Extremismus – was ist das überhaupt?

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Der "schwarze Block" bei einer Demo in Hamburg
Der "schwarze Block" bei einer Demo in Hamburg

Angesichts der AfD wird wieder über Extremismus gesprochen, Linke und Protestbewegte wollen mitunter aber nichts mit dem Terminus zu tun haben. Doch was ist damit überhaupt gemeint und warum ist das wichtig? Dies thematsiert der Extremismusforscher und hpd-Autor Armin Pfahl-Traughber aus politikwissenschaftlicher Sicht.

Ist von "Extremismus" oder gar von "Linksextremismus" die Rede, reagieren manche politischen Betrachter mitunter verstört: Man befürchtet eine Apologie der politischen "Mitte", eine Diffamierung von Gesellschafts- und Kapitalismuskritik, eine Gleichsetzung von "links" und "rechts", eine Ignoranz gegenüber dem Rechtsextremismus, eine Spaltung von Protestbewegungen oder eine Verdammung von radikalem Wandel. Dabei wird häufig vom politischen Kampfbegriff gesprochen, ohne sich näher mit dem inhaltlich Gemeinten auseinanderzusetzen. Denn die benannten und kursierenden Auffassungen stehen mehr für inhaltliche Fehldeutungen und Verzerrungen. Sie ermöglichen es auch, sich nicht mit einer bestimmen Frage zu beschäftigen: Warum soll die Einstellung zu Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat keine Relevanz bei der Einschätzung eines politischen Phänomens haben? Denn genau darum geht es beim "Extremismus". Eine darauf bezogene Distanz steht denn auch für einen demokratietheoretischen Relativismus.

Basis des Extremismusverständnisses: Demokratie und Menschenrechte

Um diese Auffassung inhaltlich zu begründen, muss zunächst erläutert werden, was "Extremismus" überhaupt meint. Ausgangspunkt für eine Begründung ist die Frage, wodurch das menschliche Wissen erweitert wird. Die Antwort lautet: dadurch, dass man Annahmen einer kritischen Prüfung an der Realität aussetzt. Hiervon geht jedenfalls der Kritische Rationalismus des Erkenntnistheoretikers Karl R. Popper aus.1 Diese Grundauffassung kann indessen nicht politisch neutral sein, setzt sie doch für das Individuum sowohl Meinungsfreiheit wie Rechtssicherheit voraus. Fragt man nun, welche Sozialordnung dies am besten garantiert, so lehren historische Erfahrung wie theoretische Reflexionen: in einer modernen Demokratie und offenen Gesellschaft. Worin bestehen nun deren Basismerkmale? Es sind Abwahlmöglichkeit und Gewaltenteilung, Individualitätsprinzip und Menschenrechte, Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit, Säkularität und Volkssouveränität. Die folgenden Ausführungen gehen davon aus, dass diese Normen und Regeln verteidigenswert sind.

Denn sie bilden die Grundlage für die friedliche Koexistenz ganz unterschiedlicher individueller und kollektiver Meinungen, die auch in einem ausgeprägten Konkurrenz- und Spannungsverhältnis stehen können. Der damit angesprochene Pluralismus macht indessen erst diese Vielfalt möglich. Gleichwohl ist sie immer einer existentiellen Gefahr ausgesetzt, wenn die Berufung auf die Freiheit zur Etablierung der Unfreiheit führen würde. Demnach muss es auch Grenzen des Pluralismus und der Toleranz geben. Um eben eine allseitige Freiheit und Interessenvertretung zu ermöglichen, bedarf es der ebenso allseitigen Akzeptanz von Grundprinzipien für das Leben in Vielfalt. Der Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel sprach hier von einem "nicht-kontroversen Sektor", der Rechtsphilosoph John Rawls von einem "übergreifenden Konsens".2 Beide Denker verwiesen dabei auf ein notwendiges Minimum von Normen und Regeln, die um eines freien und gerechten Miteinanders in einer Sozialordnung willen inhaltlich und praktisch allgemein geteilt werden sollten.

Es gab und gibt indessen politische Akteure, die den genannten Grundkonsens nicht teilen, geht es ihnen doch um die gesellschaftliche Dominanz ihrer Ideen bei gleichzeitiger Negierung von anderslautenden Positionen. Die damit angesprochene Ablehnung von moderner Demokratie und offener Gesellschaft macht dann auch das aus, was mit der Bezeichnung "Extremismus" als politischem Phänomen gemeint sein soll. Dabei handelt es sich um eine abstrakte Formulierung, kann man den "Extremismus" doch nicht als konkretes Objekt wahrnehmen. Gleichwohl spricht dies nicht gegen die gemeinte Auffassung, wie etwa der Historiker Wolfgang Wippermann postuliert3, sind doch viele andere Begriffe wie "Demokratie", "Gerechtigkeit" oder "Staat" ebenfalls abstrakte Termini. Würde man auf sie in der Kommunikation verzichten, liefe dies auf einen Rückfall menschlicher Wissenserweiterung hinaus. Die Bezeichnung "Extremismus" erlaubt es also, die Gegner moderner Demokratie und offener Gesellschaft in einer Sammelbezeichnung zu erfassen.

