"1000-Kreuze-Marsch" Münster 2018

Vielfältiger Protest gegen Abtreibungsgegner

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Bunter Protest gegen den 1000-Kreuze-Marsch in Münster

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Nicht nur bunt, sondern auch gottlos glücklich wird in Münster gegen den 1000-Kreuze-Marsch Flagge bzw. Luftballon gezeigt

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Die erste große Gegendemonstration des Tages stand unter dem Motto "Mein Körper – Meine Entscheidung"

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Die Demonstration des Bündnisses für Selbstbestimmung staret am Hauptbahnhof

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Die Gegendemonstration des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung Münster erreicht den Prinzipalmarkt

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Auf dem Prinzipalmarkt mündet die Demonstration in einer Kundgebung

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Währenddessen versammeln sich die Teilnehmer des 1000-Kreuze-Marsches auf St. Aegidiikirchplatz

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(Nicht ganz) 1000 Kreuze liegen bereit zur Kreuz-Ausgabe

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Der Vorsitzende von EuroProLife Wolfgang Hering eröffnet den 1000-Kreuze-Marsch mit einer Rede

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Mit Marienbild voran und unter starkem Polizeischutz beginnt der 1000-Kreuze-Marsch

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Gegendemonstranten kommentieren den 1000-Kreuze-Marsch am Wegesrand

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Der 1000-Kreuze-Marsch endet am farblich neu gestalteten Kardinal-von-Galen-Denkmal

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Nach dem 1000-Kreuze-Marsch gab es eine weitere Gegendemonstration, zu dem die linksradikale Gruppe "Eklat Münster" aufgerufen hatte

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Der alljährliche Auftakt der sogenannten "Lebensschützer"-Märsche im deutschsprachigen Raum findet traditionell im März im westfälischen Münster statt. Anders als in den Vorjahren gab es beim diesjährigen 1000-Kreuze-Marsch in Münster am vergangenen Samstag eine Zunahme an Teilnehmern – eine kleine auf Seiten der Abtreibungsgegner und eine große auf Seiten der Gegendemonstranten.

Jahrelang war es um das Thema "Schwangerschaftsabbruch" einigermaßen ruhig geworden in Deutschland. Als in den 1990er Jahren die faktische Fristenregelung in Kraft trat, die einen Schwangerschaftsabbruch nach Beratung innerhalb der ersten 12 Wochen nach der Befruchtung straffrei macht, ebbten die großen Demonstrationen gegen § 218 StGB ab. Und auch auf Seiten der Abtreibungsgegner beschäftigten sich in Deutschland nur noch einige besonders fundamentalistische Christen mit dem Thema.

Das hat sich inzwischen geändert. Spätestens seit der Verurteilung der Ärztin Kristina Hänel im vergangenen November, weil sie nach Auffassung des Gerichts gegen das Werbeverbot für Abtreibungen (§ 219a StGB) verstoßen hatte, erfährt das Thema "Schwangerschaftsabbruch" wieder eine breite gesellschaftliche Diskussion. Zum einen, weil der Fall Hänel zeigte, auf welch tönernen Füßen die Möglichkeit der straffreien Abtreibung auch in Deutschland nach wie vor steht – Kristina Hänels "Verbrechen" bestand nämlich lediglich darin, dass sie den Schwangerschaftsabbruch neben anderen ärztlichen Leistungen auf ihrer Homepage aufgeführt und darüber informiert hatte. Zum anderen, weil durch den Fall Hänel vielen bewusst wurde, dass Abtreibungsgegner immer aggressiver agieren und versuchen, rechtlich gegen Ärzte vorzugehen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Weltweit und inzwischen auch vermehrt in Deutschland.

Sowohl das massivere Auftreten der Abtreibungsgegner als auch das neue Bewusstsein dafür, dass die rechtlichen Möglichkeiten zum straffreien Schwangerschaftsabbruch erhalten bleiben und erweitert werden müssen, spiegelte sich am vergangenen Samstag in Münster wider.

