Menschenrechte

"SARAM – für Menschen in Nordkorea" gründet sich als Stiftung

"Es war ein zähes Ringen", lässt Nicolai Sprekels wissen. Damit meint der Vorstandssprecher von SARAM, der neu gegründeten Stiftung, nicht das Gipfeltreffen zwischen Donald Trump und Kim Jong Un, sondern den Aufbau einer Menschenrechtsorganisation in Deutschland, die sich für Nordkoreaner einsetzt und der im Mai 2018 erfolgten Stiftungsgründung.

Vier Jahre improvisierte das Team von "SARAM – für Menschen in Nordkorea" mit mehr als knappen Ressourcen Konferenzen, investigative Reisen, etablierte ein Netzwerk mit zahlreichen NGOs aus Europa und Asien, sowie einen Dialog mit Politikern und Diplomaten in Europa und Korea. Aber dann ging plötzlich – oder doch eher geplant? – alles ganz schnell. 

Vor Kurzem ist aus dem Verein eine Stiftung geworden und bereits bei der Gründung konnte man auf Erfolge zurückblicken. Was ab jetzt auf der Agenda steht, ist ehrgeizig, vielleicht sogar etwas kontrovers. Das ist aber gewollt.

Für die feierliche Eröffnung gingen die Gründer mit ihren Gästen unter die Erde. Diese fand nämlich in Berlin in einem umgebauten Kommunikationsbunker aus dem Zweiten Weltkrieg statt. Hier betreibt Herr Jongha Kim auf 800 Quadratmetern ein offenes Kunstforum, "Artist Homes", inklusive Galerie, Konzertsaal, einem Barbereich, Konferenzraum sowie Büro- und Arbeitsräumen. Und hier befindet sich bereits seit einem halben Jahr auch die Zentrale von SARAM.  

Das Durchhaltevermögen in der schwierigen Aufbauphase hatte sich plötzlich vielfach ausgezahlt. Die regelmäßigen Reisen nach Korea zwecks Austausch und Networking hatten SARAM dort inzwischen deutlich bekannter gemacht als in Deutschland. Artikel und Interviews über die Aktivitäten der NGO sind zahlreich und der koreanische Fernsehsender KBS hatte im Januar sogar einen Beitrag über die Menschenrechtsorganisation aus Deutschland ausgestrahlt. Treffen und Gespräche mit Ministerien, Politikern und Menschenrechtlern aus Korea sowie der regelmäßige Austausch mit zahlreichen nordkoreanischen Flüchtlingen machten SARAM aber auch in Deutschland immer interessanter und das Netzwerk wuchs immer schneller.

Durch die steigenden Anforderungen entstand dann der Plan, SARAM in eine Stiftung umzuwandeln. Zumal niemand aus dem Team es für realistisch hält, dass sich die Menschenrechtsfrage in Nordkorea oder gar die ganze Dauerkrise in den nächsten Jahren deutlich verbessern wird; schafft man besser die Voraussetzungen für langfristige Anstrengungen, das heißt eine Stiftung. Zu dem Treffen von Trump mit Kim und Moon Jae In mit Kim kommentierte der Sprecher von SARAM: "Nicht Nordkorea hat seine Politik geändert, sondern die USA und Südkorea änderten ihren Kurs."

Den "Mythos Nordkorea" auflösen

Als erstes wurde ein Beirat aus hauptsächlich nordkoreanischen Flüchtlingen zusammengestellt, die im theokratischen Reich der Kims unterschiedlichste Berufe ausgeübt hatten. Darunter Wissenschaftler, Schmuggler, Bauarbeiter, Geheimdienstler und Überlebende wie ein ehemaliger Wärter der berüchtigten Lager für politische Gefangene.

