Bischofskonferenz kommt Entschädigungsforderungen nicht nach

Vergangene Woche fand die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Mainz statt. Parallel war die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) mit einer Kunstinstallation zum Thema des kirchlichen Missbrauchsskandals vor Ort, ebenso wie die Betroffenenvereinigung "Eckiger Tisch". Die Bischofskonferenz stellte ein neues Modell für Entschädigungszahlungen vor, das jedoch weit hinter den Erwartungen zurückblieb.

Die deutschen Bischöfe hatten gleich am ersten Tag einen neuen Vorsitzenden gewählt, nachdem Kardinal Reinhard Marx nicht noch einmal für das Amt angetreten war. Sein Nachfolger ist Georg Bätzing, Bischof von Limburg. "Aufbruch, Innovation ist immer etwas, das die Kirche bewegen muss, gerade in den Herausforderungen unserer Zeit", verkündete der neue deutsche Oberhirte in der Abschlusspressekonferenz am Donnerstag. Die Bischofskonferenz habe sich unter anderem mit der kirchlichen Strafgerichtsordnung befasst. "Das ist kein Ersatz für die staatliche Strafgerichtsbarkeit", betonte er. "Alles, was in diesem Land geschieht und unter Straftatbestände fällt, ist zunächst einmal der öffentlichen Strafgerichtsbarkeit anheim zu stellen. Das tun wir, die Kirche bildet keinen Sonderbereich in diesem Feld, sondern Verbrechen werden durch staatliche Stellen geahndet. Sofern es möglich ist, im juristischen Bereich dort zu arbeiten", schob er etwas kryptisch nach.

Daneben wolle man besser werden, was die interne Ahndung von kirchenrechtlichen Straftatbeständen betreffe. Außerdem solle es künftig eine Verwaltungsgerichtsbarkeit geben, unter anderem für die "Sicherheit von Akten des Verwaltungshandels" und eine "Disziplinarordnung für Kleriker", die sich innerhalb ihres Dienstes so verhalten, dass er unmöglich oder beschädigt werde. "Wir alle wollen in diesem Bereich nach vorne gehen und damit auch ein Signal der Transparenz schaffen", so Bätzing.

Der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, äußerte sich anschließend über das System zur Entschädigung der Opfer, das weiterentwickelt worden sei. Ausgehend vom Empfehlungspapier der Expertenkommission, das bei der letzten Zusammenkunft der deutschen Bischöfe im Herbst präsentiert worden war und nach Beratung mit inner- und außerkirchlichen Experten, habe man einige Grundsätze beschlossen: Freiwillige materielle Leistungen, unabhängig von Rechtsansprüchen, seien Ausdruck dafür, dass die katholische Kirche gegenüber den Betroffenen Verantwortung wahrnehme.

Es sollen je nach Fall "individuell festgelegte Einmalzahlungen, die sich in der Höhe an Schmerzensgelder der staatlichen Gerichte (…) anlehnen" vorgenommen werden – und zwar im oberen Bereich. Konkret seien das in der Regel zwischen 5.000 und 50.000 Euro. Man gehe damit einen Schritt nach vorne, verkündete Ackermann: "Ich glaube schon, dass wir eine Marke setzen im Sinne der Weiterentwicklung und einer anderen Großzügigkeit." Die Mittelaufbringung obliege der zuständigen Diözese oder dem jeweiligen Orden, die gegebenenfalls unterstützt werden könnten. Einen Gesamtfonds werde es aber nicht geben.

Diese Zahlungen seien Teil eines umfassenderen Angebots, das auch aus Gesprächen mit Verantwortlichen sowie Möglichkeiten zur Information und Begleitung bestehe. Transparenz in der Kommunikation sei nötig. "Es braucht natürlich auch einen wirklich betroffenensensiblen, guten, professionellen Umgang mit diesen Personen, um Verletzungen, um neue Verletzungen zu vermeiden", so Ackermann weiter. Das Eigentliche seien nicht die materiellen Leistungen, sondern das "Werde ich gehört? Wird das angenommen?", das sähen auch die allermeisten Betroffenen so.

