma.
Mir geht es vor allem um Konsistenz und Redlichkeit in der (ethischen) Diskussion.
Zudem wissen wir allle, dass es sehr vielen Kirchengläubigen bei solchen Dingen oft eher darum geht, dass man "dem Herrgott nicht ins Handwerk pfuschen" solle. Und wenn sie grünschwarz sind, ersetzen sie den Herrgott auch mal schnell durch "Mother Nature". Oft geht es dann nicht nur um das "Mitleiden", sondern ums eigene Seelenheil.
Die Abgeordnete lasse ich jetzt lieber in Ruhe, denn das weiß sie natürlich schon längst selbst. Ich hab schon (regional) medial reagiert. Sie ist voll im Wahlkampfmodus un jede Woche mehrmals in der Regionalzeitung mit Partei - und Hühnchenzüchterveranstaltungen.
Horst Groschopp am Permanenter Link
Man weiß ja nicht mehr, wo man/frau bei "aufklappen" sich geeigneterweise einträgt.
Was ich aber vor allem auf diesen hpd-Seiten nicht verstehe, ist zum einen die Empathie für alles Getier im Namen von Tierschutz und Veganismus, und zum andren der Kampf für Freiheit der Wissenschaft, wofür u.U. mein Selbstopfer, mein (unbewusster?) Schmerz in der Demenz "nötig" scheinen. Wovor ich Tiere schützen will, darf ich doch Menschen (auch mir selbst) nicht ethisch empfehlen.
little Louis am Permanenter Link
Hallo Herr Groschopp
Der nur namentlich getarnte "Herr" little Louis lenkt den Bumerang zurück zum Absender:
Little Louis hatte nämllich vor Jahren , auch aus Zeitgründen, das Verfolgen der Debatte resigniert abgebrochen:
Dr. Gerhard Engel: " Aufklärung und Humanismus? Nein. Evolution ? Na ja----- " Warum Norbert Hörster mit Recht die Giordano Bruno Stiftung verlassen hat."
Der Hajek -Apologet und betont universitär promovierte Philosoph Gerhard Engel verunglimpft gleich zu Beginn und auch mal später wieder seien Gegner Schmidt Salomon als Philosophie - Amateur, der als eigentlicher Pädagoge allenfalls in der Lage sei, wissenschaftliche bzw. philosophische Populärliteratur zustande zu bringen. Inbesondere da der ja nicht die Weihen vertiefter und promovierter Studien in der fast schon naturwissenschaftlich exakten Gelehrsamkeit der Kunst der "Politischen Ökonomie und der (ökonomischen?) Soziologie vorweisen könne.
Wenn ich nichts übersehen habe, hat aber Engel selbst nicht in Wirtschaftswissenschaften promoviert und war selbst als Gymnasiallehrer tätig.
Die (persönlichen) Eifersüchteleien Engels bezüglich der Marke "Evolutionärer Humanismus" widersprechen der dauernd selbstbezeugten wirklichen und tieferen Wissenschaftlichkeit des GBS -Kritikers und Verteidigers des GBS- Disssidenten Hoerster.
Selbst allenfalls oberflächlich Gebildeten (wie little Louis) erschließt sich ziemlich bald, worum es hier eigentlich geht:
Seit den 60er jahren versuchen (auch) in Deutschland die Anhänger eines neoliberalen und möglichst maximalen Marktliberalismus unter der Flagge (eigentlich "false flag) "Freiheit" und "Offene Gesellschaft" unter Zuhilfename selektiv ausgesuchter Popperscher Konzepte sich gegen "sozialistische" Vorwürfe einer eigenen rein sozialdarwinistisch- egomanen Wirtschaftsethik zu verteidigen. (Entschuldigung für den satz (-:)
Da sie auch Religionen und ihre Institutionen dazu für nützlich erachten, wird unter Berufung auf Hajek behauptet, dass "der blinde Glaube" eine antropologisch- naturgesetzliche Grundvoraussetzung für jegliche menschliche institutionelle Kooperation (also für jegliche Art Gesellschaftsregulation oder Politik) sei.
