Humanistischer Verband Niedersachsen

Alternative zum besonderen Kirchgeld in "glaubensverschiedenen Ehen"

Am 30. September dieses Jahres hat die Landesversammlung des Humanistischen Verbandes Niedersachsen einstimmig beschlossen, ihren Mitgliedsbeitrag ab 1. Januar 2019 als "Verbandsteuer" zu erheben. Durch diesen Schritt sind Mitglieder, die bis dahin das sogenannte besondere Kirchgeld für ihren kirchlich gebundenen Partner zahlen mussten, von dieser Pflicht befreit.

Lukas Gehrke, Mitglied im Landesvorstand des Verbandes und als Steuerfachmann maßgeblicher Architekt der Neuerung, sagt zu diesem Schritt: "Die Einführung einer Verbandsteuer ist eine progressive Idee, die unseren Mitgliedern praktisch hilft. Solange kirchliche Vorrechte in Deutschland existieren, müssen wir uns für deren Abschaffung einsetzen. Bis dies der Realität entspricht, kann unser Beitrag gerne Steuer heißen, um Ungerechtigkeiten der bestehenden Rechtslage auszugleichen."

Dieser Ausweg steht ab 1. Januar 2019 allen Konfessionsfreien in Niedersachsen zur Verfügung, die vom besonderen Kirchgeld betroffen sind. Nach einer kleinen Anfrage der FDP im niedersächsischen Landtag sind dies mindestens 80.000 Menschen. Um sich die Befreiung vom besonderen Kirchgeld für das gesamte Jahr 2019 zu sichern, sollte man noch in diesem Jahr den Eintritt in den Humanistischen Verband beantragen, um ab 1.1.2019 Mitglied zu sein.

Hintergrund

Kirchensteuern dürfen grundsätzlich nur von Kirchenmitgliedern erhoben werden. Das gilt auch dann, wenn in einer Ehe ein Partner Kirchenmitglied ist, der andere aber keiner Kirche angehört.

In solchen "glaubensverschiedenen Ehen" wird für den konfessionsfreien Partner dann keine Kirchensteuer, sondern das "besondere Kirchgeld" berechnet, wenn die Einkünfte voneinander wesentlich abweichen und der verdienende Partner kirchensteuerpflichtig ist. Dann wird nicht das Einkommen des Kirchenmitglieds als Bemessungsgrundlage herangezogen, sondern der sogenannte gemeinsame Lebensführungsaufwand.

In Niedersachsen erhebt die katholische Kirche seit dem Jahr 2006 solch ein besonderes Kirchgeld, die evangelische bereits seit dem Jahr 2000. Die Verwaltung wurde, analog zur Kirchensteuer, den Finanzämtern übertragen. Das besondere Kirchgeld wird nur dann erhoben, wenn diese die Kirchensteuer übersteigt, sie der Kirche also mehr nutzt als schadet.

Um das besondere Kirchgeld zu vermeiden, kann der noch kirchlich gebundene Partner aus der Kirche austreten. Kommt dies für ihn nicht in Frage, ist eine getrennte steuerliche Veranlagung möglich, wodurch sich aber die Einkommenssteuer für beide erhöhen würde.

Ab Januar 2019 bietet sich für konfessionsfreie Bewohner Niedersachsens die Mitgliedschaft im Humanistischen Verband an, als den Religionsgemeinschaften gleichgestellte Weltanschauungsgemeinschaft für nichtreligiöse Menschen. Der dann als Verbandssteuer eigenständig erhobene, zweistufig gestaffelte Mitgliedsbeitrag beträgt derzeit höchstens 84 Euro.

Grund: Ein besonderes Kirchgeld wird nicht erhoben, wenn der Ehegatte des Kirchenmitglieds auch kirchensteuerpflichtig ist. Das ist konkret immer dann der Fall, wenn dieser Partner einer anderen Religionsgemeinschaft angehört, deren Kirchensteuer durch die Finanzverwaltung erhoben wird, oder einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft, die ihre Steuer selbst erhebt, wie bspw. die Jüdische Gemeinde Hannover (K. d. ö. R.).

Auch der Humanistische Verband Niedersachsen wird ab 2019 eine steuererhebende Weltanschauungsgemeinschaft sein. (Die Genehmigung wurde durch das Kultusministerium bereits erteilt, es steht lediglich die Veröffentlichung der Verbandsteuerordnung im Ministerialblatt aus.) Auch von seinen Mitgliedern darf dann kein besonderes Kirchgeld mehr erhoben werden.

Machen wir es an einem Beispiel fest: Wir betrachten eine Ehe, in der ein Partner Mitglied in der evangelischen Kirche ist und der andere Partner keiner Konfession angehört. Der christliche Partner hat kein eigenes Einkommen, der konfessionsfreie hingegen schon. In diesem Fall würde die evangelische Kirche eigentlich keine Kirchensteuer bekommen, da das Kirchenmitglied kein Geld verdient. Die Kirche würde also leer ausgehen. Um das zu verhindern erhebt sie stattdessen das besondere Kirchgeld vom Einkommen des konfessionsfreien Partners. Ist dieser aber Mitglied im Humanistischen Verband Niedersachsen – ab 2019 eine steuererhebende Weltanschauungsgemeinschaft – dann zahlt er kein besonderes Kirchgeld mehr.

Dem Humanistischen Verband sind die Probleme der Kirchensteuer, wie sie in Deutschland praktiziert wird, sehr bewusst. Daher wurde das Beitragssystem für Mitglieder, die in Niedersachsen wohnen, so in eine Steuerordnung überführt, dass diese nicht nur alle problematischen Aspekte der Kirchensteuer ausspart, sondern auch für die Mitglieder einen fairen, da an der Leistungsfähigkeit des Einzelnen orientierten Beitrag erhebt.

Zum einen bleibt es natürlich dabei, dass eine steuerpflichtige Mitgliedschaft nur durch den bewussten Schritt des Eintritts als religionsmündige Person möglich ist. Zum anderen werden staatliche Behörden oder gar Arbeitgeber und Banken nicht in die Beitragserhebung eingebunden. Der Humanistische Verband verwaltet und erhebt seine Beiträge eigenständig, wie vorher auch durch Bankeinzug oder Überweisung. Der Einzug von Kirchensteuern durch die Finanzämter widerspricht eindeutig dem humanistischen Verständnis eines säkularen Staates.

Insofern kann die Verbandssteuer den Kirchen als Vorbild dienen, da sie zeigt, dass es innerhalb bestehenden Kirchensteuerrechts möglich ist, eine Steuer ohne staatliche Verflechtung und all den sich daraus ergebenen Problemen zu erheben. Mit etwas gutem Willen geht es eben auch ohne den Staat!

Mehr Informationen dazu direkt auf der Webseite des HVD Niedersachsen.

Vgl. dazu auch: