Durch ihr gewalttätiges Auftreten sind die Autonomen wohl die bekannteste Subkultur im Linksextremismus. Sie formulieren aber kaum konkrete politische Ziele über die Verteidigung oder Erweiterung von "Freiräumen" hinaus.
Die Autonomen werden über die Medienberichterstattung meist nur als "schwarzer Block" bei Demonstrationen wahrgenommen. Aggressive Parolen, martialisches Gehabe und schwarze Kleidung prägen ihr Bild. Doch worum handelt es sich hier? Bilden die Autonomen nur eine Gruppe gewaltfixierter Jugendlicher, geht es in erster Linie um das Ausleben von persönlichem Unmut, handelt es sich um eine von vielen Subkulturen dieser Altersgruppe, stehen sie für eine politische Bewegung mit konkreten Zielen? All diese Fragen lassen sich nur schwer beantworten, geht es hier doch nicht um eine politische Organisation mit klaren Strukturen und politischen Zielsetzungen. Selbst die eindeutige Identifikation einer Gruppe oder Person als den Autonomen zugehörig ist schwierig. Insofern kann die folgende Darstellung und Einschätzung dieses Teils des Linksextremismus hinsichtlich seiner Verallgemeinerung nur vorbehaltlich gelten. Immer wieder lassen sich von den allgemeinen Merkmalen abweichende Besonderheiten oder Unterphänomene ausmachen.
Herkunft der Bezeichnung aus der Autonomia Operaia
Bereits über die genaue Herkunft der Selbstbezeichnung "Autonome" - was für so viel wie Eigenständigkeit steht - lässt sich keine genaue und zweifelsfreie Aussage treffen. Allgemein wird angenommen, dass man hier an die "Autonomia Operaia" (Arbeiterautonomie) im Italien Ende der 1960er Jahre anknüpfte. Dabei handelte es sich um eine Gruppe von jungen Fabrikarbeitern und Studenten, die sich mit ihren Aktionen bewusst gegen die etablierten Gewerkschaften und die Kommunistische Partei stellten. Ihnen warf man Anpassung und Verbürgerlichung vor. Statt dessen setzten die Anhänger der Autonomia Operaia auf Sabotageaktionen und Streiks. Bei den heftigen Auseinandersetzungen in den Fabriken, wie etwa 1969 bei Fiat in Turin, spielten sie eine bedeutende Rolle. Im Unterschied zur Situation in Deutschland gelang hier teil- und zeitweise ein Bündnis von Arbeitern und Studenten. Es zerbrach allerdings im Laufe der 1970er Jahre wieder. Gleichzeitig lösten sich viele Gruppen der Arbeiterautonomie aufgrund von internen Konflikten und Widersprechen wieder auf.
Die Spontis der 1970er Jahre als Vorläufer der Autonomen
Weitaus bedeutsamer für die deutschen Autonomen sollten die Spontis der 1970er Jahre werden, können sie doch hinsichtlich Aktion, Einstellung, Motivation und Organisation als direkte Vorläufer gelten. Bei den Spontis handelte es sich um ein spätes Überbleibsel der zerfallenen Achtundsechziger Bewegung und zwar von jenen Teilen, die sich weder in Richtung der sowjetmarxistischen DKP noch der maoistischen K-Gruppen orientieren wollten. Die Spontis traten für organisatorische Autonomie ein und legitimierten sich durch ihr Betroffenheitsgefühl. Statt einer entwickelten Ideologie verfügten sie primär über einen subjektiven Voluntarismus. Insbesondere an den Universitäten entstanden zahlreiche studentische Hochschulgruppen, die von Emotionalität und Lustprinzip geprägt mit humorvollen und unkonventionellen Aktionen auf sich aufmerksam machten. Die damalige Bedeutung der Sponti-Bewegung veranschaulicht ein 1978 in Berlin durchgeführter "Nationaler Widerstandskongress: Reise nach TUNIX" mit 6.000 Teilnehmern.
Ideologische Besonderheiten und Politik der ersten Person
Seit Beginn der 1980er Jahre kann von dem Bestehen der Autonomen als einer eigenständigen Subkultur gesprochen werden. Über ihr politisches Selbstverständnis geben folgende Auszüge aus einem Thesenpapier von 1981 Auskunft: "1. wir kämpfen für uns und führen keine stellvertreterkriege, alles läuft über eigene teilnahme, politik der ersten person, wir kämpfen nicht für ideologien, nicht fürs proletariat, nicht fürs volk, sondern für ein selbstbestimmtes leben in allen bereichen. ... 5. wir haben alle einen diffusen anarchismus´ im kopf, sind aber keine traditionellen anarchisten. Die begriffe marxismus, sozialismus und kommunismus beinhalten für uns nach allen ihren theorien und praktiken den staat und können somit von uns auch als zwischenstufe´ nicht akzeptiert werden" (Radikal, Nr. 98/1981). Hier fällt auf, dass bei der positiven Beschreibung des eigenen Wollens kaum politische Inhalte formuliert werden. Identitätsstiftend wirkt primär eine Einstellung, welche Emotionalität und Subjektivität zum zentralen Maßstab des Denkens erhebt.
Die selbstgewählte Isolation von der Mehrheitsgesellschaft
Unmittelbar aus dieser subjektiven Prägung folgt das durch gewollte Abgrenzung und selbstgewählte Isolation bestimmte Verhältnis zur Welt außerhalb der Subkultur. Offenbar befürchten Autonome mit dem Dialog mit oder dem Einwirken der Gesellschaft oder des Staates den Verlust von eigener Identität oder das Wegbrechen von Anhängern. Dies erklärt auch die unter ihnen immer wieder beschworene Notwendigkeit, sich nicht in das normale Arbeitsleben durch Berufstätigkeit integrieren zu lassen. Für die gesamtgesellschaftliche Umsetzung ihrer Auffassung können sie ebenso wenig Mittel, Strategie und Wege angeben. Vielmehr erschöpft sich die Haltung der Autonomen in der Verweigerung, die im politischen Engagement per se eine verwerfliche Handlungsweise sieht. Statt dessen strebt man die Eroberung und Verteidigung von Feiräumen an, welche in Form von besetzten Häusern oder dominierten Einrichtungen (z.B. Jugendclubs) gesehen werden. Darüber hinaus gehende positive Benennungen politischer Inhalte und Ziele sucht man bei den Autonomen meist vergebens.
