Nach Blasphemie-Urteil gegen Online-Aktivisten

Algerische Liga zur Verteidigung der Menschenrechte beantragt Konferenz gegen Atheismus

Wie französischsprachige Medien bereits Ende Dezember berichteten, hat das Büro der Algerischen Liga zur Verteidigung der Menschenrechte (Ligue algérienne de la défense des droits de l’homme – LADDH) in der nordalgerischen Provinz M’sila bei der algerischen Regierung schriftlich beantragt, eine Konferenz gegen den Atheismus durchführen zu dürfen. Sollte die Regierung dem Antrag zustimmen, wäre dies die erste Konferenz einer Menschenrechtsorganisation weltweit, die sich direkt gegen eine Weltanschauung richtet.

Der Wortlaut des Schreibens ist nur auf einigen Blogs veröffentlicht, nicht jedoch auf der Homepage des nationalen Dachverbandes der LADDH. Der auf den 22. Dezember datierte Brief richtet sich an das Innenministerium sowie die örtlichen Behörden. Er ist eine direkte Antwort auf die Verurteilung zweier Social-Media-Aktivisten wegen "Beleidigung des Propheten und Verstoß gegen die Vorschriften des Islam". Das lokale Büro der Menschenrechtsorganisation hatte vor der Verhandlung die Entlassung der jungen Männer gefordert und erklärt sich in dem Brief "außerordentlich schockiert über die Fälle wegen Verstoß gegen die Vorschriften des Islam". Die Organisation erklärt sich in dem Schreiben bereit, eine "Konferenz gegen den Atheismus und die Gefährdung der algerischen Jugend durch die internationalen auf Manipulation spezialisierten Netzwerke" durchzuführen.

Der 27-jährige Fodil Rachid und der ein Jahr ältere Daif Hichem waren am 28. November in Sidi Aïssa zu fünf beziehungsweise drei Jahren Haft sowie zur Zahlung von 20.000 Algerischen Dinar (ca. 175 Euro) verurteilt worden. Nach Informationen der britischen Ex-Muslime wurden die jungen Männer im Juni festgenommen, weil sie auf ihrer Facebook-Seite den Koran in der algerischen Alltagssprache kommentierten. Für die algerischen Behörden war das Anlass genug, die Aktivisten wegen der "Verbreitung blasphemischer Propaganda" sowie "Beleidigung des Islam und des Koran" vor Gericht zu stellen.
Diese Anklage ist in Algerien keineswegs selten, erst im September hatte das Rechtsmittelgericht in Sétif den Schuldspruch gegen den Online-Aktivisten Slimane Bouhafs wegen Beleidigung des Islam und des Propheten Mohammed durch Facebook-Beiträge bestätigt. Der 49-jährige war ebenfalls wegen Einträgen bei Facebook angeklagt worden, wie Human Rights Watch und Amnesty International berichteten.

In dem nun jüngst diskutierten Fall wurde den Männern nach Angaben der britischen Ex-Muslime auch vorgeworfen, mit ihrer Facebook-Seite der Knoten eines kriminellen Netzwerks zu sein, das mit der Verbreitung von Posts, Videos, Artikeln und Cartoons den Islam allgemein sowie seine Rituale und Zeremonien beleidige und lächerlich mache. Mutmaßlich ist es dieser Aspekt, den die LADDH in ihrem Brief aufgreift, wenn sie davon spricht, auch die Gefährdung "durch internationale, auf Manipulation spezialisierte Netzwerke" thematisieren zu wollen. Ob es sich bei dem Vorhaben um eine ernsthafte Kooperation handelt oder eher um den Versuch, in einer Art "Schau-Konferenz" die Absurdität der Rechtslage vorzuführen, ist nicht klar. In der Vergangenheit hatte die Organisation Anklagen sowie Verurteilungen wegen Blasphemie kritisch bewertet.

Die international anerkannte Menschenrechtsorganisation steht in Algerien politisch unter Druck. Eine der Führungsfiguren der Organisation, der algerische Journalist Hassan Bouras, war am 28. November zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Er war 2015 wegen auf Facebook veröffentlichter Videos festgenommen worden, in denen er den Beamten in der Stadt El Bayadh vorwarf, bestechlich zu sein. Human Rights Watch geht davon aus, dass Bouras aus politischen Gründen angeklagt wurde, auch Amnesty International führt ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen.

Social-Media-Aktivisten und Blogger stehen in arabischen Ländern immer wieder im Fadenkreuz der Religionsbehörden und werden an Leib und Leben bedroht. Einer der prominentesten Fälle ist der des saudischen Internet-Aktivisten Raif Badawi, der 2012 zu 1.000 Peitschenhieben und zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Immer wieder kommt es auch zu Ermordungen von säkularen Onlineaktivisten, zuletzt allein in vier Fällen in Bangladesch.