Differenzierung "links" und "rechts", "demokratisch" und "extremistisch"

Diese können dann je nach ihrer ideologischen Ausrichtung weiter unterschieden werden, wozu sich die Differenzierung von Links- und Rechtsextremismus eingebürgert hat.4 Doch worin bestehen die entscheidenden inhaltlichen Differenzen? Beachtenswerte Antworten auf diese Frage lieferte der italienische Sozialphilosoph Norberto Bobbio, ging es ihm doch sowohl bezogen auf das Freiheitsverständnis wie die Theorien um trennscharfe Unterscheidungsmerkmale. Er nannte dazu die Einstellung zur sozialen Gleichheit: Eine eher linke Auffassung befördere diese in der Gesellschaft und eine eher rechte Orientierung stehe hier mehr für eine Zurückdrängung. Doch Bobbio differenzierte das politische Spektrum noch weiter: Es gebe autoritäre und freiheitliche Bewegungen und Doktrine auf der Linken wie auf der Rechten. Sie könnten danach unterschieden werden, welche Bedeutung die Freiheit jeweils auf dem Weg zu ihrem Ziel habe. Demnach stellte Bobbio auch auf die Formen politischer Handlungen ab, also die bevorzugten Mittel auf dem Weg in die Zukunft.5

Es können noch so ideale Auffassungen für die gesellschaftliche Gestaltung einer besseren Welt formuliert werden. Sofern die politische Entwicklung dorthin mit demokratiefeindlichen Methoden erfolgen soll, kommt es zu diktatorischen oder willkürlichen Wirkungen. Darauf machte bereits der Philosoph Bertrand Russell in einer frühen vergleichenden Betrachtung von Faschismus und Kommunismus aufmerksam. Der bekennende demokratische Sozialist, der aber den Marxismus auch als Theorie ablehnte, bekannte: Mit den Absichten der Kommunisten stimme er eher überein, wende sich aber gegen die von ihnen angewandten Methoden. Bei den Faschisten missbillige er Methoden wie Ziele gleichermaßen.6 Darin kann die inhaltliche Differenz von Links- und Rechtsextremismus gesehen werden. Im letztgenannten politischen Bereich lehnt man die oben erwähnten Grundprinzipien direkt oder indirekt im eigenen Selbstverständnis ab. Im Linkextremismus werden diese häufig bei der ideologischen Positionierung bejaht, aber in der politischen Praxis dann doch negiert.

Daher kann der Linksextremismus wie folgt als Sammelbezeichnung definiert werden: Es geht um Auffassungen und Handlungen, welche die Grundlagen moderner Demokratie und offener Gesellschaft im Namen der sozialen Gleichheit ablehnen. Auf die Egalität bezogene Forderungen stellen also nicht das Problem dar. Dies ist aber bezogen auf die Exklusivität ethnischer Identität beim Rechtsextremismus sehr wohl so, mündet diese doch in Nationalismus und Rassismus, Fremden- und Minderheitenfeindlichkeit. Die Bejahung von mehr sozialer Gleichheit führt hiervon unterscheidbar nicht zwingend zu Konsequenzen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.7 Damit hat man es mit grundlegenden Differenzen auf der Ebene von Inhalten und Zielen zu tun. Gleichwohl bestehen bei der Frontstellung gegen die oben erwähnten Merkmale, die für eine moderne Demokratie und offene Gesellschaft stehen, bei Links- und Rechtsextremisten ähnliche ideologische Strukturprinzipien und praktische Verhaltensweisen.