Die politischen Betätigungsfelder in Protestbewegungen ab der 1980er Jahre
Die politischen Betätigungsfelder der Autonomen sind für diese Frühzeit auf folgenden Gebieten zu sehen: Mit der Forderung nach eigenen "Freiräumen" kam es zu massenhaften Hausbesetzungen in größeren Städten, begleitet von gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Großdemonstrationen gegen Atomkraftwerke nutzten Autonome, um aus der überwiegend friedlichen Gruppe der Teilnehmer heraus Angriffe gegen Polizeiangehörige und Beschädigungen von Einrichtungen durchzuführen. Darüber hinaus kam es zu Angriffen auf Banken, Baufirmen und Militäreinrichtungen, was letztendlich auch die durch Differenzen zur Militanzfrage ausgelöste Abspaltung der Autonomen von der Friedensbewegung bedingte. Andere friedliche Proteste gegen regionale Vorhaben wie die Startbahn West in Frankfurt/M. oder die bundesweit durchgeführte Volkszählung nutzten Aktivisten der Szene ebenfalls für ihr gewalttätiges Vorgehen. In diesen Fällen mangelte es häufig an einer kritischen Auseinandersetzung der friedlichen Demonstrationsteilnehmer mit den Autonomen.
Die politischen Betätigungsfelder in Protestbewegungen ab der 1990er Jahre
In den 1990er Jahren setzten die Autonomen auf weiteren Themenfeldern ihre Aktivitäten fort, sei es bei Protesten gegen den Golfkrieg oder gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Gegen Angehörige dieses politischen Lagers gingen Autonome auch gezielt vor. In ihrer Hochburg Berlin bildete der "Kampf gegen Umstrukturierung" eine Schwerpunkt der Aktivitäten, wobei es um militante Protestaktionen gegen den Ausbau der Stadt zur Regierungs- und Dienstleistungsmetropole ging. Seit Ende der 1990er Jahre nutzten Autonome auch Proteste gegen die Globalisierung in Deutschland und im Ausland als Forum für ihre Aktivitäten und Ausschreitungen. Insbesondere bei den Demonstrationen gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm im Sommer 2007 zeigte sich die hohe Militanzbereitschaft der Szene. Auffällig bei all diesen Ausschreitungen ist aus der Gesamtschau, dass die Autonomen mit ihren Aktivitäten je nach Aktualität von Anlass zu Anlass und Thema zu Thema springen, ohne – mit Ausnahme der Verteidigung ihrer "Freiräume" – eigenständig ihnen wichtige Politikfelder anzugehen.
Die quantitative Entwicklung und soziale Zusammensetzung
Nach Angaben der Sicherheitsbehörden stieg die Zahl der Autonomen in den 1990er Jahren kontinuierlich an, gehörten ihnen 1990 2.300 Personen an, waren es 1996 6.000 und 2001 7.000. Erst ab 2002 kam es zu einem Rückgang auf 5.500 Personen und um diese Zahl bewegte sich das Potential auch Ende 2006. Bis 2009 stieg die Anhängerschaft der Autonomen auf 6.100 und bis 2011 auf 6.400. 2013 lies sich wiederum ein leichter Rückgang auf 6.100 konstatieren. Über die soziale Zusammensetzung liegen keine Forschungsergebnisse vor. Auch hier kann man sich nur auf die Angaben der Verfassungsschutzbehörden stützen. Demnach sind die Anhänger der Autonomen überwiegend zwischen 15 und 28 Jahre alt, Schüler, Studenten, Auszubildende oder haben eine gescheiterte Ausbildung hinter sich, viele sind arbeitslos, jobben gelegentlich oder beziehen "Staatsknete" (Sozialhilfe). Die Verweildauer in der Szene betrage oftmals nur wenige Jahre. Wie bei allen Verallgemeinerungen gibt es auch hier Ausnahmen: In dieser Subkultur findet man auch Alt-Autonome, die schon die Grenze zum halben Lebensjahrzehnt überschritten haben und ebendort über ein hohes Ansehen verfügen.
Die mangelnde Organisationsstruktur und der lockere Zusammenhalt
Bei den Autonomen existieren nur schwach organisierte Personenzusammenschlüsse, gelten doch festere Hierarchien und Strukturen als Ausdruck des abgelehnten autoritären Denkens. Einen Eindruck davon vermittelt folgende Beschreibung aus der Szene, wonach es nicht "die" typische autonome Gruppe gebe: "Statt dessen bilden sich die unterschiedlichsten Konstellationen: Aus Freundeskreisen werden mehr oder weniger kurzlebige Banden oder bei Bedarf aktivierbare Aktionsgruppen; aus Demo-Bekanntschaften ergeben sich spontan handlungsfähige und wieder zerfallende Chaoten-Combos; aus politischen Plena entwickeln sich dauerhafte Gruppen, die auch zur Tat schreiten, in wechselnden und sich auch überschneidenden Zusammensetzungen agieren Gruppen manchmal nur ein einziges Mal, manchmal über Jahre, einige verfestigen sich, andere bleiben lose, manche wandeln sich in Theoriezirkel oder Selbsthilfegruppen" (A.G. Grauwacke, S. 143). Insofern scheiterten auch immer wieder Bemühungen zur bundesweiten Integration und Organisation.
