Der HVD - Humanistischer Verband Deutschlands, hat vor einiger Zeit das Projekt "Gläserne Wände - Bericht zur Benachteiligung nichtreligiöser Menschen in Deutschland" vorgestellt. Mit 33 Forderungen will der HVD auf die Benachteiligung nichtreligiöser Menschen aufmerksam machen und fordert wichtige Veränderungen ein.
Zunächst erscheinen alle Forderungen sinnvoll - zumindest auf den ersten Blick. Wären da nicht Forderungen eingeschoben, die so konsensorientiert sind, dass es geradezu ins Auge springt, dass da eine Bewegung an die Tröge will.
Unter anderem ist da Punkt 25. Da wird die "Einstellung von 50 bis 100 Humanistischen Beraterinnen bei der Bundeswehr" gefordert. Wir erinnern uns: Es gibt in Deutschland circa 100 evangelische und 100 katholische Militärpfarrämter, dazu 5 evangelische und 4 katholische Militärdekanate und je einen Militärbischof. Dafür zahlt der Staat ca. 30 Mio. Euro in jedem Jahr. Der Verzicht auf die Forderung nach Abschaffung der religiösen Militärseelsorge fällt weit hinter den Mainstraem der laizistisch/politischen Bewegungen zurück. Selbst innerhalb der Kirchen gibt es Initiativen zur Abschaffung der staatlich finanzierten Militärseelsorge.
Dort heißt es: "Die Militärseelsorge erfüllt in der Praxis, ähnlich wie der Truppenpsychologe, die Militärmusik, die Feldküche und der Sanitätsdienst, eine Rolle innerhalb des Militärs. Sie ist ein kleines Rad in der großen Militärmaschine." und weiter: "Laut einer Untersuchung des Sozialwissenschaftlichen Institutes der Bundeswehr ist die Funktion der Militärpfarrer in der Praxis nur selten das persönliche Gespräch mit den Soldaten (Militärpfarrer-Paradoxon). Unsere Wahrnehmung: Die Hauptfunktion der Militärpfarrer ist die Begleitung, und damit die moralische Legitimation der Auslandseinsätze. Der Soldat hat den Eindruck: Wenn sogar der Pfarrer mitkommt, dann kann das, was wir hier tun, nicht verwerflich sein."... "Wenn ein Pfarrer immer wieder Kasernen betritt oder Soldaten begleitet, färbt dies auf ihn ab. Die meisten Militärpfarrer übernehmen mit der Zeit die Verhaltensweisen, die Gewohnheiten und die Gedanken des Militärs."... "Wir haben den Eindruck: Auf die Militärseelsorgestellen bewerben sich - nicht immer aber oft - solche Pfarrer, die eine Affinität zu militärischen Strukturen und Verhaltensweisen haben."
Erschreckend sind in diesem Zusammenhang auch die Äußerungen des Essener Militärbischofs Franz-Josef Overbeck. In einem Interview in der Tageszeitung WAZ äußerte er sich am 23. Januar 2017 so: "Der klassische Auftrag der Landesverteidigung kann nicht mehr ausschließlich an den Landesgrenzen ausgeführt werden. Deutschland ist ein Land in Bündnisstrukturen, von denen wir selbst Nutznießer sind. Das wird auf Dauer mehr Auslandseinsätze zur Folge haben können. Es bleiben weiter besonders der Mittlere und der Nahe Osten im Blick, aber auch Afrika. Unsere gesellschaftliche Verantwortung an unseren Landesgrenzen enden zu lassen, wäre ein Rückfall in Nationalstaatlichkeit, der der Wirklichkeit nicht gerecht würde, und auch nicht unserem Selbstverständnis."
Und weiter auf die Frage: "Nimmt die Zahl der traumatisierten Soldaten zu?" Overbecks Antwort: "Nach allem, was wir wissen, suchen sie häufiger psychologische Hilfe auf. Ob Soldaten belasteten Situationen gewachsen sind, ist u.a. auch eine Frage, wie Einsätze in der Vorbereitung ethisch reflektiert werden. Das gilt auch für unsere Militärseelsorger, die wir ja mitschicken. Ohne Vorbereitung und Begleitung geht das nicht."
Laut Overbeck ist es also wichtig, "wie Einsätze in der Vorbereitung ethisch reflektiert werden". Und da kommt wieder der HVD ins Spiel. Er will ebenfalls 50 bis 100 Humanistische Berater stellen - staatlich finanziert natürlich. Die politische Dimension dieser Forderung scheint hinter den personell/materiellen Ansprüchen zurückzufallen.
