Über zentrale Ergebnisse seiner neuen Studie "Religion in der Moderne. Ein internationaler Vergleich" hat Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack vom Exzellenzcluster "Religion und Politik" in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) gesprochen. Darin äußerte er sich insbesondere zur Lage der Kirchen und zur Religiosität in Deutschland.
"Dass die Kirchen irgendwann nur noch den Status von Sekten haben werden, ist nicht absehbar. Der Bedeutungsrückgang ist vielmehr ein sehr langsamer, schleichender Prozess, der schon seit Jahrzehnten andauert. Die Austrittszahlen sind zudem mit unter einem Prozent nicht dramatisch. Die Kirche lebt noch stark von ihrer Vergangenheit, von ihrer Verankerung in den Familien und der Kultur. Doch diese Tradition verliert an Bedeutung, nicht sprungartig, aber man kann sagen, geradezu mit der Regelmäßigkeit eines Uhrenschlages."
"Dem Bedeutungsrückgang liegt weniger Unzufriedenheit als vielmehr Gleichgültigkeit gegenüber Religionsausübung zugrunde. Viele Menschen finden einfach anderes wichtiger..."
13 Kommentare
Kommentare
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Nach dem Lesen des Originalartikels bleibt ein schaler Geschmack. Dies ist eine Analyse aus religionswissenschaftlicher Sicht, keine theologische, ok. Aber manche Folgerungen sind doch etwas eigenartig...
Eine Gänsehaut bekomme ich, wenn ich lese, dass Kirche sich dort behauptet, "wo sie sich mit nicht-religiösen Dingen verbindet und so in die Gesellschaft ragt". Da sträuben sich dem kritischen Atheisten oder Agnostiker doch die Nackenhaare. Sagen wir doch lieber, dass die Kirche es gut versteht, trotz schwindender Bedeutung im gesellschaftlichen Diskurs die Fahne hochzuhalten. Machtpolitik eben.
Was dadurch bestätigt wird, dass ja erfreulicherweise konfessionelle Kindergärten so stark nachgefragt sind, weil ja "nicht nur" das Seelenheil der Kleinen dort gewährleistet, sondern tatsächlich auch Bildung und Erziehung angeboten wird. Könnte das vielleicht nicht eher an der weitgehenden konfessionellen Monopolisierung der Kitas liegen? Ich glaube nicht, dass die Nachfrage nach konfessionsfreien Kita-Plätzen geringer ist - leider aber das Angebot.
Und auf die paar Kirchenaustritte pfeifen wir doch. Ist ja nur ein Prozent. Wirklich? Und wenn ja, immerhin jährlich.
Ich unterstelle hier einmal wissenschaftliches Arbeiten, es geht hier ja nicht um eine theologische Publikation. Liest sich aber trotzdem ein wenig wie das Pfeifen im Walde. Mit falschen Tönen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Sehr guter Kommentar, volle Zustimmung!
Nur einen Satz habe ich mir aus dem Bericht rausgepickt: "Dass die Kirchen irgendwann nur noch den Status von Sekten haben werden, ist nicht absehbar." Doch! Selbst bei 100% konfessioneller Gebundenheit und 1% Mitgliederschwund/Jahr wären die Kirchen nach exakt 100 Jahren nicht mehr vorhanden, nicht einmal mehr als Sekten.
Doch wir haben nur noch 66% Konfessionelle (alle Religionen inklusive) und den Status einer Sekte haben sie spätestens bei 5% erreicht. Das sind rechnerisch noch 61 Jahre - außer die Kirchen liefern mal wieder einen ihrer allseits beliebten Skandale ab. Dann geht es schneller.
Langsamer wird der Verfall sicher nicht, denn alle Bemühungen, Menschen in die Kirchen zurück zu lotsen, sind bisher kläglich gescheitert.
Es ist absehbar, es ist vorbei!