Die Bemühungen um eine Vernetzung der Aktivitäten
Gleichwohl gab und gibt es immer wieder einschlägige Versuche, wofür Projekte im Sinne einer Vernetzung der Aktivitäten stehen. Als bereits älteres Beispiel dafür kann seit 1989 "Avanti – Projekt undogmatische Linke" mit Ortsgruppen im norddeutschen Raum gelten, plädierte man doch etwa 2008 in der Erklärung "Intervention braucht Organisation" um einer gemeinsamen Handlungsfähigkeit willen für mehr Verbindlichkeit und zentralere Strukturen. Mit der 2005 entstandenen "Interventionistischen Linken" (IL) besteht gar ein bundesweit aktives informelles Netzwerk, worin aber einige beteiligte Autonomen-Gruppen die Entwicklung von festeren Organisationsstrukturen ablehnen. Und schließlich kann in diesem Kontext auch das 2010 entstandene "[3A]*Revolutionäre Bündnis" genannt werden, beabsichtigt man doch den "Aufbau einer bundesweiten revolutionären kommunistischen Organisation". Angesichts der Bejahung festerer Strukturen darf indessen auch gefragt werden, ob man es hier jeweils noch mit Autonomen im engeren Sinne zu tun hat.
Das besondere Verständnis von Gewalt als prägender Bestandteil der Bewegung
Die Gewaltbereitschaft bildet ein zentrales, nicht nur handlungs-, sondern auch identitätsbezogenes Merkmal des Agierens der Autonomen. So heißt es in einem Selbstzeugnis: "Aber allen ist gemeinsam, dass die Militanz zum identitätsstiftenden, prägenden Bestandteil der Bewegungserfahrung wird" (A.G. Grauwacke, S. 142). Oder: "Militanz ist in unseren Augen notwendiger Bestandteil linksradikaler Politik, sowohl im allgemeinen Sinn der konsequenten, kämpferischen Haltung an sich, als auch im engeren Sinn von politischer Gewalt" (A. G. Grauwacke, S. 380). Dabei muss hervorgehoben werden, dass Gewalt nicht nur als Mittel zum Zweck verstanden wird. Vielmehr artikuliert sich in der Bereitschaft zu und der Anwendung von Gewalt auch ein für das Selbstverständnis wichtiges Lebensgefühl. Man empfindet derartige Handlungen als Akt der individuellen Selbstbefreiung von angeblich verinnerlichten Herrschaftsstrukturen. Insofern bedarf Gewalt auch keiner besonderen Legitimation, gilt sie doch als normale Handlungsoption.
Die Funktionen der Gewalt bei Gruppenintegration und Identitätsbildung
Das Überschreiten der Schwelle zur Strafbarkeit wird nicht nur nicht näher problematisiert, sondern als Ausdruck besonders konsequenten Agierens angesehen und geschätzt. Zu ihrer Funktion für die Identitätsbildung hier ein weiteres Selbstzeugnis: "Der Krawall wird zum politischen Ausdruck an sich, der nicht gezielt eingesetzt wird, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, sondern der den Preis´ hochtreiben soll, den das System´ zu zahlen hat – für ein Atomkraftwerk, ein geräumtes Haus ..." (A. G. Grauwacke, S. 142). Und für die Funktion der Gewalt zur Gruppenintegration steht folgendes Selbstzeugnis: "Wenn Steine und Mollis flogen, dann war das häufig auch eine Befreiung – von den Zwängen des Alltags, der Unterdrückung und Entfremdung. ... Das mitzubekommen, dabei gewesen zu sein, selbst Hand angelegt zu haben – davon konnten wir tagelang zehren, das gab uns Nahrung für den grauen Alltag. Das stärkte aber auch unsere Gruppenzusammenhalt und das stärkte unsere Gruppe in dem Gesamtgefüge autonomer Zusammenhänge." (A. G. Grauwacke, S. 148).
Die Formen der Gewaltanwendung von Anschlägen bis zu Straßenkrawallen
Bei den Gewalttaten lassen sich unterschiedliche Formen ausmachen: Bei Demonstrationen kommt es häufig zu Krawallen, welche zumeist relativ spontan erscheinen, gleichwohl szeneintern vorbereitet sind. Dabei greift man nicht nur Einrichtungen, Fahrzeuge und Gebäude mit Feuerwerkskörpern, Flaschen und Steinen, sondern auch gezielt Menschen wie Polizeibeamte und Rechtsextremisten an. Darüber hinaus lassen sich klandestine Aktionen ausmachen, wobei geplant und gezielt Brand- und Sprengstoffanschläge gegen Autohäuser, Dienstfahrzeuge, Elektrizitätswerke oder Job-Center durchgeführt werden. In den jeweiligen Taterklärungen, die sich häufig in gedruckter Form in dem Szene-Organ "Interim" wiederfinden, versucht man derartige Gewalttaten als notwendig zu rechtfertigen. Hierbei geht es den Tätern jeweils um die "Vermittelbarkeit" der Taten in das eigene politische Umfeld hinein. Insbesondere die "militante gruppe" (mg) und die "Revolutionären Aktionszellen" (RAZ) steigerten in den letzten Jahren zeitweise derartige Anschlagsaktivitäten, konnten aber in der Szene mit dieser Form der Gewaltanwendung kaum Anhänger und Nachahmer finden.
Die qualitative und quantitative Entwicklung der Gewaltintensität
Gleichwohl kann von einem qualitativen und quantitativen Anstieg der Gewaltintensität durch die Autonomen ausgegangen werden, lassen sich den Angehörigen dieser Subkultur doch nahezu alle einschlägigen Handlungen im Bereich des Linksextremismus zuordnen. Betrachtet man hierzu die statistischen Angaben zu den Gewalttaten, die sich allein auf Körperverletzungen (ohne Berücksichtigung der Widerstandsdelikte) beziehen, dann ergibt sich folgendes Bild: 2010 machten sie 541, 2011 583, 2012 471 und 2013 606 Fälle aus (Angaben zu den Widerstandsdelikten: 2010: 112, 2011: 135, 2012: 128, 2013: 243). Zu Tötungsdelikten kam es im genannten Zeitraum nicht, indessen 2010 zu 4, 2011, zu 3, 2012 zu 8 und 2013 zu 3 versuchten Tötungsdelikten. Besonders auffällig war in den letzten Jahren die Erhöhung der Gewaltintensität in Form von direkten Angriffen gegen Polizeibeamte, wobei man sich Fahnenstangen, Flaschen, Knüppeln, Pfefferspray oder Steinen bediente. Damit kalkulierten Autonome schwere Verletzungen von Menschen objektiv ein.
