Die 1998 gegründete schweizerische Selbstbestimmungsorganisation DIGNITAS – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben* verzeichnet am Ende des Jahres 2016 9% Mitglieder mehr als Ende 2015; die Zahl der Länder, in welchen deren Mitglieder wohnhaft sind, hat sich innerhalb der Jahresfrist von 69 auf 84 erhöht. Zurzeit zählt der Verein 7.764 Mitglieder. Mit einer Zunahme von 473 Mitgliedern in einem Jahr brachte das Jahr 2016 das bisher stärkste Wachstum des Vereins.
2016 beendeten 201 DIGNITAS-Mitglieder ihr Leiden und Leben mit Hilfe einer Freitodbegleitung (FTB) durch DIGNITAS. Dies entspricht einem Anteil von lediglich 2,8% des Mitgliederbestandes Ende 2015. Damit bewegt sich diese Zahl nach wie vor im Bereich von etwa 200 FTB pro Jahr (so schon 2006 und seit 2012) und liegt damit etwa zehn Prozent tiefer als im Vorjahr (222). Darunter waren 4 Österreicher, je 5 Israeli und Kanadier, 6 Schweizer, 9 US-Amerikaner, 30 Franzosen, 47 Briten und – trotz oder eher gerade wegen der seit dem 10. Dezember 2015 bestehenden deutschen Verbotsregelung, welche angeblich die "Förderung des Suizids" bekämpfen soll – 73 Deutsche.
Nach wie vor bilden Deutsche die zahlenmässig grösste Länder-Mitgliedergruppe mit 3.223 Mitgliedern, Vorjahr: 3.133 (= 41,5%), gefolgt von Briten mit 1.139, Vorjahr 996 (= 14,6%), Franzosen mit 730, Vorjahr 718 (= 9,4%), Schweizern mit 684, Vorjahr 681 (= 8,8%), US-Amerikanern mit 453, Vorjahr 366 (= 5,8%), Italienern mit 392, Vorjahr 413 (= 5%) und Österreichern mit 176, Vorjahr 155 (= 2,3%). Hundert oder mehr als hundert Mitglieder wohnen auch in Kanada (131) und in Israel (100). Prozentual stark zugenommen haben die Zahlen der Mitglieder in Kanada (von 116 auf 160 = 38%), den USA (von 326 auf 453 = 28%), in Grossbritannien (von 996 auf 1275 = 28%) und in Israel (von 82 auf 100 = 21,9%).
DIGNITAS bietet durch seine umfassende, ergebnisoffene Beratung zu Patientenverfügung, Palliativmedizin und Freitodbegleitung Entscheidungsgrundlagen, was vielen Personen, die aus den verschiedensten Gründen einen Suizidwunsch entwickelt haben, das Gefühl von Selbstbestimmung über ihr eigenes Leben zurückgibt und hilft, den akuten Suizidwunsch mindestens vorübergehend zu überwinden. Von jenen Mitgliedern, die ein Gesuch um eine Freitodbegleitung (FTB) gestellt haben, können im Laufe des länger dauernden und aufwändigen Schritt um Schritt Verfahrens, und mit der Unterstützung und Zusage zur FTB durch Schweizer Ärzte, sogar 85% vom FTB-Wunsch absehen. Der Zugang zu einem echten "Notausgang" steigert die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Nächsten und senkt die Zahl einsamer, risikoreicher Suizidversuche.
* Inbegriffen die Mitglieder des unabhängigen Vereins "DIGNITAS – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben (Sektion Deutschland) e.V." mit Sitz in Hannover.
4 Kommentare
Kommentare
Olaf Sander am Permanenter Link
Von wegen Dammbruch...
Sterbehilfe in Anspruch nehmen zu können sollte geltendes Recht sein. Sie sollte klar geregelt und ein Teil der professionellen medizinischen Versorgung sein - womit ich nicht gesagt habe, dass jeder Arzt beim Sterben helfen muss.
Und:
Jene Menschen, die nicht sterben wollen und bis zu letzt um ihr Leben kämpfen möchten, sollten alles - egal ob Hilfsmittel, Therapien und was sie sonst noch brauchen - uneingeschränkt und dem individuellen Bedarf gerecht werdend bekommen, ohne darum mit Bürokratien kämpfen zu müssen und danach noch eine kleine Ewigkeit darauf warten zu dürfen. Auch das gehört rechtlich, also einklagbar, garantiert.
Denn:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und welche Würde ein Mensch hat, wo seine Grenzen liegen, wann er kämpfen will und wann er genug hat, welchen Werten (z.B. christlichen oder humanistischen) er folgt, kann nur er selbst wissen und entscheiden. Diese Entscheidung ist aber in jedem Fall und von allen anderen zu akzeptieren.
Nein, das ist keine Utopie. Das wäre machbar.
Noch ein paar Worte zum §217, bei dem ich sehr hoffe, dass er im Sommer vom BVG gekippt wird. Denn die Hilfe beim Sterben den Familienangehörigen oder anderen nahestehenden Personen (?) zu übertragen, ist die Legalisierung der Sterbehilfe bei gleichzeitiger Unausführbarkeit für Laien. Die meisten Angehörigen von Sterbewilligen dürften weder die medizinisch-technische Kompetenz, noch den Zugang zu entsprechenden Mitteln, die ein Leben einigermaßen human zu Beenden im Stande sind, haben. Man überträgt Ahnungslosen die Verantwortung über einen der wichtigsten Momente im Leben eines anderen Menschen.
Ich kann das noch immer nicht fassen.
Plus:
Der §217 sollte auch verhindern, dass Erbtanten in den Tod gequatscht werden können. Schaut man sich die Sache aber genauer an (Liebe mitlesende Juristen, bitte berichtigen Sie mich, sollte ich hier jetzt Unsinn schreiben!), dann kann jemand, der sich einigermaßen clever anstellt und vllt. sogar Kompetenz und Substanzen vereinen kann, seiner Erbtante "beim Sterben helfen", ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Der §217 deckt ihn. Der §217 ist sein Komplize beim perfekten Mord.
Ich hoffe wirklich sehr, dass das BVG den §217 im Sommer kippt.
agender am Permanenter Link
Faszinierend - so rum habe ich das (mangels Erfahrung mit reichen Leuten) noch nicht gesehen!
Olaf Sander am Permanenter Link
Wenn Sie das jetzt so schreiben, mache ich mir gerade etwas Sorgen, ob ich hier nicht auf Ideen bringe?
Ihrer Erbtante geht es hoffentlich noch gut, werter agender? ;o)
agender am Permanenter Link
Sie lesen nicht sehr genau, Olaf Sander!
Dem smiley kann ich nichts abgewinnen, ich bin zu gestresst von der Wohnungssuche.