Kommentar

Ist die Konsensorientierung der neue Ablaßhandel?

Der HVD - Humanistischer Verband Deutschlands, hat vor einiger Zeit das Projekt "Gläserne Wände - Bericht zur Benachteiligung nichtreligiöser Menschen in Deutschland" vorgestellt. Mit 33 Forderungen will der HVD auf die Benachteiligung nichtreligiöser Menschen aufmerksam machen und fordert wichtige Veränderungen ein.

Zunächst erscheinen alle Forderungen sinnvoll - zumindest auf den ersten Blick. Wären da nicht Forderungen eingeschoben, die so konsensorientiert sind, dass es geradezu ins Auge springt, dass da eine Bewegung an die Tröge will.

Unter anderem ist da Punkt 25. Da wird die "Einstellung von 50 bis 100 Humanistischen Beraterinnen bei der Bundeswehr" gefordert. Wir erinnern uns: Es gibt in Deutschland circa 100 evangelische und 100 katholische Militärpfarrämter, dazu 5 evangelische und 4 katholische Militärdekanate und je einen Militärbischof. Dafür zahlt der Staat ca. 30 Mio. Euro in jedem Jahr. Der Verzicht auf die Forderung nach Abschaffung der religiösen Militärseelsorge fällt weit hinter den Mainstraem der laizistisch/politischen Bewegungen zurück. Selbst innerhalb der Kirchen gibt es Initiativen zur Abschaffung der staatlich finanzierten Militärseelsorge.

Dort heißt es: "Die Militärseelsorge erfüllt in der Praxis, ähnlich wie der Truppenpsychologe, die Militärmusik, die Feldküche und der Sanitätsdienst, eine Rolle innerhalb des Militärs. Sie ist ein kleines Rad in der großen Militärmaschine." und weiter: "Laut einer Untersuchung des Sozialwissenschaftlichen Institutes der Bundeswehr ist die Funktion der Militärpfarrer in der Praxis nur selten das persönliche Gespräch mit den Soldaten (Militärpfarrer-Paradoxon). Unsere Wahrnehmung: Die Hauptfunktion der Militärpfarrer ist die Begleitung, und damit die moralische Legitimation der Auslandseinsätze. Der Soldat hat den Eindruck: Wenn sogar der Pfarrer mitkommt, dann kann das, was wir hier tun, nicht verwerflich sein."... "Wenn ein Pfarrer immer wieder Kasernen betritt oder Soldaten begleitet, färbt dies auf ihn ab. Die meisten Militärpfarrer übernehmen mit der Zeit die Verhaltensweisen, die Gewohnheiten und die Gedanken des Militärs."... "Wir haben den Eindruck: Auf die Militärseelsorgestellen bewerben sich - nicht immer aber oft - solche Pfarrer, die eine Affinität zu militärischen Strukturen und Verhaltensweisen haben."

Erschreckend sind in diesem Zusammenhang auch die Äußerungen des Essener Militärbischofs Franz-Josef Overbeck. In einem Interview in der Tageszeitung WAZ äußerte er sich am 23. Januar 2017 so: "Der klassische Auftrag der Landesverteidigung kann nicht mehr ausschließlich an den Landesgrenzen ausgeführt werden. Deutschland ist ein Land in Bündnisstrukturen, von denen wir selbst Nutznießer sind. Das wird auf Dauer mehr Auslandseinsätze zur Folge haben können. Es bleiben weiter besonders der Mittlere und der Nahe Osten im Blick, aber auch Afrika. Unsere gesellschaftliche Verantwortung an unseren Landesgrenzen enden zu lassen, wäre ein Rückfall in Nationalstaatlichkeit, der der Wirklichkeit nicht gerecht würde, und auch nicht unserem Selbstverständnis."

Und weiter auf die Frage: "Nimmt die Zahl der traumatisierten Soldaten zu?" Overbecks Antwort: "Nach allem, was wir wissen, suchen sie häufiger psychologische Hilfe auf. Ob Soldaten belasteten Situationen gewachsen sind, ist u.a. auch eine Frage, wie Einsätze in der Vorbereitung ethisch reflektiert werden. Das gilt auch für unsere Militärseelsorger, die wir ja mitschicken. Ohne Vorbereitung und Begleitung geht das nicht."

Laut Overbeck ist es also wichtig, "wie Einsätze in der Vorbereitung ethisch reflektiert werden". Und da kommt wieder der HVD ins Spiel. Er will ebenfalls 50 bis 100 Humanistische Berater stellen - staatlich finanziert natürlich. Die politische Dimension dieser Forderung scheint hinter den personell/materiellen Ansprüchen zurückzufallen.

In den letzten großen europäischen Kriegen hat die Kirche die kriegführenden Regierungen unterstützt und gestärkt. Alle anderen Behauptungen sind Lügen. Will sich der HVD wirklich an der ethisch-moralischen Einstimmung der Soldaten auf kriegerische Handlungen einlassen? Falls dem so ist, dann stellt sich die Frage, ob diese Konsensorientierung mit der Aussicht auf Staatsknete eine neue Form des Ablaßhandels ist.