Humanistischer Salon Nürnberg

Mythische Weltbilder entschärfen

Wir leben in einer Zeit der politisch motivierten Wiederbelebung von Mythen, warnte die Philosophin und Kunsthistorikerin Susanna Berndt im Januar beim Humanistischen Salon von Kortizes in Nürnberg. Um die mit mythischen Weltbildern verbundenen Gefahren einzudämmen, sei es wichtig, den Reiz und die Funktion ihrer Narrative für die Menschen zu verstehen.

Beim vierten Termin der aktuellen Staffel des Humanistischen Salons Nürnberg referierte Dr. Dr. Susanna Berndt am 20. Januar 2019 im Nürnberger Café PARKS über Unterschiede zwischen wissenschaftsbasierten und mythischen Weltbildern. Umrahmt von Claus Geberts Klavierimprovisationen erläuterte sie, dass letztere zwar zurückgedrängt wurden, jedoch leicht wiederzubeleben und zu instrumentalisieren seien.

Susanna Berndt, Foto: © Karin Becker
Susanna Berndt, Foto: © Karin Becker

Nach der Begrüßung und Einführung durch Helmut Fink las die Philosophin dazu Passagen aus ihren 2017 erschienenen Büchern "Wider die Unvernunft" (Grin Verlag) und "Evolution der Weltbilder" (Diplomica Verlag). Knapp 50 Interessierte waren zum Vortrag bei Sonntagsbrunch und Livemusik gekommen und diskutierten über den Umgang mit unterschiedlichen Weltbildern.

Auch wenn die Zeit der Deutungshoheit mythischer Weltbilder vorbei sei, weil wissenschaftsbasierte Weltbilder heute großen Einfluss hätten, blieben Menschen für mythische Erzählformen empfänglich, erklärte Susanna Berndt. Denn sie gäben positiven wie negativen Erlebnissen einen Sinn. "Rein wissenschaftsbasierte Weltbilder erscheinen in dieser Hinsicht nicht so befriedigend."

Besonders deutlich werde das etwa beim Thema Zufall, so Berndt. In beiden Typen von Weltbildern werde Zufälliges als etwas beschrieben, was sich menschlichem Einfluss entziehe. Aber im Detail ist die Wirkung beider Weltbilder auf Menschen sehr unterschiedlich.

Die mythische Weltsicht ist im Umgang mit dem Zufall ganz auf die Sinnvermittlung ausgerichtet. Der Zufall werde erklärt durch das Wirken von Schicksalsmächten oder göttlichem Willen. Es gehe dabei um die Annahme eines verborgenen Sinns hinter zufälligen Ereignissen, der Trost spendet und Hoffnung macht auf eine Art ausgleichende Gerechtigkeit.

Die wissenschaftsbasierte Weltsicht könne zwar mit einer gewissen Berechenbarkeit punkten, aber höchstens auf der Ebene von Wahrscheinlichkeiten. Der Einzelfall bleibe unvorhersehbar. Auch werde ihm weder Sinn zugeschrieben noch Zweck. "Wissenschaftlichen Weltbildern fehlt es an narrativer Struktur und Emotionalität", erläuterte Berndt. Im Gegensatz zu mythischen Weltbildern gäbe es darin auch keine Antworten auf moralische Fragen.

Die Vorzüge eines wissenschaftsbasierten Weltbildes mit seinen Grundpfeilern in Realismus, Naturalismus und einem korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriff muss nach Berndts Einschätzung daher stets aktiv vermittelt werden. Sie sieht darin eine wichtige Aufgabe der Bildung.

Da dies jedoch nicht reiche, um der politischen Instrumentalisierung von Mythen Einhalt zu gebieten, plädierte Berndt zusätzlich dafür, populäre mythische Erzählformen in ihrem Nutzen für die Menschen zu analysieren und – wenn nötig – zu entschärfen. Die narrative Struktur gelte es dabei zu erhalten. Auch die Suche nach alternativen Narrativen ist zu bedenken.

Foto: © Karin Becker
Foto: © Karin Becker

Wenn etwa politisch rechte Kräfte inselkeltische Überlieferungen nutzen, indem sie Ablehnung von Einwanderung und Diskriminierung von Fremden mit mythischen Geschichten rechtfertigen, die von wirtschaftlichem Schaden und Konkurrenz um Ressourcen erzählen, dann ständen aus der gleichen kulturellen Tradition andere Mythen zur Verfügung, die alternative Zuwanderungsgeschichten erzählen – von vorübergehendem Asyl, von Kooperation zu gegenseitigem Nutzen oder auch vom Entstehen verschmolzener, synkretistischer Kultur.

Auch wenn die Entmythologisierung der Gesellschaft angesichts der Macht religiöser Dogmen wünschenswert erscheine, könne ein solches alternatives Vorgehen ebenfalls zur Entschärfung von Mythen beitragen und die Tür öffnen zu konstruktiver gesellschaftlicher Auseinandersetzung und einer friedlicheren, rationaleren Debatte, ist Berndt überzeugt.

Am kommenden Sonntag, 17.2.19, lädt Kortizes wieder zu einem Humanistischen Salon Nürnberg. Unter dem Titel "Säkularer Humanismus heute. Wie viel Religionskritik brauchen wir?" debattieren Peter Henkel, Religionskritiker und Journalist, und Michael Bammessel, Präsident der Diakonie Bayern, wie notwendig es noch ist, weltanschauliche Gegensätze zwischen Glauben und Atheismus zu betonen. Das Podium wird moderiert von Helmut Fink.

Am Dienstag darauf, dem 19.2.19, geht es im Planetarium Nürnberg unter dem Titel "Die Illusion des Wissens. Zauberspiele von der Aufklärung bis zur Gegenwart" um historische Zauberkunst im Auftrag der Bildung. Der Vortrag des Zauber-Historikers Thomas Stauss zum Abschluss der Reihe "Vom Reiz der Illusionen" wird dabei durch Gastvorstellungen der Nürnberger Zauberkünstler Stephan Kirschbaum und Jörg Alexander ergänzt. Einführung und Moderation: Thomas Fraps.