In den letzten großen europäischen Kriegen hat die Kirche die kriegführenden Regierungen unterstützt und gestärkt. Alle anderen Behauptungen sind Lügen. Will sich der HVD wirklich an der ethisch-moralischen Einstimmung der Soldaten auf kriegerische Handlungen einlassen? Falls dem so ist, dann stellt sich die Frage, ob diese Konsensorientierung mit der Aussicht auf Staatsknete eine neue Form des Ablaßhandels ist.
29 Kommentare
Kommentare
Klaus Bernd am Permanenter Link
Dieser Einschätzung kann ich nur zustimmen. Außerdem sehe ich die Gefahr,
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Die angestrebte Gleichstellung der Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften führt logischerweise zu der Forderung einer Trennung von Staat und Kirche. Insofern stimme ich Ralf Michalowsky im Prinzip zu.
Mit der »positiven Gleichbehandlung« kann die Hoffnung verbunden sein, dass man innerhalb der »Höhle des Löwen« vielleicht erfolgreicher schleichende Änderungen herbeiführen kann in dem Sinne, dass die Macht des »Löwen« durch permanentes Infragestellen zunehmend abgebaut wird, weil eben aufgrund schwindender Mitgliederzahlen der Kirchen auf Dauer nicht haltbar und durch den Geist des Grundgesetzes ohnehin nicht gedeckt. Ob das Einschwenken auf den vorgegebene Kurs und das Mitmachen in den vorhandenen Strukturen längerfristig diese »zersetzende« Wirkung zeigt, ist nicht sicher, aber auch nicht unwahrscheinlich. Dabei ist der Gedanke staatlicher Finanzierung kirchlicher und auch nichtreligiöser Sozialdienste durchaus diskutabel. Voraussetzung wäre, dass staatliche Gesetze in den kirchlich betriebenen (aber von Staat und Sozialkassen finanzierten!) Einrichtungen voll respektiert werden und keinerlei Diskriminierung von Mitarbeitern mit anderen weltanschaulichen Auffassungen stattfindet. So wie es zum Beispiel das Kirchliche Arbeits(un)recht, das gleich mehrere Verfassungsgrundsätze aushebelt, uns drastisch vor Augen führt.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ja holla!
Immer wieder sind es die Staatsknetetröge.
In diesem speziellen Fall schon etwas sehr schmerzlich.
Michael Brade am Permanenter Link
Aus dem Selbstverständnis des HVD geht ganz eindeutig hervor, dass wir uns gegen Militarismus wenden.
Zum Wesen humanistischer Militärseelsorge sage ich Ihnen als ehemaliger "Zivi" und heutiger Präsident des Humanistischen Verbands Dresden, dass ich prinzipiell Gewissensentscheidungen von Individuen anerkenne (gemäßigter Konstruktivismus). Ob die Entscheidungsfindung (!) tatsächlich auch alle Alternativen und Konsequenzen berücksichtigt hat, ist dabei ausschlaggebend. Es gibt Menschen, die bei der Frage der Beteiligung an einem Auslandseinsatz zu dem Ergebnis kommen, dass sie ihn für sich vertretbar finden. Dennoch spreche ich diesen Menschen nicht das Menschsein per se ab, sondern wäre stets bemüht, die Lösungsfindung für Probleme zu begleiten - ergebnisoffen und unter Heranziehung aller Alternativen.
Mit wem spricht man als Atheist über die Möglichkeit, erschossen oder gesprengt oder verschüttet zu werden? Mit einem religiösen Seelsorger wohl offenbar ungern, wenn man weiß, dass er ein fundamental anderes Verständnis von Leben und Tod hat.
Michael Haß am Permanenter Link
Wie stellt sich DIE LINKE, für die Herr Michalowsky ja kandidiert, eigentlich einen effizienten Kampf gegen islamfaschistische Bewegungen wie die Taliban und den IS vor, wenn nicht mit Bundeswehr?
Höchste Zeit, diesen "Vulgärpazifismus" einmal zu hinterfragen! Und: Nein, ich weiß sehr wohl, dass allein Kriegseinsätze den militanten Islamismus nicht besiegen werden... Aber ganz ohne Waffe in der Hand dürfte es ja wohl offensichtlich völlig aussichtslos sein!
