Atheisten und Weihnachten

Atheisten haben es an religiösen Feiertagen nicht immer leicht. Oft kommt bei der gemeinsamen Familienfeier das unvermeidliche Thema "Gott" auf und warum man denn nicht mehr glaube. Wie verhält man sich als Atheist? Die Füße still halten, um den Familienfrieden nicht zu stören? Oder diskutieren, was das Zeug hält? Falls Sie, liebe hpd-Leserinnen und -Leser,  sich für Letzteres entscheiden, haben wir hier für Sie die besten Argumente für die anstehende Festtagsdiskussion zusammengestellt.

Die Weihnachtszeit ist für viele Menschen in Deutschland schlicht eine Zeit, in der man die Familie oder Freunde besucht, zusammen isst, (Alkoholisches) trinkt, sich gegenseitig beschenkt und – gelegentlich auch – miteinander über grundlegende Fragen diskutiert. Bei diesem Anlass kommt auch die Frage nach Gott hin und wieder auf. Dabei ist ein religiöser Bezug immer seltener vorhanden, geschweige denn der eigentliche Grund für das Zusammenkommen.

Doch in diesem Rahmen bietet die Frage nach Gott durchaus ein großes Konfliktpotenzial. Vor allem dann, wenn besonders glühende Verfechter beider Standpunkte in einem Raum vertreten sind und das "Glühen" nicht lediglich von den Argumenten herrührt. Aber auch bei nüchterner Betrachtung lohnt sich ein genauerer Blick auf die Gründe, warum viele Atheisten davon ausgehen, dass "Gott" nicht existiert. Folgende Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll lediglich einige der Argumente ausformulieren, die trotz oder gerade wegen ihrer Stichhaltigkeit etwas zu selten Beachtung von der religiösen Seite finden. Für einige der Argumente wird die Existenz eines "Gottes" vorübergehend als gegeben angenommen.

1. Definitionsproblem

Atheismus, Agnostizismus oder Ignostizismus? Aus wissenschaftlicher Sicht wäre wohl der ignostische Ansatz am ehesten gerechtfertigt, weil jeder religiöse Mensch sich "Gott" anders vorstellt und keine einheitliche Definition vorliegt. Fragt man lange genug nach, so ergeben sich selbst unter Mitgliedern ein und derselben Familie unterschiedliche Vorstellungen von "Gott". Da es keinen Sinn ergibt, über Milliarden verschiedene Gottesbildern zu debattieren, sollte man sich der Einfachheit halber auf einen wenigstens in Ansätzen kohärent definierten einigen, wenn man weiter darüber reden möchte. Nehmen wir hierfür den christlichen, da die meisten in Deutschland lebenden religiösen Menschen an eine Form von diesem Gott glauben. Aber allein die Tatsache, dass es noch nie eine einheitliche Definition für Gott gab – selbst innerhalb spezieller Strömungen nicht – und wohl auch nie geben wird, ist für viele Grund genug, das Konzept Religion zu verwerfen.

2. Fehlende Evidenz

Aus demselben Grund, aus dem mehr und mehr Menschen davon ausgehen, dass auch die Zahnfee, Drachen, Dämonen, Geister oder andere Fabelwesen nicht existieren, wird auch die Existenz eines Gottes verneint: es handelt sich um Fantasiewesen, deren Existenz noch nie auch nur ansatzweise bewiesen werden konnte. Warum sollte Fantasiewesen A mit höherer Wahrscheinlichkeit existieren als Fantasiewesen B? Es gibt bei dem enormen Mangel an Beweisen schlicht keinen Grund, die Existenz "Gottes" anzunehmen. Dieser Mangel entsteht einerseits durch die vielen Eigenschaften, die diesem Konstrukt zugeschrieben werden. Je mehr postulierte Eigenschaften, desto einfacher müsste es sein, die Existenz jener übernatürlichen Entität nachzuweisen. Zum anderen entsteht dieser Mangel durch die enorme Zeitspanne, in der bisher kein Beweis erbracht wurde. Beweise sind jedoch unabdingbar, möchte man nicht als jemand wahrgenommen werden, der genauso gut auch – bar jedweder Faktenlage – der Ansicht sein könnte, dass Elvis lebt.

