Altrechtliche Staatsleistungen und kein Ende?

Der Humanistische Verband Rheinland-Pfalz/Saarland begrüßt, dass inzwischen auch in Rheinland-Pfalz und Saarland eine öffentliche Debatte zu den altrechtlichen Staatsleistungen an die christlichen Kirchen angeregt wurde. Sowohl Medien als auch Politiker und Kirchenvertreter haben Stellung bezogen – aus Sicht des Verbandes bisher allerdings in unbefriedigender Weise.

2019 besteht der Ablösebefehl der Weimarer Reichsverfassung in Art. 138 (1), der als Art. 140 ins Grundgesetz übernommen wurde, seit 100 Jahren. Eine plakative Gelegenheit, um das Problem der Rechtmäßigkeit der Staatsleistungen an die Kirchen ins öffentliche Bewusstsein und möglichst auch auf die politische Tagesordnung zu bringen.

"Die Politik fordert die Kirchen zur Gesprächsbereitschaft auf. Die Kirchen beteuern ihre Offenheit und Gesprächsbereitschaft und sagen, die Politik müsse aktiv werden, die Kirchen selbst haben keine Bringschuld. Die Länder sagen, der Bund solle wie in Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 WRV die Grundsätze für eine Ablösung aufstellen. Der Bund sagt, er sehe sich nicht in der Verantwortung, die Länder seien die Vertragspartner der Kirchen und sollten eigenständig agieren. Die Länder warnen vor den angeblich hohen Kosten und fordern die Kirchen zur Gesprächsbereitschaft auf. Die Kirchen beteuern ihre Offenheit und Gesprächsbereitschaft und sagen … – und somit schließt sich der Kreis. Das geht so seit mehreren Jahrzehnten", gibt Dr. Karl-Heinz Büchner zu bedenken, stellvertretender Vorsitzender des HVD RLP/Saar.

Das Thema taucht immer wieder auf, ruft bei allen Beteiligten die immer gleichen Stellungnahmen hervor, wurde immer ungelöst wieder beiseitegelegt und sorgt in Teilen der Politik und der Zivilgesellschaft für die immer gleiche Unsicherheit und Unzufriedenheit.

Das regelmäßige Wiederkehren zeigt aber, dass das zu Grunde liegende Problem sich durch Aussitzen nicht von selbst löst, sondern dass der Kreis durchbrochen werden muss, und zwar indem gehandelte Fakten überprüft und Argumentationsketten auf ihre Stichhaltigkeit hin untersucht werden.

Lange Zeit konnten die christlichen Kirchen sich darauf verlassen, dass ihre Begründung für Staatsleistungen als "Entschädigung für Enteignungen durch die Säkularisation" jeden Kritiker sofort zum Schweigen bringt. Doch so simpel ist die Sachlage bei genauerem Hinsehen nicht.

Eine sorgfältige Sichtung der von Kirchen und Staatskirchenrechtlern bevorzugt angegebenen Rechtsgrundlage, nämlich des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 ergibt, dass nicht einfach von einer Enteignung geistlicher Territorien und von der Neuverteilung dieses Eigentums gesprochen wird, sondern von einem komplizierten Gemisch aus Rechten, Vorrechten und Einkünften, von Lehen, also von Gütern, die sowohl geistlichen als auch weltlichen Besitzern lediglich zur Nutzung zur Verfügung gestellt worden und rechtmäßigerweise auch wieder entzogen werden konnten, und von Entschädigungen für die Inhaber verschiedener geistlicher Ämter in Form von lebenslangen Wohnrechten und Nutzungsrechten an Mobiliar und sonstiger Ausstattung sowie von lebenslangen Pensionen, die allerdings nicht an ein Amt, sondern an die jeweiligen Personen gekoppelt waren. Daraus Ansprüche auf nie enden sollende staatliche Zahlungen abzuleiten zu wollen, ist eine mindestens gewagte, eher wohl in keiner Weise zu rechtfertigende Haltung.

In späteren Staatskirchenverträgen konnten die Kirchen schließlich durchsetzen, dass Gewohnheitsrecht vertraglich verankert wird, so dass es unerheblich wurde, ob behauptete rechtliche Grundlagen legitimerweise zustande gekommen waren oder jeder Grundlage entbehrten.

"Die Kirchen können sich nicht, wie immer behauptet, auf eine eindeutige Rechtslage berufen, sondern profitieren gerade davon, dass die Ursprünge ihrer Ansprüche verschleiert und aus einer historischen Machtposition heraus zum eigenen Vorteil ausgelegt wurden", so Hedwig Toth-Schmitz, Vorsitzende HVD RLP/Saar.

Die scheinbar sachlich fundierten und differenzierten Einschätzungen verschiedener Politiker, die unbezahlbare Ablösesummen fürchten, verdeutlichen, wie sehr diese sich ihre Argumentation von den einseitig interessengeleiteten Kirchen vorgeben lassen, statt dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen und Positionen in einer modernen pluralistischen Gesellschaft zu dienen.

Es wäre zu wünschen, dass diese wichtige Diskussion um das Verhältnis von Staat und Kirchen ernsthafter und zielstrebiger geführt würde. Der HVD RLP/Saar steht hierfür gerne als Ansprechpartner zur Verfügung. Die von dem Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke angestoßene innerkirchliche Diskussion geht nach Ansicht des HVD in die richtige Richtung. Allerdings müssen diesen grundsätzlichen Überlegungen konkrete Schritte der Umsetzung folgen.