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Über den Sinn der Anstellung von Militärgeistlichen oder Militärhumanisten kann man sicher sinnvoll diskutieren.
Aber die Sätze "In den letzten großen europäischen Kriegen hat die Kirche die kriegführenden Regierungen unterstützt und gestärkt. Alle anderen Behauptungen sind Lügen." möchte ich nicht unerwidert stehenlassen!
Dazu zwei nicht gelogene Zitate aus päpstlichen Verlautbarungen - leicht nachprüfbar:
Aus der päpstlichen Exhortatio "Allorché fummo chiamati", 28. Juli 1915:
„Im heiligen Namen Gottes, unseres himmlischen Vaters und Herrn, um des gesegneten Blutes Jesu willen, welches der Preis der menschlichen Erlösung gewesen, beschwören Wir Euch, die Ihr von der göttlichen Vorsehung zur Regierung der kriegsführenden Nationen bestellt seid, diesem fürchterlichen Morden, das nunmehr seit einem Jahr Europa entehrt, endlich ein Ziel zu setzen. Es ist Bruderblut, das zu Lande und zur See vergossen wird. Die schönsten Gegenden Europas, dieses Gartens der Welt, sind mit Leichen und Ruinen besät. Ihr tragt vor Gott und den Menschen die entsetzliche Verantwortung für Frieden und Krieg. Höret auf Unsere Bitte, auf die väterliche Stimme des Vikars des ewigen und höchsten Richters, dem Ihr werdet Rechenschaft ablegen müssen. Die Fülle der Reichtümer, mit denen Gott der Schöpfer die Euch unterstellten Länder ausgestattet hat, erlauben Euch gewiss die Fortsetzung des Kampfes. Aber um was für einen Preis? Darauf mögen die Tausende junger Menschenleben antworten, die alltäglich auf den Schlachtfeldern erlöschen.“
Aus der päpstlichen Weihnachtsansprache 1939:
"Das unsägliche Elend des Krieges, das Pius XI. in tiefem Mitgefühl voraussah; das er mit unbeugsamer Energie von den Grenzen der Nationen fern zu halten suchte, brach doch herein und ist nun traurige Wirklichkeit. Unsere Seele überflutet eine unendliche Traurigkeit; Trauer und Leid darüber, dass das Geburtsfest unseres Herrn, des Friedensfürsten, heute unter dem unheilvollen Dröhnen der Kanonen, unter den entsetzlichen Schlägen der Luftwaffen, inmitten von Kämpfen der Kriegsflotten gefeiert werden muss. Da scheint es, als ob die Welt die Friedensbotschaft Christi, die Stimme der Vernunft, die christliche Bruderliebe vergessen habe; es scheint, als ob wir einer Häufung von Kriegshandlungen zuschauen müssten, die weder mit dem Völkerrecht, noch mit dem Naturgesetz, noch mit dem Gefühl der Menschlichkeit zu vereinbaren sind; Handlungen, die uns zeigen, wohin man kommt, wenn das Rechtsgefühl von bloßen Nützlichkeitserwägungen verdrängt wird. Hierher gehören der vorsätzliche Angriff auf ein kleines, arbeitsames und friedliches Volk unter dem Vorwand einer Bedrohung; ...
Also: Unterstützung der kriegführenden Regierungen kann ich hier nicht erkennen!
Achim Horn am Permanenter Link
Herr Schönecker,
Sie kennen sicher Matthäus 7,16 "An Ihren Früchten sollt ihr sie erkennen..."
Das sind die paar Vorzeigechristen - heute hochverehrt, damals isoliert - die der Öffentlichkeit ein Bild des angeblichen Widerstandes der Kirchen gegen Krieg, totalitäre Staatsapparate und Pogrome vorgaukeln sollen.
Aber es waren und sind nicht "die Kirchen", die die Kriegstreiber stoppten, oder es wenigsten versuchten. Im Gegenteil! Und das erkennt man - wie gesagt - an ihren Früchten:
Es ist eine einfach zu sehende geschichtliche Tatsache, dass die Kirchen die Herrschenden immer unterstützen - auch und gerade deren Kriege. Zu allen Zeiten! Wenn nicht aus Überzeugung, dann aus Opportunismus.