Der Konflikt zwischen den Antideutschen und den Antiimperialisten
Innerhalb der Autonomen-Szene kommt es immer wieder zu heftigen internen Kontroversen, die mitunter die ganze Subkultur lähmen oder spalten. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre gehörte der "Sexismus" zu diesen Themen, warf doch ein gewisser Teil dem anderen Teil der Szene frauenfeindliches Verhalten vor. Danach bestand eine ähnliche heftige Kontroverse zwischen einem "antideutschen" und einem "antiimperialistischen" Flügel bei der Einschätzung des Nahost-Konflikts: Die erstgenannte Strömung orientiert sich an der Politik des Staates Israel aufgrund ihrer Solidarität mit den Opfern des Faschismus, die traditionellen Antiimperialisten sehen sich demgegenüber auf der Seite der Palästinenser. Ihnen werfen die "Antideutschen" Blauäugigkeit gegenüber dem "Islamo-Faschismus" vor. So rechtfertigten Antideutsche beispielsweise den Irak-Krieg und gingen mit amerikanischen und israelischen Flaggen demonstrieren. Die damit verbundene Kontroverse führte zu heftigen Auseinandersetzungen, die szene-intern auch teilweise gewalttätig ausgetragen wurden.
Das Phänomen "Autonome Nationalisten" im Rechtsextremismus
Derartige Entwicklungen erschweren die Einschätzung der Autonomen noch mehr als es schon unabhängig davon ist. Als weiteres verwirrendes Phänomen in diesem Umfeld kommen die "Autonomen Nationalisten" im Rechtsextremismus hinzu. Hierbei handelt es sich um einen Teilbereich des Neonazismus, wo sich jüngere Anhänger ganz bewusst den optischen Besonderheiten und politischen Parolen der linksextremistischen Autonomen bedienen. Dazu gehören nicht nur die Kleidung in Form von meist schwarzen Baseball-Kappen und Kapuzenpullovern, sondern auch die Parolen in Gestalt von antikapitalistischen und antiisraelischen Aussagen. Optisch lassen sich beide Spektren mitunter nur beim genauen Hinsehen - bezogen auf die genaue Formulierung der politischen Aussagen auf Aufnähern oder Transparenten – unterscheiden. Den Rechtsextremisten geht es mit dieser Form des Auftretens zum einen darum, Linksextremisten und Polizeibeamte zu verwirren, zum anderen erhoffen sie sich, neuen Zulauf von Jugendlichen zu erhalten.
Schlusswort und Zusammenfassung
Bezüglich der Einschätzung des Gefahrenpotentials der Autonomen-Szene lässt sich konstatieren: Einerseits verharren die Anhänger der Subkultur in einer selbstgewählten Isolation und finden durch ihr gewalttätiges Verhalten in der breiteren Bevölkerung keine Akzeptanz. Auch bewegte sich das quantitative Potential in den letzten Jahren meist unter 7.000 Personen, wovon ein bedeutender Teil in wenigen Hochburgen wie Groß- und Universitätsstädten präsent ist. Die Gewaltintensität stieg zwar qualitativ und quantitativ an, blieb aber unter der Schwelle eines strukturierten Terrorismus. Andererseits bilden die Autonomen für nicht wenige junge Menschen eine zeitweilige politische "Durchlaufstation", die mit entsprechenden Prägungen einhergeht. Den demokratischen und gewaltfreien Teilnehmern von Demonstrationen fehlt mitunter die politische Sensibilität, mangelt es doch nicht selten an einer Abgrenzung von Autonomen als Extremisten und Gewalttätern. Und schließlich stellt die enthemmtere Gewalt für viele Polizeibeamte eine objektive Gefahr dar.
Literatur
A. G. Grauwacke (Hrsg.), Autonome in Bewegung. Aus den ersten 23 Jahren, Berlin o. J. (2003). Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.), Militante Autonome – Charakteristika, Strukturen, Aktionsfelder, Köln 1997.
Geronimo, Feuer und Flamme. Zur Geschichte und Gegenwart der Autonomen. Ein Abriß, Berlin-Amsterdam 1990.
Haunss, Sebastian: Identität in Bewegung. Prozesse kollektiver Identität bei den Autonomen und in der Schwulenbewegung, Wiesbaden 2004.
Mletzko, Matthias: Merkmale politisch motivierter Gewalttaten bei militanten autonomen Gruppen, in: Uwe Backes/Eckhard Jesse (Hrsg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie, Bd. 11, Baden-Baden 1999, S. 180-199.
Pfahl-Traughber, Armin. Die Autonomen – Portrait einer linksextremistischen Subkultur, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B. 9-10 vom 20. Februar 1998, S. 36-46.
Schultze, Thomas/Almut Gross, Die Autonomen. Ursprünge, Entwicklung und Profil der Autonomen Bewegung, Hamburg 1997.
Schwarzmeier, Jan: Die Autonomen zwischen Subkultur und sozialer Bewegung, Göttingen 2001.
Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht: CC BY-NC-ND 3.0
Autor: Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber für bpb.de
21 Kommentare
Kommentare
Dr. Jochen Lengerke am Permanenter Link
Eine interessanter Versuch der Einordnung des Phänomens "Autonome", den Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber hier unternommen hat - wenn auch in der Formulierung bisweilen arg weichgespült.
Das Stichwort "Bestialität" führt mich zum eigentlichen Anliegen dieser Wortmeldung. In der Tat bin ich versucht, diese Mörder als Bestien zu klassifizieren - was sie von mir, einem Menschen, und von der großen Masse abgrenzt - als nicht-menschlich eben.
Diese Einschätzung ist komfortabel, rückt sie mich doch in eine möglichst große Ferne von diesen unmenschlichen Verbrechen. "Komfortabel" bedeutet aber nicht zwangsläufig "richtig".