Rudolf Dieringer am Permanenter Link
An Herrn Kammermeier
Grundsätzlich kann ich Ihnen und Herrn Endruscheit zustimmen.
seit dem Reichdeputationshauptschluss 1803 - Literatur: Carsten Frerk: "Violettbuch der Kirchen") könnte man den Eindruck gewinnen, die Kirchen betrachten ihren Mitgliederschwund lediglich als eine Art Kollateralschaden -
Hauptsache Geld, Einfluss und Macht stimmen!
Schliesslich haben Sie ja die göttlichen Wahrheiten alleinseligmachend für sich gepachtet!
Aber welche unserer politischen Parteien riskiert es schon, diese seit langer Zeit unhaltbare (nämlich dem Grundgesetz zuwiderlaufende) Situation zu verändern? Noch kann man mit "christlichen" Redewendungen Wahlen gewinnen. Hier ist noch viel mehr Wissensvermittlung, Bildung und Aufklärung notwendig.
Im Übrigen: Ihre Prozentrechnung (z.B. jährliche Abnahme der Kirchenmitglieder um 5 %) sehe ich etwas anders: Nach meiner Meinung liegt hier ein exponentieller Vor gang (Funktion) vor, der die Anzahl der Kirchenmitglieder zwar abnehmen lässt, die Zahl null aber nur asymptotisch anstrebt. Da jedoch keine Bruchteile von Kirchenmitgliedern zu erwarten sind, wäre es nur wünschenswert, Sie wären mit Ihrer Rechnung im Recht.
Im Übrigen erhoffe ich noch viele aufklärerische Kommentare und Berichte von Ihnen!
In diesem Sinne mit freundlichem Gruss R. Dieringer
Hans Trutnau am Permanenter Link
Na ja, Bernd, die liebe Prozentrechnung... 100-1 % pro Jahr, das dauerte bis auf 0 nicht exakt 100 Jahre, sondern bedeutend länger (selbst bis zur 5 %-Sekte) - aber egal, das Ende der sog.
Heide am Permanenter Link
Falsch!
Das mag bei linearen Prozessen stimmen; dieser Schrupfungsprozess ist aber nicht linear. Bei 1% Schwund sind nach 60 Jahren immer noch ca die Hälfte übrig.
Doktor B. am Permanenter Link
Sie rechnen falsch. Es geht um 1% der im jeweiligen Jahr vorhandenen Kirchenmitglieder, nicht um 1% der Ursprungsanzahl. So sollte die absolute Zahl der Austritte ständig etwas geringer werden.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich denke mal, das eine Prozent Mitgliederschwund ergibt sich aus der momentanen Relation.
Denn warum sollten weniger bisher konfessionell Gebundene austreten oder ihre Kinder nicht taufen, nur weil die Gesamtzahl bereits auf diesen oder jenen Wert geschrumpft ist? Wir haben es ja nicht mit physikalischen Reaktionen zu tun, bei denen proportionale Verhältnisse entscheidend sind.
Richtig ist natürlich, dass - wenn es eines Tages nur noch zwei Kirchenmitglieder gibt - die Abnahme bei Austritt eines der beiden nicht 1% sondern 50% wäre. :o)
Aber die mathematischen Puristen haben natürlich Recht. Mir ging es auch nur um die von mir kritisierte Aussage der Nichtabsehbarkeit. De facto bin ich sogar überzeugt davon, dass der Prozess zum Ende hin erodierend sein wird, extrem beschleunigt.
Ein ehemals berühmter Popstar verliert seine Fans auch nicht proportional, sondern wenn sein Stern sinkt, das wird das letzte Drittel vermutlich rasch die Fronten wechseln - bis auf einen hartnäckigen Fanclub, der vermutlich noch regelmäßig Blumen auf das Grab des ehemaligen Stars legen wird.
