Was für ein Kirchentag ...

"Was für ein Vertrauen". Da hat sich vermutlich eine von der evangelischen Kirche beauftragte Werbeagentur einen Slogan ausgedacht, der prima in die derzeitige deutsche Gemütslage passt. Irgendwie scheint er mir den Grünen und ihren Wahlerfolgen abgeschaut. Statt moralisch erhobenem Zeigefinger die positiv gefärbte Beschwörungsformel: "Was für ein Vertrauen". Und nicht umsonst leuchten allüberall hoffnungsvoll grüne Schals als Fan-Abzeichen und grüne Luftballons, für ein "Gemeinschaftsgefühl" wie im Fußballstadion und im Kindergarten.

Das Positiv-Image sagt: "Nicht nörgeln, nicht verbieten ... positiv in die Zukunft schauen, wir schaffen das!". Eine Veranstaltung also wider die Verunsicherung, wider alle Zukunftsängste. Fehlt nur noch das Jesuszitat: "Seht die Vögel unter dem Himmel: sie säen nicht, sie ernten nicht ..."

Das Thema Gerechtigkeit darf natürlich nicht fehlen. Da sagte doch der Theologe in einer Sendung des Deutschlandfunks voller Überzeugung: "Gott schenkt uns Gerechtigkeit ..." und man fragt sich, in was für einer Welt lebt dieser Mann? Ein anderer sagte: "Gott vertraut uns ..." – "uns", wer ist das? Vertraut er uns, den Menschen, allen Menschen? Ist dieser Gott, pardon, tatsächlich so naiv? Hat der keine Ahnung zum Beispiel von der organisierten Kriminalität? Ja, die Theologen und ihr ausgeprägter Realitätssinn ...

Und dann der beklagte "Vertrauensverlust" gegenüber – inzwischen auch – der evangelischen Kirche, inklusive Mitgliederschwund. Den Begriff "Glaubensverlust" scheint es in diesen Kreisen nicht zu geben. Den meidet man wie der Teufel das Weihwasser. Da wird zwar hin und wieder die fortschreitende "Säkularisierung" genannt, dass diese aber nichts anderes als "Glaubensverlust" bedeutet, scheint man nicht zu begreifen, nicht begreifen zu wollen.

Mit der "Säkularisierung" kann man nur konkurrieren, wenn man sich ebenfalls mehr um die Probleme des säkularen Lebens im Diesseits bemüht als um das Seelenheil, die Vergebung der Sünden und die Erlösung in der ewigen Glückseligkeit. Mit diesen altbackenen christlichen "Essentials", so ahnt man, kann man nicht mehr "landen". Also nimmt man sich der Ängste an, der Angst vor der Digitalisierung, der Angst ums Klima, der Angst um oder vor ... Hab' Vertrauen und alles wird gut! – lautet die frohe Botschaft. Früher hieß das einmal: Denke positiv und alle Probleme werden sich lösen.

Und wenn dann auch noch der Bundespräsident, die deutsche Ausgabe von Papst Franziskus, wie dieser mit ebenso wohlformulierten wie wirkungslosen Appellen das Wort erhebt, dann hören die Gläubigen ehrfürchtig zu. Politische Prominenz als Glanzlichter der Veranstaltung, gut für die Volksseele, gut für die politischen "Eliten". Denn schließlich sind diese Zuhörer ja das Wahlvolk, da lohnt es sich, schon mal seinen Glauben vor sich herzutragen.

An Veranstaltungen wird nicht gespart. Über zweitausend sollen es sein und das in vier Tagen! Und wieder fragt man sich: "Sind die noch ganz bei Trost?" Herrscht hier der Wahlspruch "Quantität statt Qualität"? Oder stärkt womöglich dieses bombastische Programm Stolz und Selbstbewusstsein der Gläubigen? Wer so viel zu bieten hat, der ist noch lange nicht am Ende!? Der hat zu wirklich jedem Thema etwas Kompetentes zu sagen!?

Bei all den angesprochenen Themen, von jenem "Jesus" war nirgends die Rede. Der scheint keine Rolle mehr zu spielen. Was sollte er auch zur Digitalisierung und zur künstlichen Intelligenz sagen? Sein "Kümmert euch nicht allzu sehr ..., mein Reich ist nicht von dieser Welt ..." klingt so was von old fashioned, das kann man dem modernen Gläubigen nicht mehr zumuten. Denn bei aller Hoffnung auf die ewige Glückseligkeit, hier auf Erden, da muss es schon auch stimmen.

Moment mal, da habe ich doch im Fernsehen ein Plakat gesehen: "Würde Jesus heute twittern?" Natürlich würde er das. Er wäre ständig mit dem Smartphone unterwegs, würde jeden seiner Auftritte an sein Follower posten und bei den "Fridays-for-Future"-Aufmärschen würde er ganz vorne mitmarschieren. Vergessen wären die Seligpreisungen und die Botschaft von der Vergebung der Sünden – "Sünde", was ist das? –, das Klima würde Jesus mehr Sorge bereiten als das, was er einmal vor zweitausend Jahren auf dem Bildschirm hatte.

Ach ja, da gab es doch noch eine Veranstaltung "mit religiösem Anstrich". Es ging um die heiligen Schriften, um die Bibel und den Koran. Man einigte sich auf "Gotteswort in Menschenwort", die wahrlich perfekte Formulierung für jedermann, für die Historisch-Kritischen ebenso wie für die, die diese Schriften hartnäckig immer noch für "Offenbarungen" halten. Mit etwas theologischem Sprachwitz kann man so ziemlich alles retten.

Für den nächsten Kirchentag – als seelische "Wellness-Veranstaltung" – hätte ich einen Vorschlag. Der Slogan "Was für ein Vertrauen" wäre mit "Was für eine Liebe" noch zu toppen. An Liebe fehlt es überall. Ein Theologe wird dann unweigerlich sagen: "Gott liebt uns", uns alle natürlich, auch wenn das viele oder die meisten Menschen nicht merken. Statt der Angst vor der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz würde man dann vielleicht über die allgemeine Lieblosigkeit oder die Selbstverliebtheit diskutieren. Und wenn bei diesem "ökumenischen Kirchentag" Bedford-Strohm und Kardinal Marx Arm in Arm oder händchenhaltend wie ein Liebespaar voranschreiten, dann wird der Eucharistiezwist zwar immer noch nicht beigelegt sein, aber rosarote Schals und rosarote Luftballons in Herzform werden für das nötige "Gemeinschaftsgefühl" sorgen und alle werden einander lieben.

Jetzt aber Schluss! Und, nichts für ungut, man darf das alles nicht so ernst nehmen. Die Leutchen, die sich dort versammelt haben, sind ja "Gott-sei-Dank" relativ harmlos und "guten Willens". Und wenn sie gutgelaunt und voller Vertrauen auf Gott und die Welt nach Hause gehen, was will man mehr?