Waffensegnungen, das Koppelschloss "Gott mit uns", unzählige (gut dokumentierte) kirchliche Aufrufe zum Kampf im "Sinne Gottes", kriegsverherrlichende Texte und Durchhalteparolen der Bischöfe und ev. Landeskirchen gehörten im letzten Jahrhundert stets zum kriegsunterstützenden Repertoire der Kirchen.
Ganz zu Schweigen von der Unterstützung der Kirche bei der Machtergreifung Hitlers und deren aktiven Unterstützung bei der Flucht von Naziverbrechern, nachdem der Krieg verloren war.
Also, wie gesagt: "An Ihren Früchten sollt ihr sie erkennen...". Das Erkennen geht aber nur, wenn man nicht ganz blind oder ganz verblendet ist.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Die von mir gebrachten Zitate stammen nicht von Menschen, die "gegen den Mainstream der Kirche" waren. Sie stammen von Päpsten.
Es fällt übrigens auch auf, dass in den Benediktionalien zahlreiche Gebete für die Segnungen unterschiedlichster Dinge zu finden sind. Aber Gebete für die Segnung von Waffen sind keine darunter (Ausnahme: Segnung des Zeremonialschwertes für den Ritterschlag). Ich weiß schon, dass trotzdem immer wieder Kriegswaffen gesegnet worden sind. Aber von der Kirche vorgesehen war das nicht.
Im ersten Weltkrieg gab es - jedenfalls in Österreich - tatsächlich noch zahlreiche Kleriker, die die Kriegsteilnahme noch als Christenpflicht gepredigt haben, und ich habe noch deutlich die Photos von neugeweihten Priestern von 1918-1922 vor Augen, die stolz ihre Kriegsorden am Talar tragen. Da haben Sie also mit Ihrer Kritik bis zu einem gewissen Grad recht.
Im zweiten Weltkrieg war das mehrheitlich schon anders. Die Nationalsozialisten haben die Kirchen - besonders die Katholische Kirche - ganz sicher nicht als Verbündete betrachtet, sondern im Gegenteil als Staatsfeinde. Am einfachsten zu belegen ist das mit einer google-Bilder-Suche "Stürmer Kirche". Hier werden Priester in eine Reihe mit Bolschewiken und Juden gestellt. Und das war damals nicht als Lob gemeint ...
Auch der Wiener Kardinal Innitzer hat sehr bald nach seinem berühmt-berüchtigten "Heil Hitler"-Brief seinen Irrtum erkannt und noch vor Kriegsbeginn die leider weniger berühmte Christkönigs-Predigt gehalten, woraufhin die "spontan erregte Menge" das erbischöfliche Palais erstürmte und, weil der Kardinal nicht auffindbar war, sich damit begnügen musste, einen Prälaten aus dem Fenster zu werfen. Kurz: Die Nazis fühlten sich in Wien von der Katholischen Kirche nicht ausreichend unterstützt.
Eric Merk am Permanenter Link
Hallo, die PH-Ludwigsburg hat einen informativen Artikel zu diesem Thema. 5990 von Dr. Thomas Breuer.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Der Artikel ist nicht völlig schlecht.
Also: Dass Katholiken ("Ultramontanisten") besonders unter dem Druck standen, ihre Vaterlandsliebe zu beweisen, das ist gut beobachtet. Aber der Grund dafür ist ja genau der, dass es besonders für Katholiken immer etwas Höheres gibt als die Nation, und dass der Katholik noch jemand anderem zu Gehorsam verpflichtet ist. Besonders deutlich zu sehen in Deutschland, wo die Kirche oft in Oppostion war - zuerst gegen Bismarck, dann gegen den Nationalsozialismus. Also genau im Gegenteil zu dem, was Ralf Michalowsky schreibt.
Dass der traditionelle Katholizismus zu Gehorsam und Selbstaufopferung neigt, ist nicht zu betreiten. Dass dadurch einfach zu lenkende Soldaten entstehen, ebenfalls. Und der Schlusssatz "Dass man dabei in der Regel auch andere opferte, geriet schnell in Vergessenheit" ist höchst pointiert formuliert und gefällt mir - auch wenn er weh tut.
Kay Krause am Permanenter Link
Geehrter Herr Schönecker!
Und diese kirchlichen Taten ebenso wie auch kirchliche Unterlassungen (ebenso bekant und belegbar) sind nun - im Nachhinein betrachtet - wahrlich kein Ruhmesblatt für die von Ihnen verteidigten Kirchen! Ebenso unbestritten ist es, dass es vereinzelte wunderbare Vertreter Gottes auf Erden gab, die sich währen dieser grausamen Kriege und Massenvernichtungen für Menschlichkeit und Frieden eingesetzt haben, und zwar mit Taten, nicht nur mit Worten!
