LVZ-Leserforum zum Katholikentag 2016 in Leipzig

Ein Feigenblatt für Leipzig

LEIPZIG. (hpd) “Ein Katholikentag kann nicht in eine Stadt gehen, die ihn nicht unterstützt.” Dies hat Dr. Stefan Vesper, der Generalsekretär des Zentral­komitees der deutschen Katholiken (ZdK), beim “Leserforum zum Katholikentag” in Leipzig klargestellt. Gerichtet war diese Aussage vor allem an alle, die das Bürgerbegehren gegen den städtischen Förder­beschluss über 1 Mio. Euro unter­stützen.

Damit droht der Katholik Vesper anscheinend an, sein noch im Sommer vor der Rats­abstimmung gegebenes Ver­sprechen zu brechen. Bei ZEIT Online hieß es damals: “Und egal, welche Summe die Stadt Leipzig schließlich nach der Sommer­pause bereit­stellen wird – eines verspricht Vesper: Einen Rück­zug werde es nicht geben.”

Den Auftrag zu diesem Kurs­wechsel hat Vesper nach nahe­liegender Inter­pretation direkt von seinem Arbeit­geber erhalten – der Lobby­organisation ZdK.

Auf deren Voll­versammlung am 21./22. November 2014 hatte diese unter anderem ein­stimmig die Ein­ladung des Bistums Münster ange­nommen, den übernächsten Katholiken­tag 2018 in Münster durch­zuführen. Zugleich heißt es trocken in der Presse­mitteilung: “Die ZdK-Voll­versammlung beauf­tragte den General­sekretär, Dr. Stefan Vesper, die für die Durch­führung des Katho­liken­tags notwendige Mit­finanzierung durch Kirche und öffent­liche Hand bis zum kommenden Mai sicher­zustellen.”

Sollte auch für Leipzig gelten

Angesichts des sich auch in der sächsischen Metropole formierenden Wider­stands er­scheint es nahe­liegend, dass dieser Auf­trag ebenso für Leipzig gilt: Die öffentlichen Gelder müssen fließen, damit das Missionierungs­fest in gewollter Größen­ordnung durch­geführt werden kann. Denn nur darum geht es in Wirk­lichkeit: In Zeiten sich leerender Kirchen­bänke dienen Kirchen- und Katholiken­tage dazu, sich selbst als große und auf­nahme­bereite Familie zu präsentieren und den gesell­schaf­tlichen Einfluss der christ­lichen Religions­gemein­schaft mittels Zahlen zu überhöhen: Für den Katholiken­tag in Leipzig sind Kosten in Höhe von 9,9 Mio. Euro und über 1.000 Programm­punkte geplant. Schießt der Staat kein Geld zu, müssten die religiösen Feier­lich­keiten schlicht eine Nummer kleiner aus­fallen. Genau dies bestätigte der Presse­sprecher des Bistums Münster, Dr. Stefan Kronenburg, in der WDR-Sendung Lokalzeit Münsterland just am selben Tag, als Vesper wie oben ge­schildert vom ZdK er­mahnt wurde, doch bitte schön die verfassungs­widrige Tradition der staat­lichen Sub­ventionierung am Leben zu er­halten – auch die Kirche ist nicht vor Abstimmungs­fehlern gefeit.

Vorbereitung läuft längst

Auch andere Aspekte lassen darauf schließen, dass die Veran­stalter ihre Drohung, ohne städtische Förderung nicht nach Leipzig zu kommen, kaum wahr­machen werden: Die Werbe­maschinerie für den Katholiken­tag 2016 in Leipzig hat bereits ihre Arbeit aufge­nommen. Das Leitwort (“Seht, da ist der Mensch.”) steht schon fest und die Geschäfts­stelle wurde eben­falls bezogen.

Warum diese Geschäfts­stelle ausge­rechnet in der teuren Innen­stadt ge­legen sein muss – dies war nur eine der uner­widerten Fragen im Rahmen des soge­nannten Leser­forums. Auch sonst wurde nach Ein­schätzung der Leiterin des Leipziger Bürger­begehrens und der designierten Piraten-Stadt­rätin Ute Elisabeth Gabelmann “nicht eine der Publikums­fragen direkt beant­wortet, sondern immer sehr in Wort­wolken gesprochen.”

Dies war leider zu erwarten, erst recht nach den Erfah­rungen der Aktiven vom 11. Gebot beim Bürger­Innendia­log der SPD-Rats­fraktion in Münster. Doch während dort wenigstens die Befür­worter und auch die Gegner des städtischen Zuschusses einge­laden wurden, gewährte die Leipziger Volks­zeitung als Veran­stalter des Leser­forums nur dem Chef­lobbyisten des ZdK vor der Diskussion für ca. 15 Minuten ein Podium.