Wie in jedem Jahr zogen die sogenannten Lebensschützer mit rund einen Meter großen weißen Kreuzen singend und betend durch die Stadt. Jedes dieser Kreuze soll hierbei eines von 1000 Kindern symbolisieren, welche nach Auffassung der Abtreibungsgegner täglich in Deutschland abgetrieben werden. Der von der überkonfessionellen christlichen "Lebensschützer"-Vereinigung EuroProLife organisierte 1000-Kreuze-Marsch durch Münster findet seit 2003 statt. Fast in jedem Jahr sind in dem Gebetsmarsch dieselben Gesichter zu sehen. Bereits durch den Kleidungsstil erkennbar christlich-konservative ältere Menschen aus Münster. Aber auch jüngere Menschen, die zumeist aus gemeinsamen Gebetskreisen stammen und aus verschiedenen Teilen NRWs zum Marsch anreisen. Selten kamen beim 1000-Kreuze-Marsch mehr als 100 Personen zusammen. In diesem Jahr waren es laut Angaben der Polizei 120. Auffällig war, dass erstmals auch junge Männer, die laut Szenekennern der Identitären Bewegung zuzurechnen sind, bei dem Gebetszug mitmarschierten. Auch lokale Funktionäre der AfD nahmen an dem Marsch teil.

Der 1000-Kreuze-Marsch wurde auch diesmal von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet, um Abtreibungsgegner und Gegendemonstranten auseinanderzuhalten. Letztere kommentierten den durch die Polizei geschützten Marsch mit Trillerpfeifenkonzerten und Sprechchören, wobei es nach Polizeiangaben mehrfach zur Feststellung von Personalien und Strafanzeigen kam. Durch eine Sitzblockade von Gegendemonstranten auf der Route des 1000-Kreuze-Marsches mussten die "Lebensschützer" diesmal früher als geplant zum traditionellen Endpunkt ihres Marsches ziehen, der Statue von Kardinal von Galen auf dem Domplatz.

Kardinal von Galen
Das Kardinal-von-Galen-Denkmal auf dem Domplatz wurde von einigen Gegendemonstranten leicht verändert. © Daniela Wakonigg

Kardinal von Galen wird von den christlichen "Lebensschützern" besonders verehrt, da er sich als Bischof von Münster während des Dritten Reichs für den Schutz des sogenannten "lebensunwerten Lebens" und damit gegen die vom NS-Regime angeordnete Tötung von Kranken und Behinderten aussprach. Außerhalb konservativer christlicher Kreise ist Galen aufgrund weiterer Äußerungen hingegen nicht unumstritten. Hitlers Krieg gegen die Sowjetunion lobte er beispielsweise ausdrücklich als Kampf gegen den gottlosen Bolschewismus. Die ehemalige Theologieprofessorin Uta Ranke-Heinemann sieht in der Person des Kardinals von Galen die Bündelung der "Lebenslüge des deutschen Nachkriegskatholizismus"

In diesem Jahr fanden die "Lebensschützer" die Statue des Kardinals allerdings leicht verändert vor: Mit rosa Farbe bestrichen und versehen mit dem Slogan "My body – my choice".

Bereits vor Beginn des 1000-Kreuze-Marsches um 14:30 Uhr hatte um 13:30 Uhr unter dem Motto "Mein Körper – Meine Entscheidung" eine große Gegendemonstration stattgefunden. In den Vorjahren waren entsprechende Gegenveranstaltungen in Münster hauptsächlich von sehr linken und linksradikalen Gruppierungen organisiert worden, was weniger linke und weniger radikale Gegner der "Lebensschützer" von einer Teilnahme abhielt. Dieser Ansicht sind Johanna Wegmann und Lina Maas, zwei Aktivistinnen des neu gegründeten Bündnisses für Selbstbestimmung Münster, das in diesem Jahr erstmals eine Gegendemonstration mit anschließender Kundgebung auf dem zentralen Prinzipalmarkt veranstaltete.