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Sehr geehter Herr Krause!
Zunächst finde ich es erfreulich, dass Sie die Kirche und deren Vertreter differenziert beurteilen.
Der damalige Bischof meiner Heimatstadt Wien hat z.B. freudig für den Anschluss gestimmt und einen Brief mit "Heil Hitler" unterschrieben. Das ist beschämend. Kurz danach hat er - offenbar klüger geworden - in einer Predigt an die Jugend im Stephansdom gesagt "Nur einer ist euer Führer, Jesus Christus!". Die Nazis haben das ganz richtig verstanden und darauf das erzbischöfliche Palais gestürmt, das Mobiliar vandalisiert und einen Prälaten aus dem Fenster geworfen.
Man muss also sogar einzelne Menschen differrenziert beurteilen.
Der viel umstrittene Papst Pius XII hat sich sehr für den Frieden eingesetzt, er hat - wie sein Vorgänger - den Nationalsozialismus und den Rassismus scharf kritisiert. Sein größeres Feindbild aber war der Kommunismus. Vielleicht lag er da falsch. Ganz sicher ist: Er hat in Rom vielen Juden das Leben gerettet, indem er sie in kirchlichen Einrichtungen verstecken ließ, und er hat damit sein eigenes Leben riskiert. Seinen Worten sind durchaus Taten gefolgt.
Manchmal stehen Mut und Klugheit in Konkurrenz. Die niedeländischen Bischöfe haben sich offen für den Schutz der Juden ausgesprochen. Die Folge war, dass nun auch die bisher verschonten getauften Juden in die KZs kamen. Wie sollte man weiter handeln? Im Sinne der Wahrheit nochmals offen protestieren? Oder lieber heimlich helfen, um weitere Morde zu verhindern? Der Papst hat sich offenbar für zweiteres entschieden. War das wirklich objektiv falsch?
Ganz sicher ist: Unmittelbar nach dem Krieg galt Pius XII bei vielen Juden als Held. Dass sich das derart gedreht hat, erscheint mir seltsam.
Die Mitschuld der Kirche am Antisemitismus ist allerdings nicht zu leugnen. Auch nicht, dass manche Kleriker im Nationalsozialismus die ersehnte Rettung vor Kommunismus und Judenverschwörung gesehen haben. Und schon gar nicht, dass manche aus persönlicher Feigheit zu Mitläufern geworden sind.
Zu diesem Thema passt - wie so oft - ein Epigramm von Erich Kästner:
"Die Erinnerung ist eine mysteriöse
Kraft und bildet die Menschen um.
Wer das Gute vergisst, wird böse.
Wer das Böse vergisst, wird dumm."
Ich möchte keines von beidem vergessen. Aber im Zweifelsfall bin lieber dumm als böse.
Kay Krause am Permanenter Link
Na klar ist das eine Form des Ablaßhandels, wobei es doch letztlich egal ist, mit Hilfe welcher Organisation ich mich für meine geplanten oder bereits ausgeführten Morde
Freunde, diese Welt ist irre! Dass der HVD nun dabei auch noch einen Platz sucht, ist mir völlig unverständlich. Ich bin sicher, der HVD hätte andere Möglichkeiten, sich zu diesem Thema zu äußern!
Wie sagte Kurt Tucholski so schön: jeder Soldat ist ein potentieller Mörder!
R.Müller am Permanenter Link
Der Beitrag beschreibt ungeschminkt ein Dilemma des HVD. Humanismus und Militarismus vertragen sich nicht, nein, sie schließen einander aus.
thomas heinrichs am Permanenter Link
Lieber Herr Müller, Sie haben ja ganz recht. Die Humanistische Akademie hat vor ca. 2,5 Jahren eine Tagung zur Humanistischen Soldatenseelsorge gemacht. Ich war als Referent dabei. Die Tagung hatte ca.
Ernst-Günther Krause am Permanenter Link
Ich habe 1967/68 18 Monate lang als Zivi gedient - damals als überzeugter Christ. Während des Zivildienstes habe die Seiten gewechselt und lebe seitdem sehr zufrieden als Atheist.