Anträge könnten alle Opfer sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche stellen, unabhängig davon, ob sie schon Leistungen erhalten hätten. Die Zahlungen seien als "Linderung des immateriellen Leids" zu verstehen, nicht als Kompensation von materiellen Schäden. Letzteres setze ein ganz anderes Beweisverfahren in Gang, welches man den Betroffenen nicht zumuten wolle. Insgesamt gesehen habe man sehr viele der von der Arbeitsgruppe im Herbst vorgeschlagenen Komponenten übernommen.

Eine Kirchenstruktur, die am Geld klebt

Die Reaktionen fielen jedoch weniger positiv aus, als es nach Selbsteinschätzung der Bischöfe hätte der Fall sein müssen: Enttäuscht und wütend zeigte sich die Betroffenenvereinigung "Eckiger Tisch", nachdem die Bischofsvollversammlung die neuen vorgesehenen Entschädigungssummen bekannt gegeben hatte:

"Immerhin haben wir jetzt Klarheit. Die Kirche in Deutschland ist nicht bereit für ihre Verbrechen die Verantwortung zu übernehmen und ihren Opfern eine Entschädigung anzubieten. Sie will lediglich Anerkennungsleistungen zahlen und orientiert sich dabei an den Tätern, die missbrauchten. Das zweite Verbrechen des Versetzens, Vertuschens und Verschweigens, das von der Institution begangen wurde, will sie nicht wahrhaben. Was für ein Versagen! Was für eine verpasste Chance! Wieder einmal wird deutlich, dass man immer nur so viel einräumt, wie ohnehin nicht mehr geleugnet werden kann, und es wird nur getan, wozu man durch die Opfer und ihre Verbündeten in der Öffentlichkeit gezwungen wird. Dabei hätte es die Möglichkeit gegeben, zum ersten Mal das Minimum des rechtlich Gebotenen zu überbieten."

Der "Eckige Tisch" rief gar zum Kirchenaustritt auf, indem er in einer Pressemitteilung schrieb: "Wollen sie [Katholikinnen und Katholiken] auch weiterhin eine Kirchenstruktur unterstützen mit ihren Beiträgen, die so offensichtlich am Geld klebt und ihre Opfer missachtet? Wollen sie auch weiterhin für das moralische Versagen ihrer Hirten in Mithaftung genommen werden? Denn das sollte jeder und jedem klar sein: Es gibt jetzt keine Ausrede mehr, man habe davon ja nichts gewusst!" Auch der Staat müsse sein Verhältnis zur Kirche klären: "Wollen wir einer solchen Institution auch weiterhin Kinder und Jugendliche anvertrauen?"

Der Verein ehemaliger Missbrauchter hatte vor Ort durch seine Präsenz mit Transparenten auf seine Forderung nach angemessener Entschädigung aufmerksam gemacht, die er zu Beginn der Bischofskonferenz vor einer Woche in einer weiteren Pressemitteilung zum Ausdruck gebracht hatte, wobei an klaren Worten nicht gespart wurde. Was angemessen wäre, hatte die bereits erwähnte Expertenkommission unter Mitwirkung des "Eckigen Tisches" vor einem halben Jahr vorgestellt: Eine Pauschale von 300.000 Euro pro geschädigter Person, was für die Kirche Gesamtzahlungen in Höhe von rund einer Milliarde Euro bedeuten würde, ein Leichtes für die reiche Glaubensvereinigung, wie Matthias Krause recherchierte.

Die vom Deutschen Bundestag berufene Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs zeigte sich in einer Stellungnahme verwundert über das Vorhaben der katholischen Kirche in Deutschland beim Thema Missbrauchsentschädigung. Sie erkenne an, dass die Bischöfe ein verändertes Konzept vorgelegt hätten, "um das durchgängig kritisierte bisherige Modell zu verbessern. Das ist ein wichtiger Schritt. Ungeachtet dessen fordert die Kommission von der Deutschen Bischofskonferenz Transparenz über ihre Entscheidung, die Vorschläge der von ihr eingesetzten unabhängigen Arbeitsgruppe, die im Herbst zusammen mit Bischof Ackermann einen Vorschlag zu Entschädigungszahlungen vorgelegt hat, nicht zu berücksichtigen."