Kann es vielleicht sein, dass unsere Wohlanständigkeit, unsere Kultur, unsere Philosophie, unserer evolutionärer Humanismus, bei manchen auch: deren Religion - dass all dies eine dünne, höchst vulnerable Lackschicht ist, unter der es mit beträchtlichem Druck brodelt? Dass es nur eines passenden Anlasses bedarf, den Vulkan ausbrechen zu lassen?
Für diese zweite Annahme spricht einiges, wie zahllose historische und aktuelle Beispiele belegen. (Es seien nur Nazi-Faschismus und Islam-Faschismus angeführt.) Immer wieder bricht die Lackschicht auf und das Magma der uns eigenen Bestialität birst mit entsetzlicher Gewalt aus - entsetzend, weil zuvor mit so viel Energie verdrängt.
Diese zweite Einschätzung ist alles andere als komfortabel, rückt mir hautnah, geht unter die Haut. Unerfreulich, zur Verdrängung verführend, aber wohl nicht ganz falsch.
Mein Credo: Ich, alle Menschen, sind in ihrer "Lackschicht" verletzlich. Das zu Verkennen dürfen wir uns nicht leisten. Es gilt, uns und die Welt in der uns möglichen Klarheit wahrzunehmen. Und gerade deswegen müssen wir Mörder als Mörder benennen.
Gunnar Schedel am Permanenter Link
Nur mal so zum Verständnis: wer hat wen ermordet? oder: mit wievielen Menschen, die während des G20 in Hamburg waren, haben Sie denn gesprochen?
Dr. Jochen Lengerke am Permanenter Link
Ach, wie bedauerlich, verehrter Herr Schedel, dass Ihnen das Verständnis für meinen Beitrag fehlt und dass Sie meinen, sich in Verbaliniurien ergehen zu müssen. Mein Beileid.
Ich schrieb, dass es nicht zu Tötungsdelikten kam, was Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit wohl entgangen ist. Hieraus folgert, dass ich Mörder offensichtlich anders als Sie definiere, nämlich als einen Menschen, der die Absicht hat, einen anderen aus niederen Beweggründen zu töten und versucht, diese Tat auch aktiv umzusetzen. Dass das erfreulicherweise bisher nicht gelungen ist, ändert an meiner ethischen Bewertung dieser Menschen nichts. Es zählt die Tatabsicht.
Zu Ihrer weiteren Frage: Ich selbst war am vorletzten und letzten Wochenende in Hamburg. Ich hätte den Kommentar aber genau so geschrieben, wenn das nicht der Fall gewesen wäre. Die Ereignisse waren nämlich in diversen Medien zu verfolgen.
Ohne Täter keine Tat: Das haben Sie ganz richtig erfasst. Gratulation. Ich fasse den Begriff "Täter" aber wohl weiter als Sie. Täter ist für mich auch, wer die Gehwegplatten auf das Dach schleppt, damit sie runter geworfen werden - eventuell von einem anderen Täter. Und dieser andere bleibt Täter - auch, wenn er sich nach dem Wurf rasch seiner schwarzen Uniform entledigt. All diese nenne ich Mörder, wie bereits dargelegt.
Es tut mir Leid, wenn Sie abstrakten philosophischen Erörterungen nicht folgen können / mögen - um so mehr, als ich mich bemüht habe, mich möglichst einfach auszudrücken.
Was "verbalradikale Phrasen" angeht: Es ist schon zutreffend, dass es bisweilen notwendig ist, die Wurzeln bestimmter Phänomene zu erkennen und klar zu benennen. Ich lade Sie nachdrücklich dazu ein. Wollten Sie mit dem Begriff "verbalradikale Phrasen" vielleicht die Nazi-Keule schwingen? Nur zu! Jeder diskreditiere sich nach Belieben.
Gunnar Schedel am Permanenter Link
tschuldigung, aber die rhetorischen Taschenspielertricks verfangen bei mir nicht; wer den Begriff "Mörder" verwendet, ohne daß ein Mord begangen wurde, und ihn dann - wie Sie - mit einer Personengruppe in Zu
Dr. Jochen Lengerke am Permanenter Link
Aber natürlich "tschuldige" ich, verehrter Herr Schedel. [Persönliche Beleidigungen von der Redaktion gelöscht. Bitte bleiben Sie sachlich!]
Da es Ihnen offensichtlich entgangen ist: Das Wesentliche meines Leserbriefes ist die Sache mit der Lackschicht. Der Leserbrief behandelt in erster Linie grundsätzliche Fragen der menschlichen Psyche, "Geschwätz" also, wie Sie zu formulieren beliebten.
In zweiter Linie ordne ich die Extrem-Auswüchse des Aktionen des Schwarzen Blocks ein. Wer Betonplatten und Molotowcocktails von Dächern wirft oder wer, wie ich jetzt las, Hubschrauberpiloten mit einem Laser blendet, versucht, Mordabsichten umzusetzen. Deswegen bezeichne ich ihn als Mörder - auch, wenn seine Absichten nicht von Erfolg "gekrönt" sind. Dass das nicht den Gepflogenheiten der Rechtsprechung entspricht, ist eine triviale Feststellung. Es geht mir aber nicht um eine juristische sondern um eine ethische Stellungnahme.
Ich rufe auf zu "Zivilisierter Verachtung" (Carlo Strenger) gegenüber diesen Verbrechern. Es tangiert mich nicht wirklich, dass Sie das als "Hetze" meinen denunzieren zu müssen.
Rudi Knoth am Permanenter Link
Bei dem jungen Alter dieser Männer könnte man fast meinen, daß sie recht gute Soldaten wären. Nur wir haben keinen Krieg, in dem wir so viele Soldaten brauchen.
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Links soll der "Linksextremismus sein? Mein Eindruck ist: sie haben weniger "linke" Ideologien drauf, als die Rechtsradikalen. Reine Gewalttouris. Daher "autonom", also eher anarchisch.
Walter Otte am Permanenter Link
Interessante Frage wird da aufgeworfen. Sind gewalttätige Extremisten "links" oder bloße Gewalttäter, die sich austoben wollen und ein geiles Lebensgefühl genießen wollen?
