Im Juni sorgte der Bund der Steuerzahler (BdSt) Rheinland-Pfalz für Schlagzeilen, als er die Landesregierung aufforderte, mit den Kirchen endlich eine Ablöse-Regelung für die Staatskirchenleistungen auszuhandeln. Auf Nachfrage des hpd bestätigten die meisten BdSt-Vereine in anderen Bundesländern, ebenfalls für eine Ablösung der Staatskirchenleistungen einzutreten.
Die sogenannten Staatskirchenleistungen sind Gelder, die von den Bundesländern an die evangelische und katholische Kirche gezahlt werden – ohne jegliche Gegenleistung der Kirchen. Die Staatsleistungen sind Zahlungen, die sich auf über 200 Jahre zurückliegende politische Entscheidungen gründen. Damals hatte Napoleon die Enteignung von Kirchengütern veranlasst. Für diese Enteignung bekommen die Kirchen bis heute Entschädigungszahlungen vom Staat bzw. den Ländern.
Für das Jahr 2018 werden diese Zahlungen nach den Recherchen von Johann-Albrecht Haupt von der Humanistischen Union bundesweit 538 Millionen Euro betragen. Tendenz steigend, denn "Geldleistungen, die in Staat-Kirche-Verträgen sowie Konkordaten vereinbart wurden, werden jährlich entsprechend der Beamtenbesoldung angepasst". Eigentlich sollten diese Zahlungen bereits laut der Weimarer Reichsverfassung von 1919 beendet werden – eine Forderung, die nach dem Zweiten Weltkrieg ins Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland übernommen wurde. Doch passiert ist bislang nichts.
Der fortwährende Unwille der Politik, hinsichtlich einer Beendigung der Staatskirchenleistungen tätig zu werden, ließ dem Bund der Steuerzahler Rheinland-Pfalz im Juni den Kragen platzen. "Seit Napoleon und den von ihm veranlassten Enteignungen von Kirchengütern sind über 200 Jahre vergangen. Dennoch müssen die Steuerzahler von Rheinland-Pfalz dafür bis heute steigende Staatsleistungen an die römisch-katholische und evangelische Kirchen finanzieren", so René Quante, Geschäftsführer des BdSt Rheinland-Pfalz in einer Pressemitteilung. "In diesem Sinne sind 2018 und 2019 zwei ganz besondere Jahre. Im Jahr 2018 sprengt die Summe der vom Land Rheinland-Pfalz seit 1949 gezahlten Staatsleistungen die Grenze von zwei Milliarden Euro. Nur Bayern und Baden-Württemberg haben laut Erhebung der Humanistischen Union im Ländervergleich mehr gezahlt. Im Jahr 2019 können wir dafür das siebzigjährige Jubiläum begehen, dass das Land Rheinland-Pfalz den bis heute gültigen verfassungsrechtlichen Auftrag einer Ablösung der Staatsleistungen nicht umgesetzt hat. (…) Es ist an der Zeit, dass die Landesregierung ernsthafte Verhandlungen mit den Kirchen aufnimmt, um eine einvernehmliche Ablöse-Regelung für Rheinland-Pfalz zu treffen", so Quante.
Eine Nachfrage des hpd beim Bundesverband des Bundes der Steuerzahler sowie anderen Landesverbänden ergab, dass der BdSt Rheinland-Pfalz mit dieser Position nicht allein steht. Gegenüber dem Humanistischen Pressedienst erklärte der Bundesverband des Bundes der Steuerzahler e. V.:
"Der Bund der Steuerzahler hält es für sachgerecht und zeitgemäß, dass die Kirchen in eigener Verantwortung vollständige Transparenz über ihr Vermögen und sämtliche Finanzströme herstellen und gegenüber den Bürgern und Steuerzahlern dauerhaft offenlegen. Zugleich ergeht der Appell an die Politik, im Dialog mit den Kirchen für eine abschließende Klärung bzw. eine Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen Sorge zu tragen, so wie es das Grundgesetz als Verfassungsauftrag vorgibt. Beide Seiten, sowohl Staat als auch die Kirchen, stehen hierbei in Verantwortung gegenüber der Gesellschaft."
