LEIPZIG. (hpd) “Ein Katholikentag kann nicht in eine Stadt gehen, die ihn nicht unterstützt.” Dies hat Dr. Stefan Vesper, der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), beim “Leserforum zum Katholikentag” in Leipzig klargestellt. Gerichtet war diese Aussage vor allem an alle, die das Bürgerbegehren gegen den städtischen Förderbeschluss über 1 Mio. Euro unterstützen.
Damit droht der Katholik Vesper anscheinend an, sein noch im Sommer vor der Ratsabstimmung gegebenes Versprechen zu brechen. Bei ZEIT Online hieß es damals: “Und egal, welche Summe die Stadt Leipzig schließlich nach der Sommerpause bereitstellen wird – eines verspricht Vesper: Einen Rückzug werde es nicht geben.”
Den Auftrag zu diesem Kurswechsel hat Vesper nach naheliegender Interpretation direkt von seinem Arbeitgeber erhalten – der Lobbyorganisation ZdK.
Auf deren Vollversammlung am 21./22. November 2014 hatte diese unter anderem einstimmig die Einladung des Bistums Münster angenommen, den übernächsten Katholikentag 2018 in Münster durchzuführen. Zugleich heißt es trocken in der Pressemitteilung: “Die ZdK-Vollversammlung beauftragte den Generalsekretär, Dr. Stefan Vesper, die für die Durchführung des Katholikentags notwendige Mitfinanzierung durch Kirche und öffentliche Hand bis zum kommenden Mai sicherzustellen.”
Sollte auch für Leipzig gelten
Angesichts des sich auch in der sächsischen Metropole formierenden Widerstands erscheint es naheliegend, dass dieser Auftrag ebenso für Leipzig gilt: Die öffentlichen Gelder müssen fließen, damit das Missionierungsfest in gewollter Größenordnung durchgeführt werden kann. Denn nur darum geht es in Wirklichkeit: In Zeiten sich leerender Kirchenbänke dienen Kirchen- und Katholikentage dazu, sich selbst als große und aufnahmebereite Familie zu präsentieren und den gesellschaftlichen Einfluss der christlichen Religionsgemeinschaft mittels Zahlen zu überhöhen: Für den Katholikentag in Leipzig sind Kosten in Höhe von 9,9 Mio. Euro und über 1.000 Programmpunkte geplant. Schießt der Staat kein Geld zu, müssten die religiösen Feierlichkeiten schlicht eine Nummer kleiner ausfallen. Genau dies bestätigte der Pressesprecher des Bistums Münster, Dr. Stefan Kronenburg, in der WDR-Sendung Lokalzeit Münsterland just am selben Tag, als Vesper wie oben geschildert vom ZdK ermahnt wurde, doch bitte schön die verfassungswidrige Tradition der staatlichen Subventionierung am Leben zu erhalten – auch die Kirche ist nicht vor Abstimmungsfehlern gefeit.
Vorbereitung läuft längst
Auch andere Aspekte lassen darauf schließen, dass die Veranstalter ihre Drohung, ohne städtische Förderung nicht nach Leipzig zu kommen, kaum wahrmachen werden: Die Werbemaschinerie für den Katholikentag 2016 in Leipzig hat bereits ihre Arbeit aufgenommen. Das Leitwort (“Seht, da ist der Mensch.”) steht schon fest und die Geschäftsstelle wurde ebenfalls bezogen.
Warum diese Geschäftsstelle ausgerechnet in der teuren Innenstadt gelegen sein muss – dies war nur eine der unerwiderten Fragen im Rahmen des sogenannten Leserforums. Auch sonst wurde nach Einschätzung der Leiterin des Leipziger Bürgerbegehrens und der designierten Piraten-Stadträtin Ute Elisabeth Gabelmann “nicht eine der Publikumsfragen direkt beantwortet, sondern immer sehr in Wortwolken gesprochen.”
Dies war leider zu erwarten, erst recht nach den Erfahrungen der Aktiven vom 11. Gebot beim BürgerInnendialog der SPD-Ratsfraktion in Münster. Doch während dort wenigstens die Befürworter und auch die Gegner des städtischen Zuschusses eingeladen wurden, gewährte die Leipziger Volkszeitung als Veranstalter des Leserforums nur dem Cheflobbyisten des ZdK vor der Diskussion für ca. 15 Minuten ein Podium.