Formale und negative Gemeinsamkeiten von Links- und Rechtsextremisten

Was ist damit gemeint? Zunächst lassen sich im Denken der angesprochenen Extremisten unabhängig von der jeweiligen ideologischen Orientierung identische Strukturprinzipien ausmachen. Dies sind erstens ein exklusiver Erkenntnisanspruch, also der Glaube an ein "höheres Wissen", zweitens ein dogmatischer Absolutheitsanspruch, also die Behauptung der pauschalen Richtigkeit der eigenen Vorstellungen, drittens ein essentialistisches Deutungsmonopol, also die beanspruchte Erkenntnis des eigentlichen "Wesens", viertens eine holistische Steuerungsabsicht, also die angestrebte totale Lenkung der Sozialordnung, fünftens das deterministische Geschichtsbild, also die beanspruchte Erkenntnis eines Gesetzes der Geschichte, sechstens eine identitäre Gesellschaftskonzeption, also die Behauptung von einer politisch homogenen Sozialordnung, siebtens der dualistische Rigorismus, also das Denken in Freund-Feind-Kategorien, und achtens die fundamentale Verwerfung, also die komplette Negierung des bestehenden demokratischen Verfassungsstaates.8

Das Gemeinte artikuliert sich aber im Linksextremismus und Rechtsextremismus in unterschiedlicher Weise: Man will allein die Interessen des Proletariats oder des Volkes kennen, die einzig richtige materialistische oder naturwissenschaftliche Weltanschauung vertreten, den "wahren" Sozialismus oder das "wahre" Volk repräsentieren, die komplette Gesellschaft mit dem egalitären oder nationalistischen Ideal durchdringen, den Gesetzen der Geschichte oder der Natur folgen, die Gesellschaft sozial oder "völkisch" vereinheitlichen, in Klassen- oder Rassenfeindkategorien denken und die gesellschaftlichen oder kulturellen Gegebenheiten komplett umstürzen. Hier bedarf es aber auch Einschränkungen beim Verständnis: Die vorstehenden Ausführungen verstehen sich als idealtypisches Modell. Derart ausgeprägt findet man einschlägige Auffassungen nur bei den besonders extremistischen und hochgradig ideologisierten Formen des Links- und Rechtsextremismus, meist hat man es nur mit Ansätzen im gemeinten Sinne zu tun.9

Entscheidend für die folgende Argumentation ist, dass es zwar bei den Inhalten der jeweiligen Positionen grundlegende Unterschiede gibt. Gleichwohl weisen die linken wie rechten Extremisten eben formale Gemeinsamkeiten im strukturellen Sinne auf. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff "Fundamentalismus", der von dem Politikwissenschaftler Thomas Meyer in einem weiteren Sinne definiert wurde. Dabei geht es um eine Einstellung, die sich den Anforderungen an Eigenverantwortung und Selberdenken entzieht, Offenheit und Unsicherheit für verwerflich erachtet und die Geschlossenheit absoluter Ordnungsmodelle verherrlicht.10 Auch diese Definition beschreibt eine Haltung, aber keine Inhalte. Daher nannte Meyer ganz unterschiedliche Phänomene: christliche Evolutionsgegner, islamistische "Gottesstaat"-Anhänger, esoterische Kleingruppen, fanatische Öko-Aktivisten oder sozialrevolutionäre Terroristen.11 Alle eint die Ablehnung der kulturellen Moderne wie die Extremisten die Frontstellung gegen die moderne Demokratie eint.

Rechtsextremisten in Charlottesville (USA), Foto: © Anthony Crider, Wikimedia,  (CC BY 2.0)
Rechtsextremisten in Charlottesville (USA), Foto: © Anthony Crider, Wikimedia, 

(CC BY 2.0)


Aufklärung zu Fehldeutungen der Extremismustheorie

Auch in der sozialwissenschaftlichen Debatte gab es zum Gesagten einige Irritationen, was Ausführungen zu den Fehldeutungen über die Extremismustheorie nötig macht. Hierzu soll es eine Klarstellung und eine Kritik der Kritik12 geben: Dazu gehört erstens die Auffassung, es handele sich bei "Extremismus" um einen "Kampfbegriff", der als politisches Instrument missbraucht werde. Der Politikwissenschaftler Wolf-Dieter Narr sprach etwa davon, "Extremismus" stamme aus dem "Irrgarten der Kampfbegriffe"13. Dass es eine solche Instrumentalisierung geben kann, soll hier gar nicht abgestritten werden. Doch welcher politische Begriff wird nicht auch politisch missbraucht? Gilt dies doch ebenso für "Demokratie", "Gerechtigkeit" oder "Sozialismus". Gleichwohl benutzt man derartige Bezeichnungen in Öffentlichkeit und Wissenschaft. Es kommt darauf an, das Gemeinte trennscharf zu definieren, um so eine missbräuchliche Nutzung auszuschließen. Ansonsten müsste man auf viele politische Begriffe im öffentlichen Diskurs verzichten.