Ein deutliches "Ja" also zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. Diese Stellungnahme entspricht dem 2013 gefassten Grundsatzbeschluss des Bundes der Steuerzahler zum Thema Staatskirchenleistungen. Der Beschluss war das Ergebnis der Beratung von Vertretern des Bundesverbandes sowie der rechtlich eigenständigen Landesverbände.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass die meisten BdSt-Landesverbände, die auf die hpd-Anfrage antworteten, den Beschluss von 2013 mittragen und eine Ablösung der Staatskirchenleistungen befürworten. Lediglich der Bund der Steuerzahler Brandenburg e. V. spricht sich derzeit dezidiert nicht für eine Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen aus. Man respektiere die Entscheidung des Landesverbands Rheinland-Pfalz, sich explizit für eine solche Ablösung einzusetzen, teile sie jedoch im Brandenburger Steuerzahler-Verband derzeit nicht.
Doch auch bei den übrigen Landesverbänden des Bundes der Steuerzahler scheint man den Handlungsbedarf hinsichtlich der Staatskirchenleistungen unterschiedlich stark zu beurteilen. Während die Landesvereine in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen sowie im Saarland auf hpd-Anfrage lediglich den Wortlaut des Beschlusses von 2013 zitieren und nüchtern erwähnen, dass sie ihn mittrügen, lassen die Antworten der Landesverbände Thüringen und Schleswig-Holstein darauf schließen, dass das Thema in diesen Landesverbänden ähnlich intensiv diskutiert wird wie in Rheinland-Pfalz.
Der Landesverband Thüringen "begrüßt" explizit die Forderung des BdSt Rheinland-Pfalz nach Ablösung der Staatsleistungen und würde es ebenfalls "begrüßen, wenn es im Interesse der Steuerzahler endlich eine endgültige Ablösung dieser Dauerschuldverpflichtung gäbe, so wie es das Grundgesetz als Verfassungsauftrag vorgibt". Der Landesverband Thüringen erklärt ferner, dass aus seiner Sicht in der aktuellen Haushaltssituation "die Spielräume für solch sinnvolle Vergleiche in beiderseitigem Interesse vorhanden" seien und dass selbige "in Verantwortung für die nachfolgenden Generationen" auch genutzt werden sollten.
Der Landesverband Schleswig-Holstein betont, dass er sich immer dafür ausgesprochen habe, dass das Land Schleswig-Holstein eine einvernehmliche Regelung mit den Kirchen zur Ablösung der Staatskirchenverträge anstrebt. "Dieses sehen wir als einen Verfassungsauftrag des Grundgesetzes an", heißt es in der Antwort des Landesverbands auf Anfrage des hpd, "leider sind entsprechende Vorstöße bislang von der Mehrheit der Landtage in Schleswig-Holstein nicht aufgegriffen worden". "Wir sehen sowohl das Land als auch die Kirchen in der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, hier zu einer einvernehmlichen Nachfolgeregelung zu kommen", heißt es weiter, "bislang sind jedoch noch nicht einmal Verhandlungen darüber aufgenommen worden".
14 Kommentare
Kommentare
Fabian am Permanenter Link
Der Bund der Steuerzahler (ein antisoildarischer verein, der generell gegen die Erhebung von Steuern ist und alles was ein Sozialsystem ausmacht) ist da leider kein guter Leumund.
Es gibt so viele Fürsprecher für eine Abschaffung, so viele gute Argumente. Da braucht es diesen Verein wahrlich nicht dazu.
Theodor Ebert am Permanenter Link
Hallo,
" Die Staatsleistungen sind Zahlungen, die sich auf über 200 Jahre zurückliegende politische Entscheidungen gründen. Damals hatte Napoleon die Enteignung von Kirchengütern veranlasst."
25. 2. 1803 beschlossen, die staatlichen Funktionen von Kirchenfürsten aufzuheben und diese an weltliche Regierungen zu geben. Das eigentümliche Kirchengut blieb dabei unangetastet. Es wurden den Kirchen die Einkommensquellen genommen, die sie bisher zur Erfüllung staatlicher Aufgaben erhalten hatten.
Eine Entschädigung der Kirchen war gar nicht vorgesehen.
Das ist eine der frommen Lügen der Kirchen und ihrer juristischen Helfershelfer.
