Mit 1000 Kleiderbügeln gegen 1000 Kreuze

Mit dem 1000-Kreuze-Marsch in Münster eröffnen christliche AbtreibungsgegnerInnen traditionell die Saison der "Lebensschützer-Märsche" im deutschsprachigen Raum. Wie in den Vorjahren formierte sich gegen die AbtreibungsgegnerInnen auch in diesem Jahr vielfältiger und lauter Protest.

Rund einen Meter groß und weiß sind die Kreuze, mit denen die sogenannten "LebensschützerInnen" singend und betend durch die Stadt ziehen. Jedes dieser Kreuze soll hierbei eines von 1000 Kindern symbolisieren, welche nach Auffassung der AbtreibungsgegnerInnen täglich in Deutschland abgetrieben werden. Allerdings kommen bei den Märschen selten tatsächlich 1000 Kreuze zusammen. Nach Angaben der Polizei hatte der Marsch der AbtreibungsgegnerInnen in Münster am vergangenen Samstag lediglich rund 120 TeilnehmerInnen.

Der seit einigen Jahren von der überkonfessionellen christlichen "Lebensschützer-Vereinigung" EuroProLife organisierte Marsch 1000 Kreuze für das Leben findet in Münster seit 2003 statt. Seine TeilnehmerInnen sprechen sich für das Verbot von Abtreibungen aus. Fast in jedem Jahr sind in dem Gebetsmarsch dieselben Gesichter zu sehen. Vor allem ältere Menschen, Männer und Frauen, bereits durch den Kleidungsstil erkennbar christlich-konservativ. Doch auch jüngere Menschen finden sich unter den TeilnehmerInnen des Marsches. Bei der jüngeren Generation dominieren allerdings deutlich die Männer. Hier fallen neben Geistlichen in konservativer katholischer Soutane vor allem junge Männer auf, die laut Szenekennern der Identitären Bewegung zuzurechnen sind.

Bereits seit Jahren formiert sich gegen den 1000-Kreuze-Marsch in Münster Widerstand. Seit dem vergangenen Jahr wird die zentrale Gegendemonstration gegen den Marsch der "LebensschützerInnen" vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung Münster ausgerichtet. Zu den Bündnis-Unterstützern gehören neben feministischen Gruppen politische Parteien, Gewerkschaften, Hochschulgruppen, politische und kulturelle Vereine sowie säkulare Verbände wie der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten NRW.

Den Kreuzen setzte die zentrale Gegendemonstration für das Recht auf Abtreibung in diesem Jahr Kleiderbügel entgegen. Sie sollten symbolisieren, dass bei einem Verbot von Abtreibungen illegale Schwangerschaftsabbrüche unter katastrophalen hygienischen Verhältnissen und mit fragwürdigen Instrumenten – wie den hierfür bekannten Drahtkleiderbügeln – durchgeführt werden. Mit 1000 Kleiderbügeln gegen 1000 Kreuze zogen nach Veranstalterangaben rund 1000 Menschen durch die Innenstadt für eine Abschlusskundgebung am zentralen Prinzipalmarkt.

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(© Daniela Wakonigg)

Dass die Polizei die Zahl der TeilnehmerInnen der Gegendemonstration mit nur 500 angibt, mag daran liegen, dass viele GegendemonstrantInnen nicht an der Abschlusskundgebung teilnahmen, sondern sich stattdessen entlang der geplanten Route des parallel zur Abschlusskundgebung beginnenden 1000-Kreuze-Marsches in der Innenstadt verteilten. Sie kommentierten den wie in jedem Jahr von einem starken Polizeiaufgebot begleiteten Marsch der "LebensschützerInnen" mit Trillerpfeifenkonzerten und Sprechchören, homosexuellen Kuss-Szenen und aufgeblasenen Kondomen. Die Polizei ließ die GegendemonstrantInnen weitgehend gewähren, nur an einigen Stellen wurden sie mit massivem Polizeiaufgebot abgedrängt. Insgesamt kam es nach Polizeiangaben zu sechs Strafanzeigen gegen GegendemonstrantInnenen. Fünf Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot und eine Anzeige wegen Beleidigung einer Polizeibeamtin.

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Abschluss des 1000-Kreuze-Marschs am Kardinal-von-Galen-Denkmal. (© Daniela Wakonigg)

Der offensive Gebetsmarsch der "LebensschützerInnen" fand seinen traditionellen Emotionalisierungs-Höhepunkt mit dem Versenken von Rosen im Fluss Aa. Beim Abwurf jeder einzelnen Rose wird hierbei der Name eines fiktiven Kindes gerufen, das nach der Vorstellung der AbtreibungsgegnerInnen durch einen Schwangerschaftsabbruch gestorben ist. Einige hundert Meter weiter endete der 1000-Kreuze-Marsch schließlich wie in jedem Jahr an der Kardinal-von-Galen-Statue neben dem Dom von Münster. Kardinal von Galen wird von den christlichen "LebensschützerInnen" besonders verehrt, da er sich als Bischof von Münster während des Dritten Reichs für den Schutz des sogenannten "lebensunwerten Lebens" und damit gegen die vom NS-Regime angeordnete Tötung von Kranken und Behinderten aussprach. Außerhalb konservativ-christlicher Kreise ist Galen aufgrund weiterer Äußerungen hingegen nicht unumstritten.

Diesjähriges Highlight der christlichen Abschlussveranstaltung am Dom: Ein weißer Kindersarg, gefüllt mit daumengroßen Plastikföten. Von den Gebeten der "LebensschützerInnen" beim Galen-Denkmal war allerdings kaum etwas zu verstehen, da diese von zahlreichen GegendemonstrantInnen durch Sprechchöre, Trillerpfeifen und Trommeln übertönt wurden.