"Ich bin Frau, mit jeder Faser meines Körpers"

Tessa Ganserer ist die erste Trans-Politikerin in einem deutschen Landtag. Anfang November bekannte sich die Grünen-Abgeordnete offiziell zu ihrer Transidentität. Nun hat sie einen weiteren Schritt gewagt: Sie will ab jetzt nur noch als Frau leben und sich in der Politik dafür einsetzen, dass dies auch für andere Menschen leichter wird.

Das bayerische Parlament hat seit kurzem eine neue Abgeordnete: Tessa Ganserer. Es ist ein besonderer Wechsel, denn bis vor einigen Wochen hieß die Nürnberger Grünen-Politikerin noch Markus mit Vornamen. Jetzt hat sie sich zu einem mutigen Schritt entschlossen: Sie hat sich öffentlich dazu bekannt, dass sie sich als Frau fühlt und auch als Frau leben möchte. "Ich bin Frau, mit jeder Faser meines Körpers. Und nun auch Frau Landtagsabgeordnete", schrieb sie auf ihrer seit Ende Dezember bestehenden Facebook-Seite. Nach Ende der Weihnachtspause will sie jetzt auch im Maximilianeum Perücke und Damenkleider tragen.

Dass sie sich als Frau fühle, habe die 41-Jährige schon vor zehn Jahren festgestellt, kann man in den Nürnberger Nachrichten (NN) lesen. Was folgte, war eine harte Zeit der inneren Zerrissenheit. Am 9. November outete sie sich schließlich auf der Facebook-Seite von Markus Ganserer mit den Worten: "Ich will leben, wie ich leben will, denn ich will ich sein, anders kann ich nicht sein. Hier bin ich, ich bin Trans*, ich kann nicht anders." – Der letzte Eintrag auf dieser Seite. Die vielen Glückwünsche und warmen Worte, die sie daraufhin über alle Kanäle erreichten, bestärkten sie. Es habe sich so angefühlt, dass die Welt Tessa Ganserer mit Freude willkommen heiße, schreibt die Süddeutsche Zeitung (SZ). Also ging Ganserer noch einen Schritt weiter und beschloss, nicht nur "Teilzeit-Frau" zu sein, sondern Markus hinter sich zu lassen und ab jetzt nur noch Tessa zu sein.

Tessa Ganserer Foto: privat
Tessa Ganserer, Foto: privat

Die Familie erfuhr es zuerst. Ganserer sei einfach als Frau vor ihre beiden Söhne getreten (sechs und elf Jahre alt) und habe ihnen erklärt, dass sie jetzt immer so sein werde. Die Kinder und auch die Frau der Politikerin hätten das akzeptiert. Sie liebten schließlich den Menschen, der ja kein anderer sei, ob nun in Frauenkleidung oder ohne, ob er oder sie Markus oder Tessa mit Vornamen heiße. "Für meine Kinder ist die Tessa die beste Papa der Welt. Die Deutsche Sprache gibt das her und die Kinder haben sich an die neue Grammatik sehr schnell gewöhnt", erklärt die Abgeordnete dem hpd.

Auch die Reaktionen der Kollegen sind überwiegend positiv. Alle mit Ausnahme der AfD hätten ihr laut NN zu ihrem Mut gratuliert. In der Praxis passiert es dann aber, dass ein Liberaler sie erst mal als Dragqueen bezeichnet, was sie als Beleidigung empfindet, und der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) peinlich berührt ist, als er sie mit "Herr Ganserer" anspricht und sie ihn korrigiert, wie die SZ berichtet. Neuland für Politiker, die oft selbst geäußerten Toleranzappelle und Betonungen der gesellschaftlichen Vielfalt in die Tat umzusetzen, und zwar im eigenen Parlamentsalltag.

"Es geht mir supergut", sagt Tessa Ganserer gegenüber dem hpd. Laut SZ wolle sie ihre äußere Erscheinung ihrem inneren Geschlecht immer weiter angleichen. Ohne Perücke fühle sie sich mittlerweile nackt. Als nächstes wolle sie ihre Stimme trainieren, damit sie weiblicher klingt.

Nicht so einfach ist der bürokratische Identitätswechsel. Die Nürnberger Politikerin benötigt zwei psychologische Gutachten, damit der Staat sie als Frau anerkennt. Damit die Krankenkasse Maßnahmen wie beispielsweise eine Bartepilation übernimmt, wäre zusätzlich ein einjähriger sogenannter "Alltagstest" notwendig, in dem man sozusagen auf Probe mit dem "neuen" Geschlecht lebt. Für Betroffene sei das "enorm diskriminierend", findet die Landtagsabgeordnete Ganserer. Als Politikerin und queerpolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Landtag will sie sich auch dafür einsetzen, dass sich das ändert und es in Zukunft nicht mehr so viel Mut braucht, sich zur eigenen Geschlechtsidentität zu bekennen, sondern dass dies selbstverständlich ist. Die Verkehrsaktiengesellschaft Nürnberg (VAG) macht schon vor, wie es auch gehen kann: Selbstverständlich schickte sie der Nürnbergerin ein eTicket mit neuem Namen und Foto zu, mit dem Hinweis, dass die Karte aufgrund der Namensänderung ausgetauscht werden musste und die bisherige nicht mehr gültig sei. Fertig.