"Wir belächeln es eher, wenn Touristen oder gar Forscher aus Europa nach einer von Regimevertretern organisierten Tour (bei der man nicht einmal alleine das Hotel verlassen darf) der Meinung sind, aus den dort gemachten Beobachtungen heraus die Lage in Nordkorea erklären zu können", erläuterte Vorstandsprecher Nicolai Sprekels. "Und um diesen ach so exklusiven Zugang zu erhalten, verzichten diese Experten auf Gespräche mit nordkoreanischen Flüchtlingen und Kritik an der Menschenrechtslage, denn das Regime würde ihnen dann gegebenenfalls kein Visum mehr genehmigen."

In Zukunft will die Stiftung mit Hilfe des Insiderwissens der Nordkoreaner und NGOs aus Asien den diversen Theorien und Behauptungen über Nordkorea etwas Realismus entgegensetzen. "Warum sollte es irgendjemanden interessieren, was z. B. ein deutscher Ökonom bei Touristenführungen zu erkennen glaubt, wenn wir auf solche Netzwerke und Insider zugreifen könnten? Die Art, wie in Deutschland über Nordkorea gesprochen wird, ist oft vollkommen naiv: Es wird ernsthaft darüber diskutiert, dass ein 'Experte' sieht wie 'zufriedene Nordkoreaner' in Pjöngjang 'selbstgemachte Limonade' verkaufen." Und "das sei keinesfalls gestellt", woraus dann Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Lage der DVRK gezogen werden. "An Naivität ist das kaum noch zu übertreffen – und das muss sich ändern", fügte die SARAM-Vorsitzende Franziska Gregor hinzu.

Die UN-Untersuchungskommission betonte 2014 bei der Veröffentlichung ihres Untersuchungsberichtes, dass es sich um die schwersten Menschenrechtsverletzungen unserer Zeit handle und laut Amnesty International  stellen die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Nordkorea eine eigene Kategorie dar.

Die nächsten Schritte 

Zur Eröffnungsfeier hatten sich hochkarätige Gäste eingefunden: Frau Eunkyoung Kwon, General Secretary der ICNK war aus Korea angereist und betonte in ihrem Grußwort, wie sehr man in Korea das aufkommende bürgerliche Engagement für die nordkoreanische Menschenrechtsfrage begrüße und die bisherige Zusammenarbeit schätze.

Herr Jan Janowski, Länderreferent des Auswärtigen Amtes für Korea, gratulierte nicht nur zur Stiftungsgründung, sondern betonte die Bedeutung der aufklärerischen Arbeit, die das SARAM-Team in den letzten Jahren bereits geleistet hatte, insbesondere lobte er die gute Zusammenarbeit in der Frage von nordkoreanischen Zwangsarbeitern in Europa.

Nun ausgestattet mit finanziellen Mitteln durch einen Stifter, einem komplett neuen Corporate Design sowie Unterstützung der internationalen PR-Agentur von Grey Advertising Germany, hat sich das hoch motivierte Team von "SARAM – Stiftung für Menschenrechte in Nordkorea" vorgenommen, diese Probleme mit noch mehr Nachdruck anzugehen. Schließlich sind die EU-Staaten in regem Kontakt und Austausch mit Nordkorea. Alleine sieben EU-Staaten unterhalten eine Botschaft in Pjöngjang, es gibt humanitäre Hilfs- und Entwicklungsprogramme und sogar kulturellen Austausch. "Da ist es absolut notwendig, dass wir auch wissen, womit wir es zu tun haben – und ob nicht einige dieser Programme trotz bester Intention Schaden anrichten oder das Regime stabilisieren", so Nicolai Sprekels. 

Die Gipfeltreffen zwischen dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In bzw. von Donald Trump und Diktator Kim Jong Un haben beim Team von SARAM kaum die Hoffnungen auf eine baldige Lösung des Dauerkonfliktes steigen lassen. Es sei doch unwahrscheinlich, dass ein Regime wie Nordkorea über Jahrzehnte fast alle Ressourcen in ein Nuklear- und Raketenprogramm steckt und dann – kaum ist dies entwickelt – es sofort wieder aufgibt. Durch die Charmeoffensive sei Kim Jong Uns Ansehen allerdings massiv angestiegen und man verzichte jetzt, für die Hoffnung auf eine nukleare Abrüstung, auf Kritik an den Verbrechen gegen die Menschlichkeit des Regimes.