Jedenfalls gerieren sich die Gewaltreisenden antikapitalistisch bzw. antiimperialistisch usw., und verwende im weitesten Sinne "linke" Begrifflichkeiten. Linke oder nicht?, mittlerweile streiten darüber die Linke, die Grünen, Teile der SPD und andere auch.
Würde es sich um sich auf den Koran berufende Gewalttäter handeln, wäre die Mainstream-Antwort ganz kurz und bündig: ja selbstverständlich, sie sind Muslime und so (gewalttätig) ist der Islam!
Bin gespannt, wie diese Debatte weitergehen wird.
David Z am Permanenter Link
Ja, interessante Frage. Ich wūrde sie aber leicht anders stellen. Sind Extremisten stets auch gewaltbereit? Oder sind es nur bestimmte Extremisten, womöglich jene mit bestimmten Ideen bzw Ideologie?
Schauen wir uns mal einen "extremen" Pazifisten an? Besteht hier Gefahr ? Wohl eher nicht. Oder einen extremen Jainisten. Auch hier bestūnde fūr die Gesellschaft keine Gefahr ausser der, dass der arme Mensch durch die extreme Auslegung seiner Ideen nicht lebensfähig ist.
Es geht im Endeffekt mMn also zwingend um die Kombination von Extremismus mit gewissen Ideen.
David Z am Permanenter Link
Es ist höchst faszinieren zu sehen, wie jetzt aus diversen Richtungen versucht wird zu leugnen, dass auch im linken Milieu eine extreme Gewaltbereitschaft fūr die Erreichung der ideologischen Ziele besteht.
Dass die Relativierungen Nonsens sind, weiss jeder, der auch nur ein wenig Geschichtskenntnisse hat oder sich zumindest die statements der Sprecher bzw ihre Prospekte zum G20 event zur Kenntnis genommen hat.
little Louis am Permanenter Link
@david Z und "...wie ähnlich sich die Ideologien sind..."
Nun lieber David,dann erläutrn Sie doch mal eingehender -
-die Ähnlichkeit linkshumanistischer Kapitalismuskritik (Kritik= Argumentation, nicht Ideologie) mit frühmittelalterlichen Koranideologien von Halsabschneidern und Körperzerfetzern oder auch nur mit dem üblichen Mainstream der der muslimisch- antiliberalen Reaktionäre -
- oder die Ähnlichkeit eines humanistischen Linken mit sozialdarwinistischen Radikalmarktideologen. (bei welchen die Ego-interessengeleitete ökonomistische Ideologie offensichtlich ist)
- und welcher ernszunehmende politisch Linke hat in den letzten Jahrzehnten bewusst unter Inkaufnahme von unschuldigen Opfern zum Klassenkampf oder zum Umsturz mit militärischen Gewaltmitteln aufgerufen?
Und ich behaupte: Nahezu jeder moderne Linke, ob Ideologe oder nicht, hat (zumindest) eine humanistische Motivation. Wobei mir bewusst ist, dass Gutes gemeint nicht immer "Gutes vollbracht" bedeutet.
Die Propagierung "linker" Methoden zur Erreichung einer humaneren Welt ist zumindest genauso ehrenwert wie die Propagierung der These, dass es den " Benachteiligteren " am besten gehe, wenn es den "Privilegierten" tausenfach besser geht.
Propagandistische Relativierungen und Verharmlosungen sind in der Tat Nonsens - vorurteilsbelastetes schnelles "über den Kamm scheren" von allem das sich selbst links nennt oder von anderen so eingeordnet wird ist aber auch nicht gerade das Gelbe vom Ei .
Oder eben selbst politische Propaganda.
David Z am Permanenter Link
"Nun lieber David,dann erläutrn Sie doch mal eingehender..."
Meinen Sie nicht, dass das Lenin, Stalin, Pol-Pot, Ulbricht oder Honecker oder die RAF usw. bereits ausfūhrlich getan haben?
Aber vielleicht haben Sie ja neue Erkenntnisse und die oben genannte Auswahl an Personen war in ihrem Tun gar nicht links motiviert. Und deren Gewaltpotential fusste, der Religion gleich, womöglich gar nicht auf einer ganz bestimmten Ideologie als alleinige einzige Wahrheit, die in ihrem Bestreben, die Welt zu verbessern, durchaus als "humanistisch" verstanden wurde. Dann seien Sie doch bitte so gut und revolutionieren die Geschichtswissenschaft.
" Wobei mir bewusst ist, dass Gutes gemeint nicht immer "Gutes vollbracht" bedeutet."
Das ist der Punkt. Der, der meint "Gutes" zu tun, wählt, grade in ideologisierter Form, also in der Ūberzeugung der alleinigen Wahrheit, gelegentlich unschöne Mittel, von denen er glaubt, sie wūrden das ehrenwerte Ziel rechtfertigen. Das ist bei islamisch motivierten Bombenzūndern der Fall, das war bei der nationalsozialist. Judenfrage der Fall. Und das war bzw ist auch bei der extremen Linken der Fall.
"Die Propagierung "linker" Methoden zur Erreichung einer humaneren Welt ist zumindest genauso ehrenwer..."
Nun, das kommt ja wohl sehr auf die gewählten "Methoden" an.
"Propagandistische Relativierungen und Verharmlosungen sind in der Tat Nonsens"
Gut. Ganz Ihrer Meinung. Auf nichts anderes habe ich hingewiesen.
little Louis am Permanenter Link
@ David Z und zu:
Ihrem von mir zitierten Textabschnitt entnehme ich,dass Sie sich des "Linksseins" der historischen Gewaltpotentaten wohl auch nicht ganz so sicher zu sein scheinen.
Zudem gibt es Weltgegenden in denen keine (noch nicht mal fehlgeschlagene) Weltverbesserungsversuche (in linkem Namen) vorkamen, mit zum Teil bis heute totalitär- feudalen Gesellschaftssystemen.(Zum Teil mit antik -unmenschlichen Praktiken). Während der strigende (aufklärerische) Rationalismus bekanntlich nicht weniger Terrorsysteme hervorbrachte, als der dogmatische Marxismus -Stalinismus. Für Europa kann man mit Fug und Recht behaupten, dass die "Linke Gefahr" als Präventionsstrategien gegen dieselbe "freiwillige" (humanistisch-) soziale Gesetzgebungen zur Folge hatte. Das gilt selbst noch für die die Zeit des Kalten Krieges.
