WEIMAR. (hpd) Erst jüngst fuhr der Direktor des Zentrums für Religionspädagogische Bildungsforschung (ZRB) der Theologischen Fakultät an der Friedrich-Schiller-Universität, Prof. Dr. theol. Michael Wermke schwerstes Geschütz auf, als er öffentlich dazu aufforderte, an Berufsschulen den Religionsunterricht verpflichtend einzuführen, denn das Grundgesetz verlange dies und der gegenwärtige Zustand sei deshalb verfassungswidrig. War das nur ein einmaliger Ausrutscher, nur etwas Unredlichkeit?
Der Humanistische Pressedienst hat sich in einem Kommentar mit dieser Aussage auseinandergesetzt. Was dem Kommentator aber zunächst nur als einmaliger Ausrutscher erschien, stellt sich jetzt in einem ganz anderen Lichte dar. Denn bei der Beschäftigung mit bewusstem Theologie-Professor kam noch etwas anderes zu Tage.
So hatte im November des Vorjahres das vom Wermke geleitete Institut zu einem Workshop unter dem Titel "Das Recht des Kindes auf Religion" eingeladen. Und diese Einladung hatte es in sich. Hier wurde noch weitaus schwereres Geschütz aufgefahren. Wird aktuell (Religionsunterricht an die Berufsschulen) "nur" mit einem unvollständig zitierten Grundgesetz-Artikel pseudoargumentiert, so wurde im November die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" (siehe Anlage 1) in Stellung gebracht. Denn in der Veranstaltungsankündigung (siehe Anlage 2) heißt es ohne Vorwarnung:
"Das Recht auf religiöse Bildung ist ein Menschenrecht, festgehalten in Artikel 26 der ‘Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte’ von 1948.
Dort wird ausgeführt: 'Die Eltern haben ein vorrangiges Recht, die Art der Bildung zu wählen, die ihren Kindern zuteil werden soll.' Außerdem wird an gleicher Stelle herausgestellt, dass Bildung 'auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit' gerichtet sein soll und 'zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen' muss – Ziele, zu denen religiöse Bildung in hohem Maße beitragen kann."
Was das Institut des Herrn Theologen aber geflissentlich unterlassen hat, das ist die Veröffentlichung des von ihm zum Kronzeugen erklärten Artikels 26 dieser Erklärung; darin heißt es wortwörtlich:
"1. Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muss allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offen stehen.
2. Die Bildung muss auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muss zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein.
3. Die Eltern haben ein vorrangiges Recht, die Art der Bildung zu wählen, die ihren Kindern zuteil werden soll.”
Von einem "Recht auf religiöse Bildung" ist hierin mit keinem Wort und an keiner Stelle die Rede. Und ebenso wenig von einem behaupteten "Recht der Kinder auf Religion". Denn der Artikel 18 der Menschenrechtserklärung bestimmt ebenfalls eindeutig:
"Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder seine Weltanschauung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen."
Was das erwähnte elterliche "vorrangige Recht" angeht, so ist das im Kontext mit Ziffer 1 zu sehen, also ihrem Recht als Erziehungsberechtigte für ihre minderjährigen Kinder in Bezug auf die Wahl der Schulart (öffentliche, "freie", private Schule) und des weiteren Bildungsweges (z.B. Abiturerwerb oder berufsbildende Schule).
Begleitend zu dieser Veranstaltung führte die Tageszeitung "Thüringer Allgemeine" am 31. Oktober 2014 ein Interview mit Herrn Wermke. Darin heißt es:
"Professor Wermke, Ihre Fakultät veranstaltet im November einen Workshop unter dem Titel ‘Das Recht des Kindes auf Religion’. Was genau ist damit gemeint?
Eltern haben das Recht, dass ihre Kinder religiös erzogen werden. Das ist schon seit bald 100 Jahren juristisch verankert."
Aber, der Herr Professor belegt seine Behauptung nicht. Und leider belässt es die Journalistin dabei und fragt nicht nach, wo genau denn das juristisch verankert sei…
Weiter heißt es:
"Laut einer Erhebung konnten in Ostdeutschland von Hundert Befragten 75 nicht einmal spontan das erste Gebot nennen. Was antworten Sie denen auf die Frage: Was soll ich mit dem Reformationstag?
Jede Gesellschaft braucht Erinnerungstage, an denen wir uns vergegenwärtigen, wer wir eigentlich sind."
Sehen wir mal vom hier angesprochenen Reformationstag ab. Warum antwortet der Herr Theologe nicht einfach selbst auf die Frage nach dem ersten Gebot? Angeblich sind doch diese "Gebote" die ach so grundlegenden und immer wieder beschworenen "christlichen" Werte, die die Grundlage unserer Zivilisation darstellen würden und für deren Vermittlung es unbedingt pflichtigen Religionsunterricht geben müsse:
"Ich bin der Herr, Dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben."
Dieser Text ist eindeutig: Es ist DAS Gebot der Intoleranz! Nicht von ungefähr steht es wohl an erster Stelle…
Was den Rest dieses Interviews angeht, so ist es ein weiteres beredtes Beispiel für "theologisches Geschwurbel" (Heinz-Werner Kubitza).
Nein, um Unredlichkeit handelt es sich bei solchen Theologen-Auslassungen nicht. Allein das wäre schon schlimm genug. Nein, hier handelt es sich um wiederholte bewusste Täuschung, um arglistige Irreführung gutgläubiger Menschen. Was aber fast noch schlimmer ist: dass Medien und Politik solche Aussagen kritiklos nachplappern.
2 Kommentare
Kommentare
Noncredist am Permanenter Link
Soweit zur Säkularität: Wie schon erwähnt, ist nur das Recht auf (allg.) Bildung verankert. Es existiert kein Recht auf eine(!) bestimmte(!) religiöse(!) Bildung, die vom Staat getragen werden soll.
"Jede Gesellschaft braucht Erinnerungstage, an denen wir uns vergegenwärtigen, wer wir eigentlich sind."
Und wer sind *wir* eigentlich? Ich vermute mal, hier sind (nur) die Christen gemeint, die anscheinend einen Reformationstag benötigen.
Wenn gewissen Religionen dafür "Erinnerungstage" wie den Reformationstag benötigen, sollen sie bitte sowas haben dürfen. Zeigen sie damit nur die Tatsache auf, dass die religiöse Bildung - trotz sehr langer Praxis, schon ab dem Vorschulalter - weiterhin mangelhaft ist. Das die hiesige pluralistische Gesellschaft - selbst ohne(!) die exakte Kenntnis eines Reformationsprozesses - sehr gut über die Runden kommt, zeugt von der Unnötigkeit eines solchen Tages ;)
Angela am Permanenter Link
Woher nimmt sich dieser Herr Professor eigentlich die Frechheit zu glauben, dass Kinder ein Recht darauf haben angelogen zu werden??
Wenn man eine derartige Lüge, neben noch so manch anderer, braucht, diesen Unterricht irgendwie inhaltlich zu füllen, so ist das eigentlich eine absolute Bankrotterklärung für dieses Fach, das so eigentlich nichts anderes als einen Diebstahl von Zeit und Lernkapazität darstellt.
Als kürzlich sich eine Schülerin und Internetaktivistin völlig zu Recht beklagt hat, dass das Ausfüllen einer Steuererklärung nicht Gegenstand des Unterrichts sei, so ist mir wieder einmal bewusst geworden, dass das in der Tat mehr Lebenshilfe bedeutet als dieses unsägliche, erzwungene "Jesus-Lebt"-Gelabere.