Ein zweiter Einwand behauptet, dass es um eine Abgrenzung von der "Mitte" und eine Leugnung von deren Gefahrenpotential gehe. Der erstgenannte Aspekt ist ebenfalls schlicht falsch, wird doch "Extremismus" nicht als Gegnerschaft zur "Mitte" definiert. Es geht vielmehr um eine Ablehnung und Frontstellung gegen die Grundlagen moderner Demokratie und offener Gesellschaft. Erst wenn diese von einem politischen Akteur negiert werden, ist vom "Extremismus" die Rede. Insofern können die Auffassungen einer politischen "Mitte" sowohl von einer demokratischen Linken wie Rechten kritisiert werden, ohne dass dabei von "Extremismus" als Werturteil gesprochen werden kann. Bei dem angedeuteten Gefahrenpotential aus der "Mitte" wird häufig auf einen "Extremismus der Mitte" verwiesen. Der damit gemeinte Ansatz des Soziologen Seymour M. Lipset meint aber einen Extremismus aus der sozialen Mitte, er behauptete nicht einen Extremismus der politischen Mitte.14 Die Einwände verwechseln die beiden Ebenen und deuten Lipset falsch.

Und ein dritter Einwand behauptet eine Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus, wofür als frühes Beispiel die Historikerin Helga Grebing mit der Formulierung "falsche Gleichung"15 stehen kann. Doch in der Extremismusforschung wird eine solche Gleichung gar nicht vorgenommen. Dies wäre bereits für die Ebene der Ideologie absurd und unangemessen, gibt es doch die erwähnten grundlegenden Unterschiede in der Zielsetzung. Aber auch bezüglich des Gefahrenpotentials erfolgt keine Gleichsetzung, bedarf es doch zur Beurteilung der Demokratiegefährdung durch Links- und Rechtsextremisten jeweils einer gesonderten Untersuchung. Ein Beispiel dafür wäre die Gewaltintensität: Seit Beginn der 1990er Jahre gab es in Deutschland kein linksextremistisch motiviertes Tötungsdelikt mehr, demgegenüber kam es aber in über hundert Fällen zu rechtsextremistisch motivierten Tötungsdelikten. Diese Besonderheit ergibt sich aber erst durch den Vergleich. Die erwähnten Einwände verwechseln meist die Gleichsetzung als ein Resultat mit der Methode des Vergleichs.

Kritik des demokratietheoretischen Relativismus

Abschließend sei an die oben formulierte Frage erinnert: Warum soll die Einstellung zu Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat keine Relevanz bei der Einschätzung eines politischen Phänomens haben? Genau darum geht es bei der Extremismustheorie, die Normen und Regeln des demokratischen Verfassungsstaates für verteidigenswert hält. Das Entscheidende ist hier – entgegen kursierender Fehldeutungen – aber nicht der Staat. Ihm kommt dabei nur als Garant individueller Freiheit und Rechtssicherheit eine Relevanz zu. Bei einer Ablehnung der Extremismustheorie verdient daher Interesse, ob damit auch eine Negation der genannten Werte verbunden ist. Dies muss nicht notwendigerweise der Fall sein, gleichwohl lässt sich immer wieder eine Relativierung konstatieren. Denn hier besteht in der politischen Linken ein Widerspruch: Während diesbezügliche Einstellungen im rechten Lager kritisch kommentiert werden, ignoriert man im eigenen politischen Lager extremistische Positionen. Dies läuft auf einen demokratietheoretischen Relativismus hinaus:

Ein solcher lässt sich bis in die Gegenwart nicht in der gesamten politischen Linken, aber in relevanten Teilen von ihr immer wieder ausmachen. Da werden autoritäre Diktaturen kritisiert, sofern sie eine rechte Orientierung aufweisen. Aber zu linken Diktaturen schweigt man: Die Einstellung zu Kuba stand und steht dafür. Wer die Diktatur Somozas in Nicaragua kritisierte, sollte auch die Repressionspolitik Ortegas in dem Land verurteilen. Eine damit einhergehende Ambivalenz findet man ebenfalls bei der Kommentierung des Nahost-Konflikts: Wer gegenüber Israel dortige Menschenrechtsverletzungen beklagt, der sollte bezogen auf die Hamas deren Menschenrechtsverletzungen nicht verschweigen. Ähnlich verhält es sich bei der Deutung innenpolitischer Entwicklungen: Angriffe von Autonomen auf Polizeibeamte sind ebenso kritikwürdig wie Angriffe von Neonazis auf Polizeibeamte. Für die Einschätzung der Gewalt sollten die ideologischen Unterschiede nicht relevant sein, kommt es hier doch auf die genutzten Mittel und nicht auf die letztendliche Zielsetzung an.