Und die alimentierende Politik wird die Kirchen auch fallen lassen, wenn es mehr als 50% Konfessionsfreie gibt. Schließlich orientiert man sich dort in bester opportunistischer Tradition nach Mehrheiten. Und dieser Zeitpunkt kommt wesentlich schneller, als in 61 Jahren. Ich tippe mal auf zehn Jahre. Aber auch hier will ich mich nicht mathematisch festnageln lassen.
Heide am Permanenter Link
„Ich denke mal, das eine Prozent Mitgliederschwund ergibt sich aus der momentanen Relation.
Ja, weil wir uns noch relativ nahe am Startwert Anfang der 90er befinden. Wie gesagt, bei 1% sind nach 60 Jahren erst die Hälfte weg. Zudem haben die Austrittszahlen seit den 90ern eher kontinuierlich abgenommen. Nach dem Missbrauchsskandal sind die Zahlen auch schnell wieder zurück gegangen.
„Denn warum sollten weniger bisher konfessionell Gebundene austreten oder ihre Kinder nicht taufen, nur weil die Gesamtzahl bereits auf diesen oder jenen Wert geschrumpft ist? Wir haben es ja nicht mit physikalischen Reaktionen zu tun, bei denen proportionale Verhältnisse entscheidend sind.“
Weil es ein Entscheidungsprozess ist. Sonst wären alle wenig gläubigen schon spätestens nach den Missbrauchsfällen ausgetreten. Und, wie gesagt, es kommen Bereinigungseffekte dazu – die jetzt noch drin sind, stehen der Kirche aus welchen Gründen auch immer wahrscheinlich noch relativ nahe. Zumindest werden sie in Relation mehr, was die letzte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung zeigt.
„Richtig ist natürlich, dass - wenn es eines Tages nur noch zwei Kirchenmitglieder gibt - die Abnahme bei Austritt eines der beiden nicht 1% sondern 50% wäre. :o)“
Soweit wird es nicht kommen. Siehe China etc... es wird immer ein paar geben...
„Aber die mathematischen Puristen haben natürlich Recht. Mir ging es auch nur um die von mir kritisierte Aussage der Nichtabsehbarkeit. De facto bin ich sogar überzeugt davon, dass der Prozess zum Ende hin erodierend sein wird, extrem beschleunigt.
“
Das wird man erst am Ende sehen. Es gibt aber genug Gründe, die dagegen sprechen. Z.B. ist vielen der Glaube zwar egal, die Kirche wird trotz der Skandale aber immer noch vorwiegend positiv wahrgenommen. Man kann sich aber auch die Umfrageergebnisse zum ZDF-Beirat anschauen – da ist gerade bei Schülern eine verstärkte Zustimmung zu sehen. Die Nichtmitgliedschaft ist z.Z. Ein allgemeiner Trend, der auch andere Vereine trifft. Vielleicht kommt es auch mal wieder zu Gegenbewegungen.
„Und die alimentierende Politik wird die Kirchen auch fallen lassen, wenn es mehr als 50% Konfessionsfreie gibt. Schließlich orientiert man sich dort in bester opportunistischer Tradition nach Mehrheiten.“
Leipzig zeigt, dass selbst 25% noch ausreichen, ohne größere Diskussion Gelder für z.B. Kirchentag bereitzustellen. Viele Politiker, nicht nur der C-Parteien, sind „bekennende“ Christen. Und solange die Kirchen noch ein relativ positives Image erhalten können, werden sie noch volle Unterstützung aus der Politik erwarten können, da sie, auch wenn sie kollabieren, immer noch die mitgliederstärksten Organisationen darstellen werden. Immerhin haben sie in 1500 Jahren genug Erfahrung in Lobbyarbeit erworben.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Mit Verlaub, aber da sehe ich etwas schwärzer für die Kirchen.
Diese 1.500 Jahre perfekter Lobbyarbeit hindurch hatten die Kirchen praktisch 100% "Zustimmung" gehabt. Noch Anfang des 20. Jh. war es ein Muss, konfessionell gebunden zu sein, wenn man in der Gesellschaft etwas erreichen wollte.