"2:0 für Nordkorea", urteilt Sprekels. "Umso wichtiger, dass die internationale Gemeinschaft jetzt sowohl das obskure Nordkorea-Bild korrigiert und Verantwortung übernimmt. Schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit, nordkoreanische Zwangsarbeiter in der EU, Menschenhandel nach China und man gibt dem Verantwortlichen eine Bühne, um sich gut in Szene zu setzen. Kim Jong Un ist Mitte 30. Auch ist wohl davon auszugehen, dass er noch eine Weile herrschen und am Leben bleiben möchte. Nichts anderes steckt hinter der Charmeoffensive. In dritter Generation interessieren sich die Diktatoren Nordkoreas nur für eines: Den Erhalt ihrer Herrschaft. Dafür versklaven sie die nordkoreanische Bevölkerung. Das können wir nicht länger tatenlos hinnehmen", resümiert Franziska Gregor in ihrem Statement zur Stiftungsfeier. 

Am Tag der Gründungsfeier 2018 wurden drei neue Beiräte begrüßt:

  • Die Psychologin Dr. Sarah Weschke. Ihr Spezialthema liegt im Bereich Sozialer Exklusion und Inklusion.
  • Tobias Wolfram, Sozialwissenschaftler, u. a. mit dem Master of Science ausgewiesener Statistiker. Er wird die Stiftung in jeder Form von Datenaufarbeitung und Analysen unterstützen. 
  • Florian Chefai, Student der Philosophie und Mitarbeiter der Giordano-Bruno-Stiftung, den der SARAM-Vorstandssprecher als "Kenner politischer Ideologien" begrüßte.

Florian Chefai überbrachte ein persönliches Grußwort der Giordano-Bruno-Stiftung, die die Arbeit und den Aufbau von SARAM von Anfang an großzügig unterstützt hatte. 

Nach einem koreanischen Buffet nahm der Vorstandssprecher die Anwesenden einen Schritt zurück in die Vergangenheit und die nähere Zukunft mit: "Was unser Team eigentlich den ganzen Tag macht und was wir weiter vorhaben." Das letzte Bild der Powerpoint-Präsentation bringt es auf den Punkt:

"SARAM für Menschen in Nordkorea – Wir nerven. Aber richtig. Und vorsätzlich." 


Unterstützt wurde die Stiftung bisher von mehreren Beiratsmitgliedern: 

In Korea:

  • Kwon Eunkyoung, General Secretary der International Coalition to Stop Crimes against Humanity in North Korea (ICNK). Ausgezeichnet u. a. mit dem Koreanischen Menschenrechtspreis.
  • Ahn Myeong Chul, aus Nordkorea geflohen, in Nordkorea Geheimdienstausbildung und später tätig als Wärter eines Lagers für politische Gefangene. Nach seiner Flucht nach Südkorea Direktor der NGO NK Watch.
  • Kang Shin Sam, Direktor der Unification Academy, Direktor der International Solidarity for Freedom of Information in North Korea (ISFiNK).
  • Kim Hyeongsoo, aus Nordkorea geflohen, Northern Research Association, war früher in Nordkorea Wissenschaftler und Gesundheitsberater für Kim-Jong Il. 
  • Cho Chunghui, aus Nordkorea geflohen.
  • Kim Seung Chol, aus Nordkorea geflohen, war Zwangsarbeiter für das Nordkoreanische Regime im Nahen Osten. Nach seiner Flucht wurde seine gesamte Familie ermordet. Direktor von North Korea Reform Radio, Deputy Director des North Korea Research Institute.

In Deutschland:

  • Charles von Denkowski, M. A. Kriminal- und Polizeiwissenschaftler, International Nuclear Law, Berater der Transitional Justice Working Group.