Berlinale – 69. Internationale Filmfestspiele Berlin

Das Private ist politisch

In Berlin ist seit dem wilden Neujahrsfeuerwerk etwas mehr als ein Monat vergangen, seit der Fashion Week sind es drei Wochen. Nach einem Kälteeinbruch im Januar ist das Wetter nun ungewöhnlich warm geworden. Vom 7. bis 17. Februar verwandeln die 69. Internationalen Filmfestspiele Berlin die deutsche Hauptstadt in ein stadtweites Filmfest. In den zehn Festivaltagen werden rund 400 Filme aus der ganzen Welt, darunter 196 Weltpremieren, in den Kinos am historischen Potsdamer Platz und in anderen Stadtteilen gezeigt.

Im prestigeträchtigen Wettbewerbsteil des Festivals gibt es 23 Filme, von denen 17 um die goldenen und silbernen Bären wetteifern, die am Samstag, 16. Februar, vergeben werden. Es sind hauptsächlich europäische Produktionen, aber auch Filme aus Brasilien, China (drei Filme), Israel, der Mongolei, der Türkei und den USA.

Die internationale sechsköpfige Jury wird von der preisgekrönten französischen Schauspielerin Juliette Binoche präsidiert. Rajendra Roy, der US-amerikanische Kurator des New York City Museum of Modern Art, und Trudie Styler, britische Schauspielerin und Produzentin, gehören auch dazu. Bei der Pressekonferenz der Jury am vergangenen Donnerstag versetzte Binoche die Medien in Aufregung, als sie zum Ende der öffentliche Züchtigung des in Ungnade gefallenen Produzenten Harvey Weinstein aufrief und sagte, dass die Vorwürfe vor Gericht verhandelt werden sollten.

Dies ist das letzte Jahr, in dem das Festival von Festivaldirektor Dieter Kosslick gestaltet wird, der es seit achtzehn Jahren leitet. Das bedeutete, dass Kosslick bei der Eröffnungszeremonie im Berlinale Palast mit Liedern und Worten geehrt wurde und abschließend mit stehenden Ovationen. Die Abschlusszeremonie nächste Woche verspricht emotional zu sein. Kosslicks Nachfolger werden zwei Co-Direktoren, ein Italiener und ein Deutscher.

Für seine letzte Berlinale wählte Kosslick den Slogan aus der Frauenbewegung Ende der 1960er: "Das Private ist das Politische". Damit bezieht er sich auf vier Themen des Festivals: Kindheit, Familie, Gleichstellung der Geschlechter und wie wir uns ernähren. Ob in den Bereichen Wettbewerb, Forum, Panorama oder Generation des Festivals, ob Fiktion oder Dokumentarfilm, die meisten Filme des Festivals behandeln die Zerrüttung von Familien und Menschen, die um ihr Leben kämpfen, aber oft mit Hoffnung und Erlösung in Sicht.

Am Donnerstagabend wurde das Festival mit dem Wettbewerbsfilm "The Kindness of Strangers" des dänischen Regisseurs Lone Scherfig eröffnet, einem modernen Märchen aus New York City. Die Besetzung von obdachlosen und glücklosen Charakteren entgeht auf wundersame Weise dem Unglück, um daraufhin Liebe und Erfüllung in der Großstadt zu finden, und endet schlussendlich mit allen in einem schrulligen russischen Restaurant mit einem exzentrischen Besitzer. Vor der Filmvorführung im Berlinale Palast gingen der Regisseur und die fünf Hauptdarsteller auf dem roten Teppich und posierten für Fotos vor einem riesigen Publikum.

Die deutsche Filmindustrie war nahezu komplett anwesend für die Eröffnungszeremonie, die Vorführung und die große offizielle Party, welche auf fünf Etagen des Berlinale Palastes Getränke und Delikatessen anbot. Sie überhäuften Scherfig mit Komplimenten für "Kindness", jedoch waren die Filmkritiker weniger begeistert – trotz der guten Absichten des Regisseurs kritisierten sie den Film, weil er nicht das notwendige Maß Glaubhaftigkeit erreicht hatte.

Es gab Aufregung um zwei Filme, die auf dem Festival eröffnet wurden. Der südafrikanische Film "Flatland" hat am Donnerstag die Panorama-Sektion eröffnet und wurde gut angenommen. Ein Roadmovie mit Western-Elementen bringt zwei junge Südafrikanerinnen über ethnische und soziale Unterschiede hinweg in eine gefährliche Unterwelt zu einem mehrdeutigen glücklichen Ende.

Der indische Film "Gully Boy" über Mumbai Street Rapper hatte am Samstagabend bei einer Sondergala im Friedrichstadtpalast im historischen Kulturzentrum seine Weltpremiere. Der berührende, energiegeladene Film, der an Eminems 8 Mile erinnert, inspirierte das Publikum mit seiner Botschaft, ihren Träumen zu folgen, egal wie hoch die Hürden sind, egal ob Mann oder Frau. Die Stars Ranveer Singh und Alia Bhatt und der Regisseur Zoya Akhtar nahmen an der Premiere teil, wodurch das Event Glamour versprühte, und gewannen die Herzen des Publikums.