Keine Redezeit für Kritiker
Versuche des Bürgerbegehrens und auch von Vertretern des 11. Gebots ebenfalls etwas Redezeit zu erhalten, um komprimiert und geordnet ihre Argumente vortragen zu können, wurden abgeschmettert. Es ist bestürzend, dass ausgerechnet ein Pressemedium so einseitig agitieren lässt. Überdies bestätigte Ute Elisabeth Gabelmann, dass – wie auch schon in Münster – erneut Mitglieder des ZdK unter den ca. 80 vorwiegend älteren Besuchern positioniert wurden, um an den richtigen Stellen zu klatschen.
Innerhalb der ca. zweistündigen Veranstaltung bat der Generalsekretär des ZdK mehrfach darum, ZdK und Kirche doch bitte voneinander zu trennen. Ironischer Weise hatte gerade dies nicht einmal der stärkste Verfechter eines städtischen Zuschusses geglaubt – Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sagte schon im Sommer gegenüber ZEIT Online: “Natürlich ist der Katholikentag eine Veranstaltung der Kirche.”
Hinter der vorgeschobenen Trennung steht die Absicht, es so aussehen zu lassen, als sei nicht die wohlhabende katholische Kirche der Veranstalter, sondern das mittellose ZdK und daher seien auch die Fördergelder notwendig. Stets wurde der Begriff der “Laienorganisation” betont. Unterschlagen wird dabei jedoch, dass das ZdK zu 83 Prozent von der Kirche finanziert wird und sich aus Kirchenfunktionären zusammensetzt. Echte Unabhängigkeit ist damit kaum gewährleistet.
Darüber hinaus wird die vorgespielte Trennung zwischen ZdK und Kirche auch von den Katholikentagsveranstaltern selbst wieder beiseite gewischt, um sich auf die vielen Wohltaten der Kirchen berufen zu können. Dass hierbei zu den dahinterstehenden, meist über 95 Prozent der Kosten deckenden öffentlichen Zuschüssen geschwiegen wird, kennt man ja schon gar nicht mehr anders.
Der Katholikentag sei eine “normale” Veranstaltung
Herr Vesper verglich mehrfach den Katholikentag mit anderen “normalen” Veranstaltungen, ging dann aber ebenfalls nicht auf das Argument ein, warum dieser in Höhe des Dreifachen normaler Förderungen begünstigt werden soll. Auch der Einwand, dass die durch den Katholikentag geschaffenen Arbeitsplätze überwiegend aus Nicht-Leipzigern bestünden, blieb unkommentiert.
Legitimiert sahen sich die Katholikentagsveranstalter auch mal wieder dadurch, dass heutzutage viel größere Transparenz bestehe: Von einer indirekten Subventionierung der Katholikentage – etwa durch die freie Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für Besucher oder die kostenlose Bereitstellung von Hallen – seien die Kommunen in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren abgekommen. “Es werden jetzt reale Preise aufgerufen. Die Städte geben uns Geld und wir kaufen Leistungen ein. Das ist besser, als irgendwelchen Schmuh zu machen.”
Nach dieser Logik ist ein Verfassungsbruch bereits kein Verfassungsbruch mehr, nur weil er jetzt aufgedeckt wurde. Dass die Leistungen an sich bereits gegen den Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche, das Gebot der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung sowie den kommunalrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoßen, ist da nur noch Nebensache. Nur mit diesem Logikverständnis ist es auch zu erklären, dass Vesper die Befürworter des Bürgerbegehrens tatsächlich darauf hinwies, dass ihr Anliegen der Stadt ja auch nur unnötig Kosten aufbürde, da – nach seinen Angaben – der dann von der Stadt durchzuführende Bürgerentscheid ca. eine halbe Million Euro kosten würde.
