Rezension

Muslimische Kritik am Salafismus

Der Bremer Islamwissenschaftler Hazim Fouad untersucht in seiner Studie "Zeitgenössische muslimische Kritik am Salafismus. Eine Untersuchung ausgewählter Dokumente" die Einwände von modernistischer, sufischer und traditionalistischer Perspektive gegen den Salafismus. Die Arbeit besticht durch die hohe Fachkenntnis von Fouad sowie sein Differenzierungsvermögen, hätte aber auch die inhaltlichen Grenzen der präsentierten Kritik noch stärker kritisch hervorheben können.

Am Islam gibt es eine vehemente Kritik in der muslimisch geprägten Welt, die aufgrund der Sprachbarriere im Westen kaum wahrgenommen wird. Ähnlich verhält es sich mit der muslimischen Kritik am Salafismus, welche deutlich macht: Auch unter Berufung auf den Islam wird seiner salafistischen Umdeutung widersprochen. Darauf macht eine Arbeit des Bremer Islamwissenschaftlers Hazim Fouad aufmerksam. Er war schon früh Mitherausgeber eines Sammelbandes, der auch für den deutschsprachigen Raum den Salafismus umfassend untersuchte. Seine Dissertation schließt hier thematisch an, geht es ihr doch entsprechend des Titels um die "Zeitgenössische muslimische Kritik am Salafismus. Eine Untersuchung ausgewählter Dokumente". Die Buchausgabe macht deutlich, dass Islam und Salafismus nicht gleichgesetzt werden können. Indessen besteht auch für Fouad ein Zusammenhang, denn der Salafismus sei "über diverse historische und theologische Bezugspunkte mit dem Islam verbunden … Salafismus und Salafisten sind somit Teil des Islam …" (S. 72).

Gleichwohl gibt es eine innerislamische Kritik am Salafismus, ihre Erscheinungsformen und Inhalte stehen in der Studie im Zentrum. Foaud fragt daher: "Was sind die Argumente der verschiedenen muslimischen Gruppen, die den Salafismus kritisieren? In welcher Art und Weise, theologisch, islamrechtlich, politisch, historisch, soziologisch, persönlich oder polemisch, wird gegen den Salafimsus argumentiert?" (S. 16). Der Autor beginnt indessen mit einer Erinnerung an die Huntington-Kontroverse, wo es um einen möglichen "Kampf der Kulturen" ging. Dies irritiert ein wenig, gehört dies doch eigentlich nicht zum Thema. Danach geht er auf die Entwicklung des Salafismus ein, wobei der ideengeschichtliche Hintergrund wie die Entwicklung im 20. Jahrhundert thematisiert werden. Dem schließen sich Ausführungen zu den Analysemethoden für sein Vorhaben an. Fouad weist auf die Möglichkeiten von mehr religionswissenschaftlichen und mehr sozialwissenschaftlichen Perspektiven hin. Er möchte sie in seiner Analyse kombinieren.

Erst danach differenziert der Autor idealtypisch drei Richtungen, wobei eine traditionalistische, eine sufische und eine modernistische Kritik am Salafismus unterschieden werden. Dabei stellt er einen Exkurs über die historische Kritik an der Wahhabiya voran, was auch hier eigentlich nicht zum Kern des Themas gehört. Danach geht Fouad auf die Kritik der genannten Richtungen am Salafismus ein, wobei jeweils unterschiedliche Akteure und Institution vorgestellt und verglichen werden. Ein erstes Ergebnis lautet: "Aus traditionalistischer Sicht krankt das salafistische Islamverständnis an der Missachtung grundlegender übergeordneter Prinzipien bei der Deutung von Koran und Sunna" (S. 116). Ähnlich verhalte es sich auch bei der sufischen Kritik, wobei noch die Aussagen von deren Suyuh hinzukämen. Und dann fällt der Blick auf die modernistische Kritik, welche auf "das aus ihrer Sicht unmoralische Verhalten der Salafisten" (S. 271) abstelle. Aus dieser Richtung differenziere man stärker als menschengemacht und als religiös geltende Traditionen.

Fouad erweist sich in seiner Studie als guter Kenner der einschlägigen Debatten, der aufgrund seiner Detailkenntnisse der ideengeschichtlichen Entwicklung und islamischen Religion auch zu differenzierten Wertungen kommt. Er betont dabei immer wieder, dass der Islam "von einer internen Streitkultur geprägt" sei, welche "zu einer Vielfältigkeit und stetigen Weiterentwicklung beiträgt" (S. 333). Hierzu müsste aber aus aufklärerischer und menschenrechtlicher Blickrichtung noch kritisch hinzugefügt werden, dass der inhaltliche Rahmen dafür noch viel weiter gefasst werden könnte. Aussagen in diesem Sinne finden sich sehr wohl in der Studie. Bei den Ausführungen zu Salafismus und Sufismus wird nicht nur auf die Widersprüche verwiesen. Der Autor betont auch "ein gemeinsames Feindbild: der Westen und sein vermeintlich schädlicher Einfluss" (S. 257), wozu unter anderem Atheismus und Säkularismus zählten. Derartige Frontstellungen seien auch den Traditionalisten eigen. Diese Einwände gegen den Salafismus stehen demnach nicht im Einklang mit der Moderne.

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