3. Ockhams Rasiermesser

Es ist ratsam, so wenig Zusatzannahmen zu treffen wie möglich und nur so viele wie nötig. Metaphysische Wesen wie Götter erklären nichts, ohne gleichzeitig noch mehr neue Fragen aufzuwerfen und Ungereimtheiten zu produzieren. Hinzu kommt: was auch immer Religionen behaupteten zu wissen und wo auch immer sie ihren Wahrheitsanspruch ansetzten – es stellte sich so zuverlässig wie nur irgendetwas in diesem Universum stets heraus, dass die Wissenschaft Recht hatte und die Religion irrte. Man könnte sogar fast sagen, dass, wann immer die Religion behauptet, sie wüsste ein Phänomen zu erklären, beinahe jede andere Erklärung plausibler ist, sofern in dieser nicht ebenfalls unnötige zusätzliche Annahmen getroffen werden. Konkret auf ein Beispiel angewendet zeigt sich etwa bei der Frage nach dem Ursprung des Universums, dass "Gott erschuf es" keine zufriedenstellende Antwort sein kann, da sich die Frage dann schlicht um eine Stelle verschiebt, nämlich: woher stammt dann "Gott"? Und warum sollte etwas, das für "Gott" gelten kann (gerne angeführt: "war schon immer da"), nicht auch für das Universum gelten können?

4. Vernunftbasierte Ethik

Religionen führen zu Kriegen, begünstigen diese oder führen zu ungerechtfertigter, pauschaler Ablehnung anderer Menschengruppen. Die Blutspur, die sich durch die gesamte Geschichte der Religionen und ihrer vermeintlichen "ewigen Wahrheiten" zieht, ist nur schwerlich zu übertreffen. Während die Moral nur danach fragt, was "gut" und "böse" ist, fragt die Ethik danach, was "fair" und "unfair" ist. Eine zeitgemäße Ethik braucht weder unantastbare Wahrheiten noch übernatürliche Wesen. Dass die Unterteilung in "gut" und "böse" nicht ausreicht, zeigt allein schon jeder religiöse Fanatiker, der im festen Glauben an "die (vermeintlich) gute Sache" selbst die abscheulichsten Gräueltaten vollführen kann. Mit der Frage, ob es fair ist, sich so gegenüber anderen Menschen zu verhalten, haben sich diese offenbar noch nicht sonderlich intensiv befasst. Oder aber sie sind aufgrund von (religiösen) Märchen dem Irrglauben verfallen, anderen durch das Herbeiführen des Todes späteres Leid in der Hölle wegen angeblichen "Sünden" zu ersparen. Auch wenn die Frage nach "Gott" vielen aus agnostischen oder ignostischen Gründen völlig überflüssig erscheinen mag: Sie ist es nicht. Andernorts schlachten sich noch immer Menschen ab, um der Frage nachzugehen, wer den cooleren imaginären Freund hat. Das Leben vieler wäre deutlich besser, wenn die Gesellschaft und insbesondere deren Spiegelbild in den Parlamenten weniger von religiösen Dogmen geleitet wäre. Aus der Ethik oder genauer: aus Werten, die von der Allgemeinheit akzeptiert werden, folgt nämlich eine bestimmte Politik. Ohne den Beginn der Säkularisierung (Verweltlichung) und die Verbreitung des leider noch lange nicht so weit wie möglich fortgeschrittenen Laizismus (Trennung von Staat und Religion) wären bestimmte Gesetze wohl nie gekippt worden. Man denke etwa an die Bestrafung Homosexueller oder die nun in Ansätzen bereits erreichte Beseitigung der Einschränkungen für LGBTIQs.