Theo Ebert
Kay Krause am Permanenter Link
1.) Frage: was ist hier eigentlich mit "Ablösung" gemeint? Ablösung womit?, wodurch?
2.)da diese "Staatsschulden Kirchen bereits hundert- oder tausendfach zurückgezahlt wurden, haben die Kirchen gefälligst die zuviel gezahlten Milliarden an den Staat zurück zu zahlen! Wenn das Finanzamt mir versehentlich zuviel Steuern zurückerstattet, so kann es die irrtümlich zuviel gezahlte Summe auch von mir zurückfordern.
Von "Verhandlungen? ist hier die Rede. NEIN!, keine jahrelangen Verhandlungen mehr, um alles bis zum Sankt Nimmerleinstag in die Länge zu ziehen und immer lustig weiter zu zahlen! SOFORT Schluß damit!
3.) Wie wär's denn mal mit einer Volksabstimmungs-Initiative?
4.) und letzter Punkt. Wie und wann werden eigentlich die verantwortlichen Damen und Herren Politiker zur Rechenschaft gezogen, die sich seit Jahrzehnten über dieses Grundgesetz hinwegsetzen?
Roland Weber am Permanenter Link
Reichlich viel Wischi-Waschi beim Bund der Steuerzahler! Ohnehin: Seit wann setzt die Politik um oder berücksichtigt das, was der offensichtlich zudem bunte Bund der Steuerzahler bemängelt?
Interessanter wäre es allemal, überhaupt nach den Motiven (!) zu fragen, warum man und wer (Abgeordnete und Parteien) denn eigentlich diesen Verfassungsbruch (nämlich nichts zu tun!) für gerechtfertigt hält. Solange nicht einmal die Gegner einer Ablösung ins Visier geraten, tut sich da garantiert nix! Schließlich sprudeln ja bekanntlich die Steuerquellen, so dass vom Geld her doch alles passt. Und schließlich sitzen auch noch genug kirchliche Interessenvertreter in allen Parteien, um jeglichen Tatendrang auszubremsen. Ein kollektive Schweigen und Aussitzen, wie ansonsten in keiner Frage! Wer möchte es sich denn auch schon mit den Kirchen verderben?
Und wenn nicht endlich auch größere und unabhängige Organisationen politischen Druck machen, geht auch das Jubiläums-Jahrhundert (seit Verfassungsbestimmung 1919 - 2019) ohne Änderungen noch bis ins nächste Jahrtausend! Wenns ganz dicke kommt, dann gibt es auch noch Festgottesdienste für das erfolgreiche Bündnis von Politik und Kirchen. Thron und Altar haben eben Tradition!
Rolf Dechmann am Permanenter Link
Bravo.
CnndrBrbr am Permanenter Link
Was gibt es angesichts der Gegenleistungen, die von den Kirchen für die Staatsleistungen erbracht werden, eigentlich überhaupt zu verhandeln?
Christoph Heckermann am Permanenter Link
Wenn Kirchen und Staat miteinander verhandeln, dann hat es bisher immer dahin geführt, dass die Pfaffia die Hanswurste vom Staat dazu bringt Kröten zu schlucken, die eklig, widerwärtig, ungerecht und unakzeptabel für
Thomas B. Reichert am Permanenter Link
Und anschliessend bitte dann das Blutgeld unserer Ahnen an die Nachfolger (uns) auszahlen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Nein, da helfen keine Appelle.
"Unwille der Politik" - ich freue mich auf den Tag der Abwählung.
H-J.Ludwig am Permanenter Link
Nehmen macht seliger denn Geben, so sehen es die Pfaffen...und kein Ende in Sicht!
A.S. am Permanenter Link
Meinen Sie etwa ernsthaft, in unserer kirchengelenkten "Demokratie" wäre soetwas möglich?
- Die Führungsebenen der Parteien sind fest in der Hand kirchenhöriger Parteibonzen.
Deutschland hat wirklich keinen Grund, mit dem Finger auf Demokratiedefizite (mangelnde Gewaltenteilung) in der Türkei oder Polen zu zeigen: In Deutschland ist alles fest in der Hand der Kirchen und ihrer Diener. Die Parteien, die hohen Gerichte, die ÖR-Medien, große Teile der Verwaltung und die Bildung vom Kindergarten bis zu den Universitäten stehen unter maßgeblichem Einfluss der Kirchen.
