Irische Metastudie stellt fest:

Prävention entscheidend bei Verschwörungsglauben

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Reichsbrücke in Wien, Leopoldstadt

In einer Untersuchung von 25 Studien kommen Forschende an den irischen Universitäten zu Cork und Dublin zu dem Ergebnis, dass Präventionsmaßnahmen und kritisches Denken das wirksamste Gegenmittel gegen Verschwörungsdenken darstellen. Die Metastudie zeigt auch, dass Personen, die einmal begonnen haben, an Verschwörungsmythen zu glauben, durch Faktenchecks und logische Argumente kaum mehr zu beeinflussen sind.

Dass Verschwörungsmythen eine pandemieartige Dynamik angenommen haben, ist nicht zuletzt daran zu erkennen, dass sich eine ganze Industrie um das Konzept des "Debunkings", also des argumentativen Widerlegens, gebildet hat. Websites wie Snopes, truthorfiction oder Mimikama verwenden einen Großteil ihrer Ressourcen auf solche Faktenchecks. Eine irische Metastudie kommt nun allerdings zu dem Ergebnis, dass diese Herangehensweise weitgehend wirkungslos zu sein scheint: "Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es schwieriger ist, Verschwörungsmythen in Frage zu stellen, wenn Personen erst einmal angefangen haben, daran zu glauben. Wenn den Teilnehmenden erklärt wurde, warum bestimmte Verschwörungstheorien unplausibel sind, bevor sie mit verschwörerischen Medien in Berührung gekommen sind, sind sie viel resistenter gegen Verschwörungsdenken."

In ihrer Untersuchung betrachteten die Forschenden 25 Studien mit unterschiedlichen "Interventionen", also Maßnahmen gegen Verschwörungsdenken. Präventive Interventionen, sozusagen ein vorauseilendes Debunking, zeigten fast immer bessere Ergebnisse als solche, die erst nach dem Kontakt mit Verschwörungsmythen stattfanden. Ganz ähnlich wie bei einer viralen Pandemie sei es also effektiver, sich Antikörper "einimpfen" zu lassen als ungeschützt mit dem Erreger in Kontakt zu kommen, kommentieren die Autor*innen.

Gesteigerte Quellenkompetenz ebenfalls mit geringerem Verschwörungsglauben assoziiert

Eine der 25 untersuchten Studien sticht durch einen einzigartigen Ansatz bei der Bekämpfung von Verschwörungsmythen heraus. Statt mit kritischen Primern zu arbeiten oder die Teilnehmenden präventiv mit Informationen zu "impfen", mussten die Proband*innen einen Kurs absolvieren, der ihnen beibringen sollte, die wissenschaftliche Validität einer Quelle zuverlässig zu bewerten und pseudowissenschaftliche Argumente zu erkennen.

In dieser Studie führte die Methode zu einer mittleren bis hohen Reduktion des Verschwörungsglaubens, doch aufgrund ihrer Einzigartigkeit und einiger methodologischer Schwächen bedarf es hier noch weiterer Forschung. Die Autor*innen der Metastudie weisen außerdem darauf hin, dass ein solcher Ansatz in der Praxis weitaus zeit- und kostenintensiver ist als andere Methoden.

Vier Empfehlungen und ein Limit

Die Forschenden schließen ihre Untersuchung mit vier Handlungsempfehlungen für diejenigen, die gegen Verschwörungsmythen vorgehen. Die erste mag überraschen: "Es sollte vermieden werden, an Emotionen zu appellieren." Der Versuch, Empathie zu wecken, zeigte kaum einen Effekt auf die Intensität des Verschwörungsglaubens der Proband*innen. Gleiches gilt für Faktenchecks, wenn die Teilnehmenden bereits verschwörerisches Denken entwickelt hatten. "Gegenargumente sind nicht effektiv", lautet die zweite Empfehlung.

Das präventive "Einimpfen" rationaler Überzeugungen hingegen zeigt vielversprechende Ergebnisse. Wenn Menschen, bevor sie sich mit einem bestimmten Verschwörungsmythos beschäftigen, darüber aufgeklärt werden, warum diese spezfische Vorstelllung nicht wahr sein kann, zeigen sie eine geringere Tendenz zu verschwörerischem Denken.

Schließlich haben sich ein analytisches Mindset und eine Neigung zum kritischen Denken als besonders wirksam erwiesen. "Wenn die Teilnehmenden nicht nur zu einer analytischen Denkweise angeregt wurden, sondern ihnen explizit beigebracht wurde, Verschwörungsmythen mittels spezifischer kritischer Denkprozesse zu bewerten, glauben sie mit viel geringerer Wahrscheinlichkeit an Verschwörungen", so das Fazit der Forschenden.

Abgesehen davon, dass für eine abschließende Bewertung der Wirksamkeit verschiedener Interventionen eine breitere Datenbasis erforderlich ist, haben diese Ergebnisse jedoch auch ein praktisches Limit. Zum einen ist es in der Praxis schwierig, Menschen präventiv damit zu konfrontieren, warum bestimmte Verschwörungsmythen Unsinn sind. Im Zeitalter Sozialer Medien, Deepfakes und eines News Cycle von 24 Stunden gleicht dieser Ansatz einer Sisyphosaufgabe, so schnell kann sich ein neuer Verschwörungsmythos verbreiten. Zum anderen sind Bildungsmaßnahmen, die die Quellenkompetenz erhöhen, aufwendig und teuer und ihre Effektivität hängt substantiell von der Bereitschaft jedes einzelnen Teilnehmenden ab, sich diese Fähigkeiten auch anzueignen.

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