Zu Gewaltpotential mal etwas provokativ: Sind Sie wirklich der Meinung, dass hemmungsloser Kapitalismus KEIN Gewaltpotential in der Welt hervorbringt, sondern ausnahmslos zur Vollendung humaner Verhältnisse beiträgt?
Humanisten können sich nun mal genausowenig vor der Auseinandersetzung mit der (Ungleich-) Verteilungsfrage von Besitz /Kapital und den Geringeren Chancen für ein leichteres und humaneres Leben von Bevölkerungsteilen drücken wie sich "Gläubige" vor der Theodizeefrage drücken können.
Man muss sich entscheiden, ob man (neoliberaler) Sozialdarwinist sein will oder mitfühlend Humanist. Ob Sie die Politik oder die Gesellschaftsentwürfe der Antipoden eines brutalen Egokapitalismus dann "links" nennen wollen oder sich (aus ideologischen, historischen oder sonstigen Motiven) vor diesem Wort (!) ekeln ist meines Erachtens zweitrangig. Um mal eine alte Plattitüde anzuführen: Es gibt nichts Gutes außer man tut es
.Und nochmal: Brurale antihumane Diktatoren gab es unter fast allen Ideologien, und wahrscheinlich sind sogar aufklärerische Ideologiekritiker nicht vor einer solchen Verführung gefeit, wenn man ihnen keine wirksamen verfassungsmäßigen bzw. politstrukturellen Grenzen setzt. Man kann die durch extreme Anhäufung von Besitz bzw Kapital entstehende Macht und deren Verführungspotential kaum überschäten.
Also nicht vergessen: "Linke" Gesellschaftskritik kann auch liberalistisch-demokratische Motive haben. Genauso wie neokonservative Ideologiekritik oft nur ein Deckmäntelchen zur (propagandistischen) Verteidigung der durch "Schichtzugehörigkeit" erlangten Privilegien ist. Und die These, dass durch mehr "Verteilungsgerechtigkeit" der "Fortschritt" unterbunden werde, weil niemand mehr motiviert sei, sich anzustrengen, halte ich für ein interessengeleitetes ideologisches Märchen.Denn da,wo es mal so schien, ging es eh nur um den "Fortschritt" einer kleinen Machtelite.
Jetzt ist aber Schluss. Ich hätte eigentlich den Rasen mähen sollen, der mir unverdient durch Erbschaft zugefallen ist. Man sieht: Auch linkshumanistische Weltverbesserer sind nicht perfekt.
David Z am Permanenter Link
Ich dachte, wir hätten die Sache klargestelt und wären einer Meinung.
Ich bin mir nicht ganz im klaren, ob Sie hier allen ernstes die Verbindung der genannten Personen zum linken Ideologiespektrum leugnen wollen. Daher nur in Stichpunkten:
- Rationalität ist keine Ideologie sondern ein Werkzeug. Es ist daher sinnfrei, hier mit der Rationalität allein ein Vergleich zu Ideologien wie Marxismus oder Nationalsozialismus zu ziehen.
- Nur weil wir auch Beispiele für das Gewaltpotential anderer Ideologien kennen, relativiert das nicht das Gewaltpotential der Linken. (Im Gegenteil: Es zeigt um so deutlicher die Verbindung zum Faktor Ideologie auf, auf das ich eingangs hinwies)
- es besteht ein fundamentaler Unterschied zwischen jenen, die sich Ihren Dämonen stellen und sie einzudämmen versuchen und jenen, die die Dämonen relativeren, schönreden, gänzlich in Abrede stellen, still oder sogar offen unterstützen.
- sich mit der "Auseinandersetzung mit der (Ungleich-) Verteilungsfrage von Besitz /Kapital und den Geringeren Chancen für ein leichteres und humaneres Leben von Bevölkerungsteilen" zu beschäftigen ist etwas völlig anderes (und mitnichten ein ausschliesslich linkes Kriterium) als sich für die Verteufelung des Kapitalismus oder sogar seiner utopisch-ultimativen "Überwindung" und Ersetzung durch ein sozialistisches Alternativsystem auszusprechen. Aber gut, dass Sie einmal mehr die Ähnlichkeit zum "Gläubigen" aufzeigen. Die Theodizeefrage ist übrigens ein Paradoxon und ich bin geneigt, Ihnen zuzustimmen, dass diese paradoxe Situation auch auf Linke zutrifft, die das Gewaltpotential in ihrem Ideologiesystem verneinen.
- Humanismus hat nichts mit "links" oder "rechts" zu tun. Es gibt humanisitsche Ideen von so called "rechts" die ebenfalls völlig plausibel sind. Stichwort Gesinnngsethik vs Verantwortungsethik.
- Ideologien sind nicht alle gleich. Sie unterscheiden sich in der Anzahl und im Ausmaß ihrer schlechten Ideen. Folglich ist auch das Gewaltpotential der Ideologien nicht gleich sondern durchaus unterschiedlich.
Es ist im übrigen ziemlich interessant festzustellen, wie sich die apologetischen Reaktionsmuster der Ideologien doch ähneln: Sie reagieren fast 1:1 wie die üblichen Islamapologeten im Kontext des islamisitischen Gewaltpotentials oder wie christliche Apologeten im Kontext des Gewaltpotentials von Glaubenssytemen im allgmeinen. Ich würde Sie mal gerne erleben, wenn ein jemand von rechts mit der gleichen Strategie vorkäme und den Nationalsozialismus bzw die Gewalttaten von Neonazis mit Autobahnen, Vollbeschäftigung und Kinderkrippen schönredet.
Sollte das nicht zu denken geben?
little Louis am Permanenter Link
O.K.