Nur der AfD erlauben die Kirchen ein kleines bisschen Aufstand, sorgfältig überwacht von Gauland und v.Storch. Kontrolliertes Dampf-Ablassen unter Kirchenaufsicht.
Thomas B. Reichert am Permanenter Link
@A.S.
Hier einige Merkmale von Diktaturen:
Eine Person, Gruppe oder Organisation hat das Machtmonopol.
Es wird eine Einheitspartei mit Massenorganisationen erschaffen.
Und ja, auch dies trifft zu, z.B. Pfadfinderverband, diverse Orden, Kolpingwerk, Kath. Arbeitervereine, Bund Katholischer Unternehmen … Übrigens: Die CDU ist eine Ausgründung der röm.-kath. Kirche.
Eine Ideologie beansprucht alle Bereiche des menschlichen Lebens.
Auch dies trifft zu: Rituale wie Taufe, Kommunion, Firmung, Heirat, Tod … werden von der Kirche vereinnahmt und selbstverständlich wird diese Ideologie schon Kindern im Kindergarten und in der Schule eingetrichtert.
Die Freiheit der Presse wird abgeschafft, Medien gleichgeschaltet und durch Zensur ein Informationsmonopol gesichert.
Ja, es gab in der Vergangenheit Bücherverbrennungen durch Kirchen, Bücher wurden zensiert oder verbannt (Index Librorum Prohibitorum), Wikipedia wurde von Theologen gekapert, öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten mit eigenen Redaktionen infiltriert, eigene Verlage gegründet … und auch in der Politik mischt diese Ideologie mit.
Die Macht wird durch außergesetzliche Gewalt, staatlicher und parastaatlicher Repressionsapparate abgesichert.
Ja! §166 StGB, außerdem Teufel, Hölle, … und Angst vor der Aufklärung.
Ja, das Christentum ist eine ART(Kunst)-Diktatur! Menschen werden mit Kunst, Feste, Rituale … geködert, um anschließend eine Gesellschaftsstruktur aufzubauen.
Ja, wir leben aktuell in einer ART-Diktatur. Kinder werden in Kindergärten und Schulen indoktriniert. Wir erwachsene mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten, welche Gottesdienste senden, gefakte Dokus ... Die CDU schüttet die Kirchen mit Gelder zu und schützt noch die Kirchen in Gesetzen ....
Und jeder der von dem Blutgeld unser Ahnen profitieren möchte macht damit weiter. Ich schüttel nur noch ungläubig den Kopf.
A.S. am Permanenter Link
@Thomas B. Reichert: Wir beide sind bezüglich der katholischen Kirche weitgehend der gleichen Ansicht. Ich beschränke meine Vorwürfe aber nicht auf diese, sondern erweitere sie auf alle Religionen.
Jede Herrschaftsform hat Interesse an einer zuverlässigen Manipulation ihrer Untertanen. Zu diesem Zweck wurden die Religionen, aber auch die moderneren Ideologien entwickelt.
Religion ist traditionelle Massen-Manipulation mit Vorstellungen von Gott, Paradies und Hölle. Ideologien sind moderen Massen-Manipulation ohne Gott, dafür aber mit Rasse, Volk, proletarischer Klasse, Nation, sonstnochwas.
Was wir in Deutschland erleben ist, dass auf moderne Massenmanipulation warnend mit dem ausgestreckten Finger gezeigt wird und gleichzeitig traditionelle religiöse Massenmanipulation in den Schulen getrieben wird.
Anti-Faschismus als Tarnung für gleichzeitige religiöse Manipulation.
Und die dummen Linken/Grünen machen mal wieder mit.
Um es klar zu sagen: Auch ich bin gegen Faschismus und Kommunismus. Darüber hinaus bin ich gegen Religion.
Manfred Gilberg am Permanenter Link
Habe viel gelesen über den Auftrag der "Ablösung": es hieß lediglich für die dmal lebneden K_Fürsten: lebenslang!
Dass dies ein so deeehnbarer Begriff werden konnte ...?
Dass die Kirchen dies nicht verhindern konnten?
Wer von geneigten Verfassern der Kommentare oder auch der Redakteure mag darauf jeine Antwort geben?
Vielen Dank im Voraus.
MG