Keine Redezeit für Kritiker

Versuche des Bürger­begehrens und auch von Vertretern des 11. Gebots eben­falls etwas Rede­zeit zu erhalten, um komprimiert und geordnet ihre Argumente vor­tragen zu können, wurden abge­schmettert. Es ist bestürzend, dass ausge­rechnet ein Presse­medium so ein­seitig agitieren lässt. Überdies bestätigte Ute Elisabeth Gabelmann, dass – wie auch schon in Münster – erneut Mit­glieder des ZdK unter den ca. 80 vorwiegend älteren Besuchern positioniert wurden, um an den richtigen Stellen zu klatschen.

Innerhalb der ca. zwei­stündigen Veran­staltung bat der General­sekretär des ZdK mehr­fach darum, ZdK und Kirche doch bitte von­einander zu trennen. Ironischer Weise hatte gerade dies nicht einmal der stärkste Ver­fechter eines städtischen Zu­schusses geglaubt – Leipzigs Ober­bürger­meister Burkhard Jung (SPD) sagte schon im Sommer gegen­über ZEIT Online: “Natürlich ist der Katholiken­tag eine Veran­staltung der Kirche.”

Hinter der vorge­schobenen Trennung steht die Absicht, es so aus­sehen zu lassen, als sei nicht die wohl­habende katholische Kirche der Veran­stalter, sondern das mittel­lose ZdK und daher seien auch die Förder­gelder not­wendig. Stets wurde der Begriff der “Laien­organi­sation” betont. Unter­schlagen wird dabei jedoch, dass das ZdK zu 83 Prozent von der Kirche finanziert wird und sich aus Kirchen­funktionären zusammen­setzt. Echte Unab­hängigkeit ist damit kaum gewähr­leistet.

Darüber hinaus wird die vor­gespielte Trennung zwischen ZdK und Kirche auch von den Katholiken­tags­veranstaltern selbst wieder bei­seite gewischt, um sich auf die vielen Wohl­taten der Kirchen berufen zu können. Dass hierbei zu den dahinter­stehenden, meist über 95 Prozent der Kosten deckenden öffent­lichen Zuschüssen geschwiegen wird, kennt man ja schon gar nicht mehr anders.

Der Katholikentag sei eine “normale” Veranstaltung

Herr Vesper verglich mehrfach den Katholiken­tag mit anderen “normalen” Veran­staltungen, ging dann aber eben­falls nicht auf das Argument ein, warum dieser in Höhe des Drei­fachen normaler Förderungen begünstigt werden soll. Auch der Einwand, dass die durch den Katholiken­tag geschaffenen Arbeits­plätze über­wiegend aus Nicht-Leipzigern bestünden, blieb unkommentiert.

Legitimiert sahen sich die Katholiken­tags­veranstalter auch mal wieder dadurch, dass heut­zutage viel größere Transparenz bestehe: Von einer indirekten Subventionierung der Katholiken­tage – etwa durch die freie Nutzung öffent­licher Verkehrs­mittel für Besucher oder die kosten­lose Bereit­stellung von Hallen – seien die Kommunen in Deutsch­land in den vergangenen 20 Jahren abge­kommen. “Es werden jetzt reale Preise aufge­rufen. Die Städte geben uns Geld und wir kaufen Leistungen ein. Das ist besser, als irgend­welchen Schmuh zu machen.”

Nach dieser Logik ist ein Verfassungs­bruch bereits kein Verfassungs­bruch mehr, nur weil er jetzt aufge­deckt wurde. Dass die Leistungen an sich bereits gegen den Grund­satz der Trennung von Staat und Kirche, das Gebot der Verhältnis­mäßigkeit und der Gleich­behandlung sowie den kommunal­rechtlichen Grund­satz der Wirtschaft­lichkeit und Sparsam­keit verstoßen, ist da nur noch Neben­sache. Nur mit diesem Logik­verständnis ist es auch zu erklären, dass Vesper die Befür­worter des Bürger­begehrens tat­sächlich darauf hinwies, dass ihr Anliegen der Stadt ja auch nur unnötig Kosten aufbürde, da – nach seinen An­gaben – der dann von der Stadt durch­zuführende Bürger­entscheid ca. eine halbe Million Euro kosten würde.

Undemokratisch

Hier zeigt sich, wie demokratie­freundlich und dialog­bereit das ZdK tat­sächlich ist: Nicht der Wille der Mehrheit soll ermittelt werden, sondern die von oben vorgegebene Marsch­route soll einge­halten werden. Darum durften beim Leser­forum keine Kritiker mit auf das Podium. Darum mussten sich die Besucher der Veran­staltung zuvor telefonisch anmelden. Darum war die ganze Veran­staltung nur ein Feigen­blatt, um sagen zu können, man habe sich den Kritikern gestellt und eben darum sollte der Staat Kirchen- und Katholiken­tage auch nicht bezu­schussen: Entgegen ihrer Suggestion sind sie bereits aufgrund des Wesens der Religion nicht diskussions- und ergebnis­offen.

Im Übrigen findet die Arbeit für das Bürger­begehren in Leipzig aus­schließlich auf ehren­amtlicher Basis statt. Gesucht werden dringend Helfer und Sponsoren für Druck und Verteilung von Unter­schriften­listen. Weitere Informationen unter keinemillion.org.