5. Theodizee-Problem

Viele Gläubige – vor allem die Anhänger der monotheistischen Religionen – schreiben ihrem Gott die folgenden drei Eigenschaften zu: Allwissenheit, Allmächtigkeit und Allgütigkeit. Nur ist diese Kombination in Anbetracht des enormen, menschlichen (sowie tierischen) Leids ziemlich fragwürdig. Denn entweder hat dieser "Gott" die Macht, das unnötige Leid auf der Welt zu beenden und möchte dies nicht tun – dann wäre er nicht allgütig – oder aber er kann es nicht – dann ist er aber nicht allmächtig. Möglich wäre auch: er weiß nichts von dem Leid, dann ist er aber nicht allwissend. Und angenommen er besitzt all diese Eigenschaften und schreitet dennoch nicht ein, weil er, wie so gerne angenommen, einen "größeren Plan" verfolgt, dann möchte man nur zu gern wissen, was das für ein Plan sein soll, bei dem Kinder ihren dritten Geburtstag nicht erleben, weil sie an Krebs sterben, oder aber was das für ein grandioser Plan sein soll, bei dem Kinder erst geboren werden, nur um Minuten später in der Asche von im Krieg zerbombten Krankenhäusern zu ersticken. Sollte ein allgütiges und allmächtiges Wesen, das weiß, welches unnötige Leid sein Plan erzeugen wird, nicht einen Weg finden, damit Kleinkinder nicht qualvoll sterben müssen? Was auch immer das für ein Plan wäre: Er wäre abzulehnen, sollte es ihn denn geben. Doch wahrscheinlicher ist, dass es weder einen vorgefertigten Plan noch Wesen mit den benannten Eigenschaften gibt.

6. Minimale Wahrscheinlichkeit

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich "ein Gott" einer kleinen Gruppe von Altwelt-Tockennasenaffen auf einem kleinen blauen Planeten am Rande der Milchstraße offenbart? Und davon auch nur einer Gruppe, während er andere Gruppen bewusst in die Irre führt? Und wie hoch ist hingegen die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen schlicht immer das "Gott" nannten, was sie sich nicht erklären konnten? Heute haben wir zur Erklärung von Phänomenen die Wissenschaft und müssen längst nicht mehr auf selbsternannte Gurus, Heilsbringer und Gottgesandte vertrauen. Und warum sollte sich ein "Gott" erst viele Jahrtausende, nachdem es menschliche Hochkulturen und verschiedenste Formen von Zivilisationen gab, offenbaren und dafür eine Sprache nutzen, die nur ein Bruchteil ohne Übersetzung versteht?

7. Wetten, dass

Angenommen einer der rund 3.000 bisher erfundenen Götter ist real und dieses Wesen würde tatsächlich nach dem Ableben über uns Menschen "richten", dann wäre der Standpunkt, dass wir aus Mangel an Beweisen an keinen davon glauben, sicherlich einleuchtender als das aufgrund von Bauchgefühlen lebenslange Huldigen des "falschen Gottes". Die Wahrscheinlichkeit "den richtigen" anzubeten liegt ungefähr bei 1 zu 3.000. Und das auch nur, wenn es exakt einen gibt und keine Vielzahl oder, was am wahrscheinlichsten ist, keinen. Supranaturalistische Wesen sind nach allem, was wir bisher wissen, nicht real. Weder können einzelne Anekdoten – dass uns die Psyche nur zu gerne mal einen Streich spielt, wissen wir aus der Neurologie mittlerweile sehr gut – noch andere Phänomene, die lediglich noch nicht durch die Wissenschaft erklärt wurden, ein gerechtfertigter Grund dafür sein, die Existenz solcher Wesen anzunehmen. Lange Zeit nahmen Menschen etwa an, dass die menschlichen Emotionen doch ein Beleg dafür seien, dass es "zwischen Himmel und Erde" mehr gibt, als wir Menschen zu verstehen vermögen. Doch auch hier zeigte sich wieder, dass die Wissenschaft letztendlich die religiösen Annahmen Lügen strafte. Die neuronal bedingten chemischen Prozesse im Hirn, die wir Emotionen nennen (und die durch das Wissen darüber, was genau passiert, übrigens nicht an Bedeutung, Schönheit oder Intensität verlieren), sind mittlerweile hervorragend erforscht. Durch die Stimulation bestimmter Areale lassen sich sogar bestimmte Gefühle erzeugen.