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Wer Beratung und psychische Betreuung von Soldaten möchte, und das sollte eigentlich jeder, sollte auf Psychologen setzen, nicht auf auf weltanschaulich bzw. religiös bestimmte Interessenvertreter.
Ernst-Günther Krause am Permanenter Link
Nur weil jemand Psychologe, Arzt oder was auch immer ist, heißt das nicht, dass er keine Interessen hat. Er legt seine religiöse oder nicht-religiöse Weltanschauung zudem nicht am Kasernentor ab.
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Eine Binsenweisheit.
Aber er ist nicht im Auftrag und nach Auswahl durch eine weltanschaulich gebundene Organisation unterwegs und hat nicht in auf der Basis einer solchen Weltanschauung/Religion vorzugehen.
Darauf kommt es an.
Dr. Bruno Osuch am Permanenter Link
Lieber Rüdiger Weida,
Und zu guter letzt: Die humanistischen Beraterinnen und Berater in den Armeen Belgiens und den Niederlande sind den konfessionsfreien Soldatinnen und Soldaten sehr willkommen. Sie sind dort gar nicht mehr
wegzudenken. Und niemand wirft ihnen Parteinahme für den "Militarismus" vor!
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Lieber Dr. Bruno Osuch,
doch, so einfach ist es.
Nicht irgendwelche weltanschaulich - religiösen Organisationen haben solche Seelsorger zu stellen, sondern allein der Staat hat zu entscheiden, wen er für diese Arbeiten einstellen möchte.
Der HVD kann ja gern solche Berater ausbilden, wie viele andere Institutionen auch. Aber ob er sie dann auch einstellt, bleibt beim Staat.
Zu fordern, dass der die ihrer Organisation nimmt festigt nur die gleiche Forderung von Seiten der Kirchen und ist somit klar der falsche weg.
Horst Groschopp am Permanenter Link
In den bisherigen Kommentaren kommen die prinzipiellen konzeptionellen Unterschiede in der „Szene“ gut zum Ausdruck (Stichwort „Staatsknete“).
Das wären ja keine Psychologen, sondern konsequenterweise „konfessionelle“ (den Humanismus so verstehende, den Religionen „gleichgestellte“) Fachleute, also auch keine „säkularen“ (im strengen Sinn des Wortes) Beratende.
Da ich selbst einmal bis Ende 2009 diese Verhandlungen (gemeinsam mit dem leider inzwischen verstorbenen Humanisten und FDP-Urgestein Wolfgang Lüder) mit Politikern und dem Bundeswehrband geführt habe, ist diese Erkenntnis die eigentlich folgenreiche – in mehrfacher Hinsicht: Einbindung in die Armee, Gehorsam, den Grenzen der christlichen [andere gibt es nicht] Seelsorger entsprechend, Uniform, besondere Rangabzeichen, aber auch gleiche Besoldung, ähnliche Ausbildung (außer der anderen Weltanschauung) usw.; vor allem aber ist Voraussetzung ein Bedarf in der Truppe selbst. Bei 50 „Seelsorgern“ entspräche das etwa über 1.000 Soldaten, die HVD-Mitglieder sind, wahrscheinlich mehr. Wie will man sonst die „Konfession“ feststellen? Es gibt keine konfessionslose Konfession, keine atheistische, gar „säkulare“ usw. Und die christlichen Seelsorger werden sich nicht "säkularisieren" lassen (obwohl sie es faktisch bereits weitgehend sind, aber die Organisation "Kirche" wird wohl vorerst und noch einige Zeit bleiben).
Da liegt der Hase im Pfeffer, unabhängig vom Antragsverfahren und all den nötigen Vorgängen; unabhängig von den Sonderwünschen, die der HVD bisher dazu (an versteckten Stellen) vorbringt. Und das alles müssten dann die Mitglieder des HVD, seine Gremien, beschließen, einen fertigen Vertrag oder die Aufnahme von Verhandlungen, wenn denn jemand verhandeln will bei (jetzt) Frau von der Leyen.
Auf diese Weise, durch diesen Unfug im Punkt 25, werden sonst vernünftige Forderungen (nicht alle sehe ich so) in diesem „HVD-Luther-Katalog“ der Satire freigegeben.
Der HVD hat einen zuständigen Bundesbeauftragten für dieses Projekt. Mindestens er sollte hier im hpd für Aufklärung sorgen, damit sich die Öffentlichkeit nicht verschaukelt fühlt.
