Feiertagsgesetz in Bremen

„Abgeordnete wurden ins Gebet genommen“

Obwohl die Vergnügungsverbote während der sogenannten stillen Feiertage in Bremen eigentlich abgeschafft werden sollten, bleiben sie nun doch bestehen. hpd-Redakteurin Daniela Wakonigg sprach hierüber mit Maurice Mäschig, der 2012 erfolgreich eine Petition zur Liberalisierung der Feiertagsgesetzgebung in Bremen initiiert hatte. Mäschig ist Mitglied im BundessprecherInnenkreis der Säkularen Sozialdemokrat_innen und Gründer der Gruppe Tanzverbot abschaffen.

hpd: Herr Mäschig, warum stören Tanzverbote und stille Feiertage Sie eigentlich?

Maurice Mäschig: Rein praktisch, weil es der Eingriff einer Religionsgemeinschaft in das Privatleben von Menschen ist, die ihr nicht angehören. Zudem, weil aus den Vergnügungsverboten die hässliche Kungelei zwischen religionshöriger Politik und Kirchen deutlich wird, denen es lediglich um die Bewahrung von Privilegien und ihren Einfluss im öffentlichen Raum geht, und um nichts anderes.

Ein prominentes Gegenargument zu Ihrer Forderung nach Abschaffung des Tanzverbots lautet: "Ihr könnt an fast allen Tagen des Jahres tanzen, da werdet ihr doch an ein paar Tagen auch mal Rücksicht nehmen und still sein können!" Was sagen Sie dazu?

Es gilt, die Interessen aller Menschen zu berücksichtigen, und nicht nur die eines Teils der Christen. Es ist ja nicht so, dass alle Christen diese Bevormundung gut finden würden. Unter ihnen gibt es auch einige tolerante, die ihren Glauben nicht als Zwang verstanden wissen möchten. Die Verbote als Ausprägung einer staatlich verordneten christlichen Andächtigkeit bewirken aber genau das. Die meisten, die solche Sätze sagen, wissen oftmals überhaupt nicht, wie viele Verbotstage es in ihrem Bundesland gibt. Das ist aber auch überhaupt nicht wichtig. Toleranz ist schließlich keine quantitative Frage. Wer seinen Mitmenschen gegenüber rücksichtsvoll ist, der verlangt von ihnen kein Verhalten entsprechend der eigenen religiösen Überzeugung.

Sie leben in Bremen. 2012 haben Sie dort eine Petition zur Abschaffung des Tanzverbots an Feiertagen auf die Beine gestellt. Und Sie haben tatsächlich bei der Kommunalpolitik Gehör gefunden. Was tat sich damals in Bremen aufgrund Ihrer Petition?

Aufgrund der Petition wurde die Landesgesetzgebung dahingehend verändert, dass die Zeiten, an denen die Vergnügungsverbote galten, deutlich eingeschränkt wurden. Zudem wurden einige Verbotstage komplett gestrichen, von denen die Verwaltung bisher selbst nichts wusste und daher nie um eine Einhaltung bemüht war.

Eigentlich war das Ganze aber nur eine Übergangslösung, befristet bis 2018. Was sollte danach mit dem Tanzverbot an Feiertagen in Bremen passieren?

Als Kompromiss für die Abgeordneten, die bei der Änderung schwer mit ihren religiösen Gefühlen zu kämpfen hatten, war im Gesetz vorgesehen, es nicht sofort sondern erst nach einer Übergangszeit bis Februar 2018 abzuschaffen.

Aber nun ist es ja doch ganz anders gekommen ...

Ja, die Zeit wurde dazu genutzt, um die erste Welle der Empörung abklingen zu lassen und das Gesetz entfristen zu können, damit es bestehen bleibt.

Wie kam es Ihrer Meinung nach dazu, dass das Feiertagsgesetz in Bremen nun doch in dieser Form erhalten bleibt? Haben sich politische Mehrheiten verändert oder gab es irgendwelche Einflussnahmen auf die Politik, soweit Sie das beurteilen können?

Es ist kein Geheimnis, dass die Kirchen beim Bürgermeister und Präsidenten des Senats vorstellig wurden, um zu verdeutlichen, dass sie eine Beibehaltung der Regelungen fordern. Auch Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft, Parteivorsitzende sowie Abgeordnete wurden ins Gebet genommen. Von einem sehr gläubigen Sozialdemokraten habe ich erfahren, dass einige Pfarrer damit gedroht haben, das Thema und die Haltung der SPD dazu in ihre Predigen mit aufzunehmen, sollte es keine Beibehaltung geben. Die Tatsache, dass die Vergnügungsverbote weg müssen, erkennt man also auch daran, von wem und in welcher Form sie verteidigt werden. Andere Abgeordnete hingegen haben es offenbar auch ganz ohne direkten Einfluss geschafft, die Entwicklung ernsthaft als Kompromiss anzusehen. Irgendwann werde ich sie vielleicht mal anschreiben und mitteilen, dass sie keine Kekse mehr essen dürfen, weil das gegen meine Diät spricht. Bei einigen habe ich aber keine Hoffnung, dass sie den Zusammenhang zu Verhaltensverboten für konfessionsfreie Menschen verstehen würden.