8. Die Bibel

Wer auch immer eines der sogenannten "heiligen Bücher" las, wird recht schnell festgestellt haben, dass es darin um Menschenrechte, Demokratie, Gleichberechtigung von Mann und Frau et cetera nicht sonderlich gut bestellt ist. Und dafür muss man noch lange nicht nur auf das Alte Testament mit seinem rachsüchtigen und blutrünstigsten "Gott" blicken – um beim gewählten Beispiel des Christentums zu bleiben –, sondern dies gilt auch für das Neue Testament, wie dieses Beispiel zeigt: "So jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigen Leben, der kann nicht mein Jünger sein." (Lukas 14:26). Tatsächlich lehrt uns die Geschichte sogar, dass die benannten Werte und Errungenschaften der Gesellschaft allesamt entgegen weltlicher und vor allem auch religiöser Herrscher blutig erkämpft werden mussten. Außerdem: in vielen Religionen werden Ex-Gläubige auf Grundlage der vermeintlich "heiligen Schriften" entweder verfolgt oder aber zumindest sozial isoliert. Wer solch eine Handhabung nicht für antiquiert hält, dessen Argumente können in diesem Punkt kaum stichhaltig sein. Es mag zwar eine Tatsache sein, dass viele moderate Gläubige durch eine akrobatische Exegese die verwerflichen Inhalte, Mensch und Vernunft sei Dank, in ihr Gegenteil verkehren möchten. Doch dieser Umstand ändert nichts an den eigentlich sehr eindeutig formulierten, menschenverachtenden Passagen, die es neben den friedfertigen eben auch gibt. Und gerade diese zum Teil widersprüchlichen Stellen sind für viele religionsfreie Menschen ein Grund, der Religion den Rücken zuzukehren. Es gibt schlicht keinen Grund, so viel Aufwand zu betreiben, um widersprüchliche, falsche und menschenverachtende Passagen in ein positives Licht zu rücken, wenn stattdessen auch einfach nach zeitgemäßeren Maßstäben für das eigene sowie das gesellschaftliche Leben gesucht werden kann, die ohne derartigen, angeblich unveränderlichen Ballast auskommen.

9. Verdrehen von Fakten

Gerade eingefleischte Theisten argumentieren nicht selten auf eine Weise, die die Vorläufigkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse durch ihre bewährten Methoden zu diskreditieren versucht. Wer dies nötig hat, um einen Standpunkt zu untermauern, dessen Integrität kann allein aus formellen Gründen angezweifelt werden. Aber auch inhaltlich ist diese Ansicht fragwürdig: Denn gerade die prinzipielle Offenheit gegenüber besseren Argumenten und die grundlegende Revidierbarkeit, um die Realität sukzessive immer exakter beschreiben zu können, ist die große Stärke der Wissenschaft. Wir geben nicht vor, letztgültige Wahrheiten erkannt zu haben, sondern die Realität stets nur so genau beschrieben zu haben, wie mit den aktuellen Mitteln möglich. Im Gegensatz zu jeder Religion ist Wissenschaft nicht dogmatisch. Jede Theorie in der Wissenschaft besteht nur so lange, bis sie widerlegt und durch eine noch exaktere ersetzt werden kann. Eine Realität wird von der Wissenschaft nicht geschaffen, die Wissenschaft wird von der Realität erzeugt. "Absolute Wahrheiten" gibt es gemäß dieser Auffassung nicht. Zentral ist dabei, dass inhaltliche Kritik prinzipiell immer zugelassen sein muss und sich jede Theorie im Wettstreit mit anderen anhand mehrerer Kriterien messen lassen muss. Wer diese Grundprinzipien der Wissenschaft ablehnt oder als verwerflich darstellt, muss eine effektivere Methodik vorstellen, um Erkenntnisse über die Welt zu erlangen. Wie die vergangenen Jahrtausende zeigten, eignet sich die Religion dafür allerdings nicht.