Es ist also ein zutiefst "reaktionäres " und eigentlich antiliberales Konzept. Dahinter steht letzendlich auch die Behauptung, dass (sozialdarwinistische) Herrschaftshirarchien unvermeidlich, weil von der Evolution "ausgelesen" seien.
Sozialisten könnten mit ihrer "Regulierungswut " deshalb fast garnichts erreichen, weil Gesellschafsssteuerung entweder nur äußerst begrenzt möglich sei, oder weil "Sozialisten" grundsätzlich unfähig seien, die mystisch komplexen Mechanismen der "Politischen Ökonomie" zu verstehen. Ließe man sie deshalb ans Steuer , würden sie immer
"den Karren nur in den Graben fahren."
Methodologisch wird in der neueren verschärften Form der Angriffe sogar das Folgende verschwiegen:
Popper war nie gegen die rein sozialhumanistische Motivation von Marx und widerspricht diesem in dieser Hinsicht mitnichten.
Der eine Dekade jüngere und noch vorsichtigere Kritier Engel stellte damals seinem Aufsatz " Karl Marx und die Ethik des Kapitalismus " sogar das folgende Popper- Zitat aus der "Offenen Gesellschaft" voran:
" Der wissenschaftliche Marxismus ist tot. Sein Gefühl für soziale Verantwortung und seine Liebe für die Freiheit müssen weiterleben."
Die betonung liegt auf "wissenschaftlich".. em Marxismus und "müssen weiterleben"! (Zitatende)
Popper lehnt also lediglich den marxschen Geschichtsdeterminismus ab. Und natürlich den daraus sich ergebenden Glauben, dass human gerechtere Verhältnisse bezüglich der ausgebeuteten Lohnarbeiter einzig und allein über Zuspitzungen der "Widersprüche" und folgende kathasthrophale Gesellschaftszusammenbrüche möglich seien. (Aus denen dann ein "Arbeiterparadies" als Erlösungszustand entstünde)
Popper hat sich aber nie dezidiert gegen so etwas wie "Egalite" oder "Fraternite" als Ergänzung oder Voraussetzung von "Liberte" ausgesprochen. Ihm ging es nur um eine realistische Methode für eine humanitäre staatliche Politiksteuerung.
Kurz gesagt: Ein (wirklich und gehärtet ) "Demokratischer" Sozialismus ist mit einer
"Offenen Gesellschaft" durchaus vereinbar.
Das haben vermutlich auch die "Politischen Ökonomen" der "Mannheimer Schule" durchaus gewusst und gerade deswegen seit den 60er Jahren (erfolgreich) versucht , massiv propandagistisch gegenzusteuern und die Sache so darzustellen, als sei ein "Kritischer Rationalismus" allein mit möglichst uneingeschränkter Marktliberalität vereinbar.
Nicht umsonst ist (noch heute) der Rektor der Universität Mannheim Mitglied der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschft", der propagandistischen Speerspitze des Neo- Marktliberalesmus hierzulande.
Selbst ich habe damals zeitweise an diese "Märchen" geglaubt.
Aber die Beobachtung der nationalen und vor allem internationalen politischen Landschaft der vergangenen Jahrzehnte hat mich ("empirisch" !!) eines Besseren
belehrt.
Die war das (zweite) Wort zum Gedenktag des zweitberühmtesten Antisemiten (oder Antijudaisten).
Amen
Gregor am Permanenter Link
Danke für den Link nach deutschlandradiokultur.de - habe ich mir durchgelesen, gefällt mir! :-)
Taraxakum am Permanenter Link
Ein wahrhaft schwieriges und äußerst deprimierendes Thema.
Das ethische Dilemma wird erst in seiner ganzen Tragweite klar, wenn man darüber nicht nur theoretisch fabuliert, sondern Menschen mit dieser Krankheit erlebt. Schwerst Erkrankte geben auch keine Einwilligung für die Einnahme von Seditiva oder sonstigen Medikamenten.
Kann man den Ethik-Kommissionen und den parlamentarischen Vertretern trauen? Passt es zusammen: Auf der einen Seite wird Sterbehilfe unter Strafe gestellt, auf der anderen Seite soll mit schwerst kognitiv Erkrankten experimentiert werden.