"Wir denken, es ist wichtig, dass eine große gesellschaftliche Breite erreicht werden kann und die Gegendemonstration zum '1000-Kreuze-Marsch' anschlussfähig und niedrigschwellig für viele Menschen ist. Unserer Meinung nach waren die Gegenproteste aus den letzten Jahren dies nicht", so Wegmann und Maas. "Wir zielen auf gesellschaftliche Breite und konzentrieren uns darauf, eine anschlussfähige und friedliche Demo zu organisieren, die dann in einem bunten Ständefest für Frauenrechte endet. Wir wollen eine sichtbare und hörbare Gegenstimme in der Stadt an dem Tag sein."

Die Rechnung der Organisatorinnen des Bündnisses ging auf. Dem Bündnis schlossen sich bereits im Vorfeld verschiedene politische Parteien, Organisationen und Privatpersonen an und trotz eisiger Temperaturen nahmen an der Demonstration nach Polizeiangaben gut 750, nach Angaben des Veranstalters sogar rund 1000 Menschen teil – weit mehr als an den Protestveranstaltungen gegen den 1000-Kreuze-Marsch in den Vorjahren.

"Uns geht es vor allem darum, für sexuelle Selbstbestimmung einzutreten. Wir setzen uns dafür ein, dass das problematische Frauenbild der Teilnehmenden am 1000-Kreuze-Marsch öffentlich gemacht wird", sagen Wegmann und Maas zur Zielsetzung ihrer Gegendemonstration. "Die selbsternannten 'Lebensschützer' interessieren sich nämlich für eines ganz klar nicht: Die Leben der Frauen. Eine gesetzliche Einschränkung und Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und die Verhinderung von Beratung zu diesem Thema führen nicht dazu, dass weniger abgetrieben wird. Stattdessen sorgt gesetzliche Repression dafür, dass Abtreibungen unter schrecklichen Bedingungen stattfinden, Frauen sich verletzen oder gar umbringen", so Wegmann und Maas. "Die Organisator*innen des 1000-Kreuze-Marsches treten außerdem für ein Verbot von Verhütungsmitteln und eine 'natürliche' Geschlechterordnung ein, womit sie meinen, dass die Rolle der Frauen in der Gesellschaft vor allen Dingen sein sollte, Mutter und Hausfrau zu sein. Wir sagen, so ein Frauenbild zu vertreten ist menschenverachtend."

Neben der großen Gegenveranstaltung des Bündnisses für Selbstbestimmung Münster gab es eine weitere Gegendemonstration unter dem Motto "Feminismus in die Offensive! Gegen das Patriarchat und seine Fans!" unmittelbar nach dem 1000-Kreuze-Marsch. Diese Gegenveranstaltung wurde von QueerfeMS sowie einer ebenfalls neu gegründeten Gruppierung veranstaltet, die sich Eklat Münster nennt und sich selbst als linksradikal bezeichnet. Laut Polizei nahmen rund 200 Menschen daran teil.

Man wolle diese weitere Gegendemonstration nicht als Konkurrenzveranstaltung zur Demonstration des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung verstanden wissen, so die Organisatorinnen und Organisatoren, vielmehr gehe es darum, die Gegenproteste um eine weitere Veranstaltung mit einer anderen inhaltlichen Ausrichtung zu ergänzen. "Unter den Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise und in heutigen bürgerlichen Nationalstaaten sind Freiheit und Selbstbestimmung nicht zu verwirklichen", so QueerfeMS und Eklat Münster. "Eine konsequente feministische Praxis formuliert daher eine sehr grundsätzliche Kritik an den herrschenden Zuständen. Die Demonstration 'Feminismus in die Offensive – gegen das Patriarchat und seine Fans' soll solche radikaleren feministischen Positionen, zusätzlich zu den Veranstaltungen des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung Münster, in der Öffentlichkeit platzieren."