Erst seit den 50er-Jahren setzte der Abwärtstrend ein. D.h. in 1.500 Jahren 0% Schrumpfung, in 60 Jahren ca. 25 - 35%. Es ist nirgends ein gegenläufiger Trend erkennbar, in unserer Umgebung werden Pfarreien zusammengelegt, Pfarrerstellen gestrichen, Kirchen haben teilweise unter 10 Kirchgänger in der Messe.
Ich denke, die Realität ist viel erbärmlicher, als es nach außen erscheint. Außerdem sind viele Tricks bekannt, mit denen Kirchengemeinden höhere Frequenzen bei Gottesdienstbesuchen suggerieren. Auch die ca. 75% nicht Getauften werden vermutlich ihre Kinder auch nur noch zu einem kleinen Prozentsatz taufen.
Und zur generellen Zustimmung zur Kirche: Ich höre aus vielen Gesprächen von konfessionell Gebundenen, dass sie Kirche eigentlich ablehnen, gerade wegen des Verhaltens der Kirche, wegen ihrer Unbeweglichkeit. Die bleiben (vorerst) trotzdem in der Kirche, teilweise mehr aus Gewohnheit.
Und ob die Politik dauerhaft verkaufen kann, die alten Herren in Frauenkleider weiterhin mit Millionenbeträgen zu unterstützen, bleibt abzuwarten. Es mag sein, dass Glaubensfragen viele Deutsche nicht motiviert auszutreten, aber beim Geld hört der Spaß in der Regel auf.
Das ist nur ein Frage, wann die erste Partei mit derartigen Themen punkten kann. Die FDP versucht es zur Zeit und möglicherweise mit Erfolg. Das ist jetzt der Versuchsballon. Man muss die Arbeit der humanistischen Partei abwarten. Doch wenn das erst mal in Bewegung kommt, dann wird es meiner Meinung nach sehr schnell gehen. Denn die allermeisten "Gläubigen" sind in Wahrheit Folklore-Kirchgänger, die keine innere Bindung an den klerikalen Apparat haben.
Joachim Datko am Permanenter Link
Den Kirchensteuerkirchen steht das Wasser bis zum Hals.
Die Zahlen für die evangelische Kirchensteuerkirche:
Mitgliederverlust: 2013 -- 1,4%
http://www.monopole.de/aktuelles/kirchenaustritte-steigerung-evangelische-landeskirchen-2013-2014/
Egal wie man rechnet, die Kirchen verlieren in der Bildungsgesellschaft massiv an Boden. Die MINT - Fächer in der Schule und die modernen Medien lassen keine Zeit für die Indoktrination von Kindern und Jugendlichen.
valtental am Permanenter Link
"Ich unterstelle hier einmal wissenschaftliches Arbeiten, es geht hier ja nicht um eine theologische Publikation."
Joachim Datko am Permanenter Link
Karteileichen in den Kirchensteuerkirchen!
Von den verbliebenen evangelischen Christen gehen nur ungefähr 3,4% am Sonntag in die Kirche, von den Katholiken nur 10%, mit fallender Tendenz. Kirchenschließungen sind an der Tagesordnung.
Ohne die Säuglingstaufen wären die christlichen Kirchen Randerscheinungen. Die Taufen gehen Jahr für Jahr um ungefähr 2% zurück.
Andreas am Permanenter Link
Ein exzellentes Beispiel dafür, dass man ohne die rechte Gesinnung auch in den Religionswissenschaften kein Bein an den Boden bekommt. Immerhin werden die Professoren vom der Mehrheitspartei des Landtags berufen.
Die Tatsache, dass konfessionelle Kitas und Schulen so beliebt sind, liegt übrigens auch daran, dass viele „religiöse“ Eltern ihre Kinder nicht mit Muslimen zusammen auf die öffentlichen Schulen schicken wollen. Was natürlich nicht gesagt werden darf.