Undemokratisch
Hier zeigt sich, wie demokratiefreundlich und dialogbereit das ZdK tatsächlich ist: Nicht der Wille der Mehrheit soll ermittelt werden, sondern die von oben vorgegebene Marschroute soll eingehalten werden. Darum durften beim Leserforum keine Kritiker mit auf das Podium. Darum mussten sich die Besucher der Veranstaltung zuvor telefonisch anmelden. Darum war die ganze Veranstaltung nur ein Feigenblatt, um sagen zu können, man habe sich den Kritikern gestellt und eben darum sollte der Staat Kirchen- und Katholikentage auch nicht bezuschussen: Entgegen ihrer Suggestion sind sie bereits aufgrund des Wesens der Religion nicht diskussions- und ergebnisoffen.
Im Übrigen findet die Arbeit für das Bürgerbegehren in Leipzig ausschließlich auf ehrenamtlicher Basis statt. Gesucht werden dringend Helfer und Sponsoren für Druck und Verteilung von Unterschriftenlisten. Weitere Informationen unter keinemillion.org.
4 Kommentare
Kommentare
N.Bolas am Permanenter Link
Das ist doch ganz klar eine Neid-Debatte! Mein Vorschlag zur Güte:
Gleichbehandlung aller Leipziger
530 000 Leipziger x 4,3% Katholiken = 27790 kath. Leipziger
1000000 Euro
------------------ = 43,87 Euro pro Leipziger
27790 Leipziger
Natürlich ist das oberflächlich, denn:
a) es ist ein Zuschuss für eine Feierlichkeit die das 9,9 fache kostet.
b) es ist eine Unterstützung eines Vereins mit klammer Kasse.
Gefördert wird z. B. nur der Zentralverband keltischer Radiologen, welcher zur Sonnenwende ein 1000 Programmpunkte (Brennende Sonnenräder, Vortrag Pulmonale Bildgebung, Lagerfeuer, Vortrag Virtuelle Kolonographie, Auftritte keltischer Barden, Jultrinken etc...)
aber auch der kleine Mieterverein "Villa Sorgenlos" bestehend aus der Familie - von Meertens soll sich freuen. Deren alljährliche Pilgereise nach Lichtenstein über Bayreuth und Baden Baden wird wie folgt bezuschusst:
Der finanziell von der Anwaltskanzlei "von Meertens" unabhängie Verein zählt sieben Mitglieder . deshalb bekommen 7 Personen bei den maximalen Mindeskosten von 7x9,9x43,87=3040,19 Euro auch die maximalen Förderbetrag von eben 43,87Euro.
Problem gelöst! Den 22000 Langzeitarbeitslosen wird aber explizit nix in den Rachen gestopft. Das wären Eulen nach Athen getragen!
Veronika am Permanenter Link
Zustimmung!
Jetzt hat die Röm.-Kath. Kirche so viel Geld, muß sich aber auch deren Werbeveranstaltung auch weiterhin vom Staat finanzieren lassen. Wenigstens ist mir jetzt klar, warum Sachsen im Sommer bereits Urlaubsbesuch vom Zisterzienserkloster Hl. Kreuz bei Wien (die mit der Benedikt XVI.-Hochschule) - hier deren Chef Pater Prof. Dr. Karl Wallner - hatte.
Die Neuevangelisierung läuft ja auf vollen Touren und der Rest der Bevölkerung soll diese Dinge wieder einmal bezahlen. So lange bis wirklich kein Geld mehr in der Staatsschatulle ist. Dann wird uns die Röm.-Kath. Kirche gerne mit Krediten aushelfen, wenn wir alle katholisch werden.
Veronika am Permanenter Link
Ich will ja nicht zu kritisch sein, aber könnte man nicht auch noch für 2017 zum Lutherjubiläum den neuen Papst einladen. Damit würden weitere 200 Mio. Euro im Staatshaushalt fehlen (können).
Mich erinnert diese Geldschinderei an den Titel einer Dokumentation gegen Scientology. Die mag ich auch nicht, aber auch die Röm.-Kath. Kirche scheint nach dem Motto "Bis nichts mehr bleibt!" zu handeln.
Helene am Permanenter Link
Noch besser: Katholikentag und Lutherjubiläum einfach zusammenlegen :)