"Einer Institution mit solch gigantischen moralischen Ansprüchen nicht würdig"

Auch David Farago war mit der Kunstinstallation "Die katholische Kirche schiebt die Missbrauchsaufarbeitung auf die lange Bank" für die gbs über die gesamten vier Tage der Bischofsvollversammlung vor Ort, um die Beratungen kritisch zu begleiten. Auch er fand das Ergebnis und die geplante Entschädigung der Missbrauchsopfer mit bis zu 50.000 Euro "sehr enttäuschend". "Besonders für die Betroffenen, die unfassbare Dinge erleben mussten, ist dieses Ergebnis eine schallende Ohrfeige und einer Institution mit solch gigantischen moralischen Ansprüchen wie der katholischen Kirche nicht würdig."

"Wir haben viel Lob bekommen und viel Infomaterial unter die Leute gebracht", berichtet er von seiner Straßenarbeit. "Das Wetter hat zum Thema gepasst: kalt und abweisend, teilweise mit Wind und Regen. Deswegen waren leider nicht ganz so viele Leute unterwegs." Es habe aber auch abweichende Reaktionen gegeben: "Eine Person meinte, dass es nur Einzelfälle von Missbrauch wären, die Trittbrettfahrer angezogen hätten, die sich einen wirtschaftlichen Vorteil davon versprechen." Außerdem sei bei einem Teil der alteingesessenen Mainzer ein ziemlich "mittelalterliches Denken" vorhanden, die die Bischofskonferenz in ihrer Stadt als Geschenk empfänden: "Die reine Anwesenheit dieser Gottesvertreter, das bestaunen sie, da stören wir natürlich. Die fühlen sich dann beauftragt, ihre Kirche beschützen."

Und auch ganz spezielle Passanten gab es: "Gleich an zwei Tagen war eine Frau da, die mich anzeigen wollte, nachdem ich die Kirche überspitzt als kriminelle Vereinigung bezeichnet hatte. Gemacht hat sie es dann aber doch nicht. Sie war völlig überzeugt von der Bibel, die Frau müsse sich dem Mann unterordnen und sich auch gegen ihren Willen 'zu ihm legen', wenn er das verlangt. Da muss man sich dann schon ein bisschen zusammenreißen, wenn man antwortet", erzählt Farago schmunzelnd.

Es habe aber auch besonders schöne Begegnungen gegeben: "Ein Busfahrer der örtlichen Verkehrsbetriebe hielt hupend und herbeiwinkend an, machte den vorderen Einstieg auf und bat schnell um Infomaterial, er wäre ein großer Fan von unserer Aktion und möchte etwas von uns lesen. Wir haben ihm schnell was reingereicht und schon ging die Fahrt weiter. Das haben wir so auch noch nie erlebt."

Matthias Katsch vom "Eckigen Tisch" sei auch da gewesen mit einigen Unterstützern, die immer mal wieder vorbeigeschaut hätten und dem die Aktion mit der "langen Bank" gut gefallen habe. "Allem Anschein nach haben die Bischöfe versucht, einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen, bis auf den Mainzer Bischof hat niemand mit den Betroffenen das Gespräch in der Öffentlichkeit gesucht. Mit uns hat auch kein katholischer Vertreter versucht zu sprechen." Die Presseresonanz sei trotz Pressemitteilung und hoher Medienpräsenz vor Ort ziemlich verhalten gewesen. "Wir sind insgesamt dreimal von Kamerateams gefilmt worden, an einem Interview war aber niemand interessiert. Das einzige, was veröffentlicht wurde, ist eine kurze Einstellung in der 20-Uhr-Tagesschau am Dienstag, aber immerhin."

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