Dr. Bruno Osuch am Permanenter Link
1. Zum Persönlichen: Auch ich war als junger Mann atheistischer Soldat der Bundeswehr und hätte mir sehnlichst gewünscht, mit einem humanistischen Berater meine Sorgen und Nöte teilen zu können.
3. Zur Psychologie: Ohne Frage hat jede Grossorganisation ihre innere Logik und Anziehungskraft, zumal wenn sie dem Prinzip von Befehl und Gehorsam unterliegt. Aber - jede Art von liberaler humanistischer Beratung hat zum Ziel die Stärkung der Autonomie und Verantwortung des Individuums und seiner ethischen Entscheidungskompetenz. Insofern ist humanistische Beratung noch am ehesten Geeignet, sich von dieser inneren Logik des rein Militärischen unabhängig zu machen.
Thomas Heinrichs am Permanenter Link
Ich kann dem Artikel nur zustimmen. Die Frage ist allerdings, wer ist da der HVD-Deutschlands, der diese Forderungen erhebt? Die Frage der Soldatenseelsorge ist im HVD sehr umstritten.
Frank Roßner, H... am Permanenter Link
Lieber Thomas Heinrichs, lieber Horst Groschopp, liebe Redaktion und lieber Autor des Beitrags ich möchte mit einigen Hinweisen die Diskussion am Kochen halten, ich denke sie ist es wert:
es bedarf nicht mehrerer tausend HVD Mitglieder unter den Soldaten und Offizieren oder in Zukunft den Söldnern in der Bundeswehr, sondern einer kurzen Frage, die beim Eintritt in die Armee beantwortet werden muß, von wem sich der- oder diejenige beraten lassen möchte und da darf es in Zukunft, das ist völlig klar nicht nur Berater mit monotheistischem Background geben;
wann wird endlich die Frage der Abschaffung der Balkenkreuze auf den Waffensystemen der Bundeswehr auf die Tagesordnung gesetzt, welche sich beginnend mit Kreuzrittern und Kreuzzügen bis hin zum dritten Reich beziehen und nach dem zweiten Weltkrieg vom damaligen BP Heuß (der freundlicherweise 1933 ohne Not für die Hitlerschen Ermächtigungsgesetze im Reichstag gestimmt hatte), auch ohne Not wieder eingeführt wurden;
nachdem seit den Worten eines bekannten SPD-Bikers "Deutschland am Hindukusch verteidigt" wird, habe ich aufmerksam die Inhalte der entsprechenden Weißbücher des Verteidigungsministeriums studiert und lege das allen, die sich um die Beratungsinhalte der deutschen Soldaten kümmern wollen ans Herz.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Roßner
Gisela Dapprich am Permanenter Link
Institutionen haben einen Einfluss auf die Menschen, in denen sie arbeiten. Und wenn sie gegen die Interessen der BW agieren sind sie so schnell draußen wie vorher drinnen.
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Konsens oder Dissens - ist das jetzt die Gretchenfrage? Viele Wege führen nach Rom: volle Anerkennung der Säkularen wie der Kirchlichen!
Prekariat (in das wir geraten sind, weil die Kirchen ihren Organisationsgrad über den der Grund- und Menschenrechte stellen) - das geht auch nicht. Leider geht auch derzeit der Laizismus nicht - dem steht der kirchliche Lobbyismus schier unüberwindbar im Wege.Laßt uns realistisch bleiben. Aber dranbleiben am Problem, viele Schritte ausprobieren, sachlich bleiben, sachlich beurteilen, wo und wie Erfolge zu haben sind - und den kleinen Haufen aufrechter, konfessionsfreier Demokraten nicht zerstückeln und zersplittern (wie es die Linken seit jeher genüßlich tun in überbordendem Individualismus) -
das ist wichtig. Von den Kirchen lernen: die gehn' zusammen, mit allen Evangelikalen, Sekten und Fremdreligionen. Also denkt nach: was ist unser Wesenskern (Humanität, Demokratie, Freiheit, Menschenrechte) und laßt ihn uns verteidigen.
Sozusagen: "auf Teufel komm raus!" Humanistische Grüsse! Karin Resnikschek
Horst Groschopp am Permanenter Link
Seelsorge ist ein humanistischer Grundbegriff. Humanismus fußt nicht auf biologischen Grundlagen. Aber das ist hier nicht das Thema.