Die vorstehenden Ausführungen haben Konsequenzen für die politische Praxis: Denn es stellt sich die Frage, ob man mit Anhängern der DDR-Diktatur gegen demokratiefeindliche Rechtsextremisten demonstrieren kann, und, ob man mit gewaltorientierten Autonomen gegen die Folgen von Globalisierung und Neoliberalismus auf die Straße gehen sollte. Denn wie die Ablehnung der Extremismustheorie für einen abstrakten demokratietheoretischen Relativismus spricht, so spricht eine solche Kooperation für einen konkreten demokratietheoretischen Relativismus. Beides bedeutet, dass Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit objektiv in ihrem Stellenwert minimiert werden. Damit beraubt man sich auch der Glaubwürdigkeit, der es bedarf, um deren Bedrohungen von rechtsextremistischer Seite zu begegnen. Abschließend sei somit die Ausgangsfrage erneut wiederholt: Warum soll die Einstellung zu Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat keine Relevanz bei der Einschätzung eines politischen Phänomens haben?


  1. Vgl. Karl R. Popper, Logik der Forschung (1934), 8. Auflage, Tübingen 1984; Karl R. Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Bd. 1: Der Zauber Platons, Bd. 2: Hegel, Marx und die Folgen (1945), 6. Auflage, München 1980. Beim Abfassen dieser Bücher verstand sich Popper als demokratischer Sozialist, erst ab Ende der 1940er Jahre wandelte er sich zu einem ökonomischen Liberalen. ↩︎
  2. Vgl. Ernst Fraenkel, Demokratie und öffentliche Meinung, in: Ders., Deutschland und die westlichen Demokratien, 9. Auflage, Baden-Baden 2011, S. 231-255, hier S. 243; John Rawls, Politischer Liberalismus, Frankfurt/M. 1998, S. 219-265. ↩︎
  3. Vgl. Wolfgang Wippermann, Politologentrug. Ideologiekritik der Extremismus-Legende, in: Standpunkte, Nr. 10/Oktober 2010, S. 1-7. ↩︎
  4. Es gibt darüber hinaus auch einen religiösen Extremismus, der etwa im Islamismus oder bei Scientology auszumachen ist. Eine Auseinandersetzung damit würde aber hier den Rahmen sprengen. ↩︎
  5. Vgl. Norberto Bobbio, Rechts und links. Gründe und Bedeutungen einer politischen Unterscheidung, Berlin 1994, S. 82-85. ↩︎
  6. Vgl. Bertrand Russell, Scylla und Charybdis oder Kommunismus und Faschismus, in: Ders., Lob des Müßiggangs, München 2002, S. 118-130, hier S. 123. ↩︎
  7. Nach der folgenden Arbeit würde sich dadurch auch für viele gesellschaftliche Probleme eine grundlegende Verbesserung ergeben: Richard Wilkinson/Kate Pickett, Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind, Frankfurt/M. 2009. ↩︎
  8. Vgl. Armin Pfahl-Traughber, Gemeinsamkeiten im Denken der Feinde einer offenen Gesellschaft. Strukturmerkmale extremistischer Ideologien, in: Ders. (Hrsg.), Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2009/2010, Brühl 2010, S. 9-32. ↩︎
  9. Vgl. Armin Pfahl-Traughber, Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Auflage, München 2006; Ders., Linksextremismus in Deutschland. Eine kritische Bestandsaufnahme, Wiesbaden 2014. ↩︎
  10. Vgl. Thomas Meyer, Fundamentalismus. Aufstand gegen die Moderne, Reinbek 1989, S. 157. ↩︎
  11. Vgl. ebenda, S. 65-154; Ders., Was ist Fundamentalismus? Eine Einführung, Wiesbaden 2011, S. 31-72. ↩︎
  12. Vgl. ausführlicher dazu: Armin Pfahl-Traughber, Kritik der Kritik der Extremismustheorie. Eine Auseinandersetzung mit einschlägigen Vorwürfen, in: Ders. (Hrsg.), Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2013, Brühl 2013, S. 31-55. ↩︎
  13. Wolf-Dieter Narr, Radikalismus/Extremismus, in: Martin Greiffenhagen (Hrsg.), Kampf um Wörter? Politische Begriffe im Meinungsstreit, München-Wien 1980, S. 366-375, hier S. 374. ↩︎
  14. Vgl. Seymour Martin Lipset, Der „Faschismus“, die Linke, die Rechte und die Mitte, in: Ernst Nolte (Hrsg.), Theorien über Faschismus (1959), Köln 1967, S. 449-491. ↩︎
  15. Vgl. als frühe Fehldeutung in diesem Sinne: Helga Grebing, Linksradikalismus gleich Rechtsradikalismus. Eine falsche Gleichung, Stuttgart 1971. ↩︎