-weil diese an den Begriff "Sozialismus" erinnern, der in Ihren Augen durch totalitäre Unrechtssysteme diskreditiert ist. So weit so gut. Aber:
Hätte ich eine ähnliche Denkweise, müsste ich dementsprechend den Begriff "Freiheit" ablehnen, da seit vielen Jahrhunderten und bis in die Gegenwart kleine und große Potentaten ständig den Begriff "Freiheit" im Mund führen, tatsächlich jedoch ständig versuchten bzw. versuchen, die Freihet der Anderen zwecks der Vermehrung ihrer eigenen "Freiheit" einzuschränken. In modernen Zeiten beschönigen ja bekanntlich selbst die "Dämonen" ihre Ausbeutung /Unterdrückung der Menschen mit der Behauptung, sie täten dies nur zu deren Bestem. Und sogar "rationalistische" Theoretiker unterstützen sie mit Theorien der "reiner Vernunft".
(Bevor Sie jetzt aufstöhnen nur nebenbei ein kleiner Exkurs:
Ich habe nichts gegen Rationalität und Vernunft. Denn wie sie selbst betonnen sind dies die wichtigsten Grundwerkzeuge zur Vermeidung von folgenschweren Irrtümern und damit zur Gestaltung gleichzeitig realistischer UND humaner Gesellschaftsentwürfe. Also habe ich auch nichts gegen Rationalität zur Gestaltung vernunftbasierter Ethiken. Folglich veruteile also auch ich Ideologie- oder sonstwie vorurteilsgeleitetes Denken in diesen Bereichen. JEDOCH missfallen mir gerade auch deswegen Leute, die Gesellschafts oder Politikentwürfe, die die nicht ihrer eigen "Himmelsrichtung" entstammen argumentationslos als "ideologisch" zu brandmarken versuchen.)
Aber jetzt weiter zu Ihrer Argumentation:
Da Sie also auch humane und freiheitliche Formen von "Sozialismus" wegen der Totalitarismusaffinität des Begriffs ablehnen, belehren Sie mich doch einfach kurz darüber, welche Gesellschaftsentwürfe oder politpraktische Methoden Ihnen geeigneter erscheinen, um unter Vermeidung von sozialdarwinistischer Egoliberalität sowohl freiheitlich als auch "verteilungsgerechte" (=faire) und humane Lebensverhältnisse für die große Mehrheit der Menschen (=global) zu erreichen. Empirische Belege dazu könnten zu Überzeugungskraft beitragen.
Grüße von L.L.
David Z am Permanenter Link
"O.K. Sie sprechen also ... ab und lehnen ... ab."
Nein. Wie kommen Sie darauf?
"Hätte ich eine ähnliche Denkweise, müsste ich dementsprechend den Begriff "Freiheit" ablehnen..."
Freiheit ist keine Ideologie. Sie meinen vermutlich Liberalismus. Dann ergibt Ihre Analogie allerdings keinen Sinn, denn Liberalismus ist der Gegensatz zu Totalitarismus.
" Folglich veruteile also auch ich Ideologie- oder sonstwie vorurteilsgeleitetes Denken ..."
Ideologie ist nicht zwangsläufig das Problem. Wie gesagt, Ideologien sind unterschiedlich und somit auch deren Ideen. Gewisse Ideen sind das Problem.
"Da Sie also auch humane und freiheitliche Formen von "Sozialismus" wegen der Totalitarismusaffinität des Begriffs ablehnen."
Warum meinen Sie, dass ich humane und freiheitliche Formen von was auch immer, sofern vernünftig begründet, ablehne?
"Ich habe nichts gegen Rationalität und Vernunft. "
Prima, dann erkennen Sie also das Gewaltproblem, was sich aus dem linken Politspektrum speist, nicht wahr?
"... belehren Sie mich doch einfach kurz darüber, welche Gesellschaftsentwürfe oder politpraktische Methoden Ihnen geeigneter erscheinen, um unter Vermeidung von sozialdarwinistischer Egoliberalität sowohl freiheitlich als auch "verteilungsgerechte" (=faire) und humane Lebensverhältnisse für die große Mehrheit der Menschen (=global) zu erreichen."
Nun, Sozialismus jedenfalls nicht. Ganz empirisch, praktisch und historisch betrachtet.
little Louis am Permanenter Link
O.K. Ich akzeptiers vorläufig mal so. Was mir aber auffällt: Popper hatte bzw. hat wohl recht:
Grüße
L.L.
Rudi Knoth am Permanenter Link
Zitat:"Demnach sind die Anhänger der Autonomen überwiegend zwischen 15 und 28 Jahre alt, Schüler, Studenten, Auszubildende oder haben eine gescheiterte Ausbildung hinter sich, viele sind arbeitslos, jobben gelege
Dann gilt für diese Leute der "rechte" Spruch: Sie bestreiten alles ausser ihrem Lebensunterhalt. Und die Menschen, die sich dann durch ihre Arbeit ain Auto leisten können, sind dann in manchen Sympatisanten "Spiesser".
agender am Permanenter Link
Spätestens die Aktivität der Konzernpresse, die "Rote Flora" zu zerstören seit heute morgen vermitteln mir den Eindruck von etwas Herbeigeredetem - so nach dem Motto "Es gibt rechte Gewalt, also muss es
Jetzt ist garantiert, dass es keine Untersuchung der durchsichtigen Interessenlage der 1% an der Zerstörung des denkmalgeschützten Gebäudes und damit kompatibler Lebensformen gibt.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Diskussionen um zielgerichtete Aktionsformen meiner Generation plötzlich vergessen sind (die Brandanschläge auf die Bahn waren das exakte Gegenteil) und bezahlte Provokateure viel wahrscheinlicher!
Rudi Knoth am Permanenter Link
Und Joschka Fischer sowie die RAF waren dann wohl auch "Rechte"? Und die "Aktionen" am 1. Mai in Berlin stammt dann auch von "bezahlten Provokateuren"?
little Louis am Permanenter Link
Warum halten Sie die Thesen über "bezahlte(oder unbezahlte) Provokateure fvon vornherein für nicht der Diskussion wert?