Gleichbehandeln kann man nur Gleiches, Äpfel nicht mit Birnen. Was ist mit wem/was gleich? Die hier gemeinte verfassungsmäßige Gleichbehandlung fußt auf Art. 140 GG iVm Art. 137,7 WRV. Danach werden Weltanschauungsgemeinschaften (etwa HVD, aber auch bfg u.a.) mit Religionsgesellschaften (Kirchen) rechtlich gleichgestellt. Das heißt aber nicht, dass das praktisch automatisch geschieht oder dass dies für alle Felder gilt, z.B. für die Bundeswehr, oder dass dies alle diese Verbände so wollen.
Die Humanistische Akademie hat schon vor paar Jahren Verfassungsexperten befragt und dazu publiziert. So hat Christine Mertesdorf in „Konfessionsfreie und Grundgesetz“ und in „Humanistik“ die Rechtslage für diverse Gebiete in ihrer Sicht erläutert, auch das hier diskutierte. Gerhard Czermak und Thomas Heinrichs haben dazu unterschiedliche Aufassungen publiziert. Das darf gelesen werden.
Jedenfalls ist es eine ganz andere Frage, nach „säkularen“, „konfessionsfreien“ Beratungen im Militär zu fragen als nach der Gleichbehandlung der oben genannten Organisationen, für die Art. 137.7 gilt. Gleichstellung von Kirchen und Konfessionsfreien klingt gut, ist aber politischer wie juristischer Nonsens. Der Forderung „gleiches Recht für uns Konfessionsfreie“ fehlt das handlungsfähige Subjekt. Ein „Zentralrat der Konfessionsfreien“, ein alter Vorschlag von Michael Schmidt-Salomon, wäre parallel zu dem der Katholiken. Wieder eine andere Ebene, abgesehen davon, wovon Organisationen der Konfessionsfreien frei sind, ob weltanschaulich neutral, plural oder von jedem Glauben frei (wenn das geht). Wie sähe eine („offene“, „multikulturelle“?) Soldatenberatung aus? Das wäre eine psychologische Beratung, die es schon gibt.
Der HVD ist formal gesehen ein „konfessionelles“ Subjekt, weil eine „Weltanschauungsgemeinschaft“. Gerade als solche kann er nicht so naiv sein, sich für neutral zu halten, etwa gänzlich „konfessionsfrei“, ohne Bekenntnis. Ich dachte immer, Humanismus sei seine Weltanschauung. Zu glauben, dass es nur „einer kurzen Frage [bedarf], die beim Eintritt in die Armee beantwortet werden muß, von wem sich der- oder diejenige beraten lassen möchte“, sieht von Wesentlichem ab, nämlich von einer Antwort genau auf diese Frage, wer denn nun beraten soll, inklusive einem relevanten Bedarf danach in der Truppe selbst.
Dann gibt es noch daraus abgeleitet mindestens eine weitere Frage: Sind denn ausgerechnet existentielle Fragen „weltanschauungs-bzw. religionsfrei“?
Man kann es drehen und wenden wie man/frau will, mal so schnell 50-100 BeraterInnen zu fordern ist nicht nur weltfremd, sondern kontraproduktiv, von Mehrheiten im HVD mal ganz abgesehen. Beim letzten großen Streit zu dem Thema, es ging um Kosovo und militärisches Eingreifen mit humanitär gemeinten Begründungen, drohten namhafte Mitglieder mit Austritt – und dies mit humanistischer Argumentation. Bruno Osuch hat oben den Kompromiss vorgestellt. Die Sache wird also entschieden, wenn es praktisch werden sollte. Wer will und sich legimiert, kann ja vorangehen.
Das eigentliche politische Kernproblem ist doch, dass eine christliche moralische Unterweisung von Soldaten nicht mehr funktioniert, schon wegen der Muslime. Darauf ist die Bundeswehr von selbst gekommen, etwa im Hinblick auf den „Lebenskundlichen Unterricht“ und die „innere Führung“. Das Problem mit der „Seelsorge“ verkürzt die Sorgen der Truppenführung. „Verfassungspatriotismus“ ist eine schöne Sache, doch dafür als Soldat sterben? Es findet also eine Suche nach „moralischer Vertiefung“ statt. Ob aber ausgerechnet Humanismus hier hilfreich ist/sein sollte?
Thomas Heinrichs am Permanenter Link
Ich verweise zunächst einmal noch auf meinen Beitrag auf hpd dazu "Der HVD in der Bundeswehr".