Welche Argumente werden genannt, warum die Politik in Bremen jetzt doch eher für ein Feiertagsgesetz mit Tanzverbot votiert und warum wurden die Hebel hierfür bereits jetzt in Bewegung gesetzt, obwohl es bis 2018 ja noch eine Weile hin ist?

Gesetze brauchen immer etwas Vorlaufzeit. Allerdings war es schon interessant zu sehen, dass der sozialdemokratische Innensenator Mäurer Fakten geschaffen hat, noch bevor ein SPD-Parteitag erneut darüber debattieren konnte. Eine solch klare Missachtung demokratischer Prozesse habe ich selten erlebt. Gleichwohl: die Mitglieder der SPD in Bremen haben ihn gewähren lassen und sich stumm ihr Mitspracherecht nehmen lassen. Einer Mehrheit scheint das Thema also nicht so wichtig zu sein, dass man dafür den eigenen Senator kritisieren würde.

Was halten Sie persönlich von der aktuellen Entwicklung?

Sie ist folgerichtig und entspricht der Haltung der vereinsmeierischen Politik in Deutschland und auch in Bremen, die gesellschaftliche Entwicklungen erst spät berücksichtigt. Organisierte Sekten werden gehört und mit Rechten und Feiertagen ausgestattet. Konfessionsfreie Menschen hingegen sollen es als Kompromiss ansehen, wenn sie Feiertage mit begehen dürfen, und sich religiös begründeten Verboten beugen. Lange wird dies nicht mehr gut gehen können, was zunehmend mehr Parteien und ihre Mitglieder auch begreifen. Nur die politischen Führungsgremien besonders innerhalb der SPD winden sich noch, bevor sie dann irgendwann umschwenken müssen.

Planen Sie, irgendetwas dagegen zu unternehmen? Oder wenigstens die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, was gerade passiert? So richtig scheint das bei der Bevölkerung in Bremen derzeit ja noch nicht angekommen zu sein.

Die Tanz- und Vergnügungsverbote werden fallen. Jetzt ist aber nicht der richtige Moment, erneut dagegen vorzugehen. Das wissen auch die Kirchen und der politisch geschickt agierende religiöse Innensenator. Für die Kirchen ist jedes Jahr ein Erfolg, in dem sie die voranschreitende Säkularisierung in ihren Augen etwas eindämmen können. Die dort Verantwortlichen und der Innensenator sollten sich aber nicht zu früh freuen. Wenngleich es letzterem wohl nur noch darum geht, dass es nicht während der Zeit seiner Amtsführung passiert.

Ihre Gruppe "Tanzverbot abschaffen!" setzt sich nicht nur für dessen Abschaffung in Bremen ein, sondern in allen Bundesländern. Warum muss dieser Kampf in jedem Bundesland gesondert ausgefochten werden und wie stehen derzeit die Chancen dafür, dass wir demnächst irgendwann auch am Karfreitag überall in Deutschland feiern dürfen, wenn uns der Sinn danach steht?

Die Rechtsgrundlage der heutigen Tanz- und Vergnügungsverbote sind die Feiertagsgesetze der Länder. Daher werden wir die Situation erleben dürfen, die Verbote 16-mal fallen sehen zu können. Vielleicht geht es mit Berlin los. Die Stadt schreibt auf ihrem offiziellen Internetportal: "Das in Berlin geltende Tanzverbot in Kneipen und Clubs am Karfreitag wird auch in diesem Jahr nicht streng durchgesetzt." Die Berliner SPD hat vielleicht auch daher bereits im Mai 2016 für die Aufhebung der Verbote gestimmt. Passiert ist bisher aber noch nichts. Vielleicht wird man auch in Hessen etwas schneller mit Veränderungen sein. Mit 63 Verbotstagen ist das Bundesland absoluter Spitzenreiter. Hessen nimmt alle möglichen Chancen für Tanzverbot wahr, die sich im Kalender anbieten. Unter anderem jeden Sonntag im Jahr von 4-11 Uhr und selbst an Tagen, die selbst aus christlicher Sicht Tage der Freude sind. Dies zeigt erneut, wie wundervoll irre die Ausprägungen dieser Verbote sind, und dass sie schnellstmöglich abgeschafft werden sollten.