10. Mut zur Lücke

Nicht für jedes Phänomen gibt es eine Erklärung. Es gibt durchaus auch Begebenheiten, die nicht geleitet durch eine Person oder ein Wesen, sondern allein aufgrund der (äußeren) Umstände zustandekommen. Die Psychologie lehrt uns, dass Menschen dazu neigen, allem und jedem einen Sinn zu geben. Auch dadurch ist zu erklären, weshalb es seit Jahrtausenden Esoterik, Religionen und Verschwörungstheorien gibt und sich selbst die abstrusesten auch heute noch großer Beliebtheit erfreuen. Sei es die vorgebliche Glücksbringer-Halskette, der angeblich durch Engel beschützte Überlebende eines Autounfalls oder aber die Gedankengebilde von Reichsbürgern, Chemtrailern und Co. Doch wie sich herausstellte, irren wir uns nur allzu häufig mit der Annahme, hinter jeder Begebenheit stünde "ein größerer Plan" oder eine "Absicht". Die Annahme, dass das Universum und der Mensch durch Zufall entstanden sind, ist für viele Atheisten zufriedenstellender als die Antwort, ein willkürlich definiertes Fabelwesen hätte dies getan. Und das ist der Fall, obwohl die Evolutionstheorie (auch hier wieder: dass jede Annahme in der Wissenschaft letztlich auf Theorien begründet und somit prinzipiell revidierbar ist, ist keine Schwäche der Wissenschaft) nicht besagt, dass der Mensch "zufällig" entstanden ist. Diese besagt, dass die natürliche Selektion und zufällige Mutation zwei der Triebfedern waren. Und auch bei der Abiogenese (also dem Übergang von anorganischer zu organischer Materie) waren wohl eher die Voraussetzungen für die Entstehung von Leben schlicht über einen viele Millionen Jahre andauernden Zeitraum so günstig, dass irgendwann beinahe zwangsläufig der Prozess der chemischen Evolution in Gang gesetzt werden musste. Ebenso muss die Entstehung des Universums gemäß wissenschaftlicher Theorien nicht zufälliger Natur gewesen sein. Quantenfluktuationen könnten schlicht zu jenen Umständen geführt haben, dass Raum, Zeit und Materie entstehen konnten. Womöglich war es aber auch einfach "Zufall" – und das wäre in Ordnung. Womöglich werden wir es in einigen Jahrhunderten herausfinden, womöglich aber auch nie – und auch das wären beides Zustände, mit denen die meisten Atheisten gut leben könnten.

11. Immunisierung vor Kritik

Viele werden selbst diesen Text als infame Beleidigung oder übergriffigen Missionierungsversuch zu diskreditieren versuchen. Doch die kritische Reflexion von (Schein-)Argumenten ist per se keine Missionierung, sondern zunächst der Versuch von Aufklärung. Jeder, der der Ansicht ist, dass es am besten wäre, wenn niemand Einfluss auf den Glauben eines anderen Menschen nimmt, der sollte kritisch reflektieren, was daraus logisch folgen würde. Denn dann wäre es plötzlich auch unredlich, jemanden darauf hinzuweisen, dass bestimmte Annahmen wissenschaftlich unhaltbar sind. Zum Beispiel auch dann, wenn jemand an Verschwörungstheorien oder esoterischen Unsinn glaubt. In einer Welt, in der Aufklärung im Keim erstickt wird, möchten jedoch die wenigsten religionsfreien Menschen leben. Kritik muss immer und jederzeit möglich sein. Dass viele Religionen sich mit dem Beginn ihrer Existenz fortwährend gegen Kritik zu immunisieren versucht haben, zeigt, dass ihnen am Wert der Kritik nicht so viel gelegen ist wie am dogmatischen Festhalten an (womöglich) grundfalschen Annahmen. Nicht Frömmigkeit ist eine Tugend, sondern das stete Suchen nach vorläufigen Wahrheiten und die Einsicht darin, dass sich jeder ganz fundamental irren kann und jede auch noch so bewährte Theorie bei Bedarf revidiert werden kann und muss. Diese Tugend wurde von den Religionen bis heute nicht anerkannt, weshalb nicht gerade wenige Atheisten eine grundlegende Abneigung gegenüber den Religionen besitzen.

Diese Gründe sind Beispiele dafür, weshalb viele religionsfreie Menschen heutzutage keinen religiösen Bezug zur Weihnachtszeit mehr benötigen. Der gerne angenommene religiöse Hintergrund des rituellen Zusammenseins und des Beschenkens wird eher mit einem Augenzwinkern hingenommen, wenn nicht gleich – Vorsicht: Konfliktpotenzial! – darauf hingewiesen wird, dass es sich dabei streng genommen um ein heidnisches Fest handelt, welches von vielen Religionen schlicht übernommen wurde.

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